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Lost Horizon

Idiotensicher

Wer von euch erinnert sich noch an die alten Sierra-Adventures? Damalige Klassiker, die für die breite Masse heutzutage unspielbar wären. Oder würdet ihr einen Titel nicht schreiend von der Festplatte schmeißen, wenn das Spiel euch wegen eines kleinen Fehlers, der bereits Stunden zurück liegt, den kompletten Neustart aufzwingt? Zweifler versuchen sich an Codename: ICEMAN. Und passt besser darauf auf, den Ausweis zu untersuchen, der euch im frühen Spielverlauf gegeben wird. Ansonsten zerschlagt ihr später vor Frustration die Tastatur, wenn der virtuelle Tod folgt. Viel Spaß!

In den letzten Jahren haben Adventures in dieser Hinsicht zum Glück viel dazu gelernt, um es dem Spieler so angenehm wie möglich zu machen. Sackgassen gehören der Vergangenheit an und auch den Tod eures Charakters erlebt ihr nur äußerst selten. Zudem spendieren viele Entwickler ihrem Spiel nützliche Optionen, die einem auf die Sprünge helfen, wenn man nicht mehr weiter weiß. Auch das nervige Pixelabsuchen entfällt dank Hotkey-Funktion.

Trotzdem sollten die Rätsel anspruchsvoll bleiben und von euch Hirnschmalz erfordern. So gesehen sind die Geheimakte-Macher bei ihrem neusten Werk Lost Horizon leider einen Schritt zu weit gegangen und haben den Schwierigkeitsgrad auf Vorschul-Niveau gesenkt. Dabei handelt es sich im Prinzip um gute Knobeleien, die leider viel zu offensichtlich sind. Mehr als drei Bildschirme auf einmal könnt ihr in einem Szenario meist gar nicht betreten und habt nur eine Handvoll Objekte, mit denen ihr interagieren könnt. Dadurch braucht ihr euren Denkapparat gar nicht erst einzuschalten, sondern erledigt jede Aufgabe durch reines Ausprobieren.

Eine der vielen brenzligen Situationen.

So müsst ihr nach einer Bruchladung an den Inhalt einer Kiste gelangen, die sich mit bloßen Händen nicht öffnen lässt. Anstatt euch nun ein wenig rätseln zu lassen, liegt keine zwei Meter entfernt der benötigte Propeller, den ihr als Brechstange missbraucht. Da frage ich mich schon, ob man an solchen Stellen schlichtweg zu faul war, sich ein richtiges Rätsel zu überlegen.

Komplizierte Hirnbrecher, bei denen ihr mehrere Gegenstände gleichzeitig an verschiedenen Positionen in einer bestimmten Reihenfolge braucht, gibt es nicht. Das mag für einige nicht unbedingt schlecht klingen, doch erfahrene Spieler rasen gähnend durch die sieben Kapitel des Abenteuers. In diesen begleitet ihr den britischen Ex-Soldaten Fenton Paddock, dem nur noch Schlapphut und Peitsche fehlen, um ein vollwertiges Indiana-Jones-Double darzustellen. Überhaupt besticht die Geschichte mit ihren zweidimensionalen Charakteren nicht gerade durch Originalität. Ihr macht euch auf die Suche nach dem sagenumwobenen Shambala, zankt während der Reise über den halben Globus mit eurer nervigen Begleiterin Kim und kämpft, wer hätte es gedacht, gegen Nazis.

Dennoch schaffen es die Entwickler, diesen einfallslosen Plot ins rechte Licht zu rücken, was nicht zuletzt an der grandiosen Präsentation liegt. Angefangen bei der lobenswerten Synchronisation mit vielen bekannten Sprechern, über die filmreif inszenierten Zwischensequenzen bis hin zu den wunderschön gezeichneten Hintergründen. Besonders die letzten beiden Gebiete habe ich mir minutenlang angesehen, ohne das eigentliche Spiel zu beachten.

Absinth, Schüssel und Feuerzeug. Wenn ihr nicht mehr zur Auswahl habt, ist die Lösung sehr leicht.

Leider kann ich dasselbe nicht über die Animationen sagen, die teilweise recht holprig wirken. Und obwohl die Sprecher einen guten Job erledigen, können sie an den langweiligen Dialogen und den schlechten Wortwitzen nichts ändern. Wenn ich eine Zeitung mit einem Topf kombiniere und als Antwort „Das ergibt sicher eine leckere Buchstabensuppe" erhalte, landet meine Stirn automatisch auf der Tischplatte.

Lost Horizon ist im Kern immer noch ein gutes Spiel, das für mich leider einen Schritt in die falsche Richtung darstellt. Der Großteil der Rätsel macht Spaß, doch wird euer Hirn nie wirklich gefordert. Die Antwort springt euch meistens mitten ins Gesicht. Noch nie bin ich so leicht zur Endsequenz eines Adventures gelangt. Die Geschichte ist quasi eine Kombination aus allen drei Indiana-Jones-Filmen – für mich existiert der vierte nicht - und kopiert bekannte Elemente. Die undurchdachten Charaktere versucht man durch eine starke Präsentation zu verbergen und bis auf Frauenheld Fenton habt ihr jede Figur nach der Deinstallation bereits vergessen.

Veteranen lassen daher besser die Finger von diesem Spiel und warten lieber auf Gray Matter oder A New Beginning. Außer euch quält der Spielehunger und ihr benötigt dringend neues Futter. Einsteiger freuen sich hingegen über den leichten Schwierigkeitsgrad und können der Story vielleicht noch etwas abgewinnen. Für Geheimakte 3 wünsche ich mir allerdings, dass die Jungs von Animation Arts ein wenig über den Tellerrand hinausschauen und ihren eigenen Horizont erweitern.

Lost Horizon ist ab sofort im Handel erhältlich. Aktuell gibt es noch keine Anzeichen für eine mögliche Konsolenportierung.

6 / 10

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Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

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