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Front Mission Evolved

Experiment misslungen

Schade, dass den Gegnern in der Kampagne genau diese Individualität abgeht. Von Level zu Level steigern sich zwar Durchschlagskraft und Panzerung, doch ihr trefft immer wieder auf Nahkampf-Wanzer, Sniper-Wanzer, Ballistik-Wanzer, Ingenieurs-Wanzer, Mittlere Wanzer und Schwere Wanzer. Und danke an die Entwickler, dass bei jedem Klon-Gegner seine Bezeichnung nochmal eingeblendet wird. Keine richtige Typbezeichnung, keine optische Unterscheidung, nur ein dämliches Namensschild. Okay, Front Mission Evolved will auch keine Simulation á la Mechwarrior sein, doch geht es nicht ein wenig einfallsreicher?

Das nächste Problem: Das Leveldesign. Schlauchlevel so weit das Auge reicht. Ab und an unterbricht zwar eine Art Arena die Rutschpartie, doch realistisch sieht das alles nicht aus. Fahrzeuge, Fußsoldaten und Gebäude wirken unecht und winzig klein. Es kommt kaum ein Gefühl von echter Größe auf. Noch dazu ist die Level-Geometrie äußerst simpel. Ein Haus besteht oft nur aus vier Wänden, einem Dach und einer aufgeklebten Textur. Es gibt keine natürlichen Formen, keine glaubwürdigen Strukturen oder eine nachvollziehbare Vegetation. Alles wirkt steril und etwas langweilig. Keiner erwartet ein neues Liberty City, doch etwas komplexer könnte es doch sein.

Auch die Endgegner-Kämpfe liefern keine wirklich frischen Gameplay-Momente. Mal ballert ihr auf Schwachpunkte eines Riesenmechs, mal trefft ihr auf einen blitzflinken Supergegner, der wie ihr eine Zeitlupenfunktion namens EDGE eingebaut hat. Aufgeladen durch ausgeteilten Schaden, könnt ihr damit die Zeit verlangsamen und euren Schadensausstoß erhöhen. Ziele werden schick rot markiert und nur so lassen sich manche Bosse bezwingen. Selten dämlich auch hier: Das Design der Piloten. Ob Bösewicht mit Narbe, lustiger Rastamann oder durchgeknallte Schönheit. Front Mission Evolved bedient auch hier jedes noch so abgegriffene Klischee japanischer Videospiele.

Um das taktische Wanzer-Schach ein wenig aufzulockern, hat Double Helix ein paar ganz nette Rail-Shooter-Sequenzen eingebaut. Zwei unterschiedliche Waffen und die drohende Überhitzung heben diese Sequenz zumindest etwas von der üblichen Ballerbrei ab. Angeschnallt in einem Transporthubschrauber schießt ihr was die Gatling-Guns hergeben und lasst ungelenkte Raketen regnen. Es macht schön Bumms und der halbe Bildschirm explodiert. Nichts Berauschendes, aber auf eine ganz einfache Art und Weise befriedigend.

Etwas seltsam muten dagegen die Infanterie-Szenarien an. Alle paar Level krabbelt ihr aus eurem Überraschungsei und lauft bewaffnet mit Raketenwerfer und Maschinenpistole in der Third-Person-Perspektive durch unterirdische Anlagen. Überraschendweise sieht das Ganze gar nicht mal so schlecht aus, nur das nervöse Fadenkreuz und die ungenauen Waffen gehen einen ein wenig auf den Keks. Zusammen mit der hohen Geschwindigkeit der Gegner und euren eigenen Sprintmöglichkeiten heißt es über weite Strecken: Spray'n'Pray. Noch dazu seltsame Animationen, strunzdämliche Feinde und Kollegen und der eigentlich nette Ansatz entpuppt sich als missglücktes Experiment in Richtung "unnötig".

So weit, so Singleplayer. Natürlich gibt es zusätzlich noch einen ausgewachsenen Multiplayer-Modus, der sogar ein wenig Call-of-Duty-Feeling verbreitet. Aktuell sind auf den Servern zwar nur Amerikaner zu finden und die Verbindungen dementsprechend schwach, doch wenn es dann mal läuft, macht es theoretisch sogar Spaß. Vorausgesetzt ihr seid leidensfähig. Wer später einsteigt, bekommt es mit extrem aufgemotzten Mechs zu tun.

Front Mission Evolved - Gameplay-Video

Im Gegensatz zu Call of Duty, in dem ihr auch mit einer Anfänger-Waffe Kopfschüsse verteilen könnt, kratzt ihr bei Front Mission Evolved als Einsteiger bei hochgelevelten Mechs nur etwas Lack ab, während diese euch mit ein bis zwei Salven erledigen. Ja, es gibt vorgefertigte Mech-Klassen, die etwas besser ausgerüstet sind, doch auch damit könnt ihr höchstens ein bis zwei Kills abstauben. Wer sich auf das Rennen um das beste Material einlässt, wird in den vier Spielmodi Deathmatch, Team Deathmatch, Domination und Supremancy seinen Spaß haben. Trotzdem wurden die Mehrspieler-Gefechte einfach nicht richtig durchdacht. Und ich habe keine Ahnung, ob man solche grundlegenden Balancing-Probleme noch per Patch fixen kann.

Technologisch unterscheiden sich die drei Versionen nur marginal. Das Spiel sieht überall veraltet aus. Auf dem PC bekommt man das aber am stärksten mit. Hochaufgelöst sieht die niedrig-polygonale Umgebung noch einen Tick schlechter aus. Da hilft auch kein Anti-Aliasing oder die einigermaßen gut umgesetzte Steuerung. Im Vergleich zur Konkurrenz kommt Front Mission Evolved einfach ein paar Jahre zu spät. Hab ich schon erwähnt, dass ich ganz fest die Daumen drücke, dass es noch mit Mechwarrior klappt?

Bitte, bitte liebe Japaner vertraut eure erstklassigen Lizenzen in Zukunft ebenso erstklassigen westlichen Studios an. Egal ob GRIN mit Bionic Commando oder das unsägliche Dark Void. Bis auf die uninspirierte, aber recht gelungene Fortsetzung von Capcoms Zombie-Metzelei wurde bei der Zusammenarbeit nur viel Mittelmäßigkeit produziert. Und Front Mission Evolved ist da keine Ausnahme. Technisch und spielerisch höchstens mittelmäßig, ignoriert es so ziemlich jede Form von Gameplay- und Storytelling-Entwicklung der letzten Jahre. Viel zu linear und einfallslos schleppt es sich, nur getragen durch die grundsolide Mech-Spielmechanik, durch acht Stunden Kampagne.

Ohne das Herumbasteln an den Mechs, die leidlich spannenden Kämpfe und die taktische Tiefe dahinter wäre der Titel sogar noch weiter abgeschmiert. Deshalb kann ich Front Mission Evolved nur wirklichen Mech-Fans empfehlen. Denn der Titel ist weder richtig gut noch wirklich schlecht, sondern einfach überflüssig. Und das ist wohl das härteste Urteil, das man einem Spiel im Jahr 2010 geben kann. Schade um das herrliche Universum und das ebenso erstklassige Mech-Design.

Front Mission Evolved ist für Xbox 360, PC und PS3 erhältlich.

6 / 10

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