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Disney Micky Epic

Entscheidungen (90s 3D-Kamera) = Konsequenzen (Leid des Spielers)

Enttäuschung. Oder besser und etwas weniger hart: Ernüchterung. Das ist es, was ich einige Stunden nach dem Finale von Disney Micky Epic empfand. Nicht direkt danach, das Ende ist gut, seine Variationen auch, soweit ich sie bisher kenne. Aber sobald sich diese unmittelbare Euphorie legt und man das Spiel als gesamtes Revue passieren lässt, all die guten und weniger guten Momente zurückholt, dann war Micky Epic eine Menge, aber nur sehr bedingt ein Spiel, wie ich es von Warren Spector erwartet hätte.

Nachdem ich persönlich vom selbst erklärten moralischen Relativisten Spector zehn Minuten lang über die Nichtexistenz von Gut und Böse als vorgegebene Werte in einem Spiel zusammengestaucht wurde und wie er stattdessen auf Entscheidungen und Konsequenzen setzt, die der Spieler dann selber bewerten darf, war ich ernüchtert. Er hat Spiele geschaffen, die dieses Konzept leben und ausführen, allen voran wahrscheinlich Deus Ex, aber in Micky Epic tut man sich damit sehr schwer.

Es ist eine Cartoon-Welt, in der Micky mit der Macht eines magischen Pinsels die Rolle eines Halb-Gottes einnimmt. Mit einem Knopf verschießt ihr Farbe, die erschafft, mit einem anderen Löschmittel, das zerstört. Innerhalb der Umgebung lassen sich so Teile wie ein zerstörtes Haus oder ein fehlendes Zahnrad wiederherstellen oder Wände ausradieren, damit ein Gegner durch den Boden fällt oder um dahinter ein Versteck zu entdecken. Beinahe nichts davon ist irreversibel. Was ihr löscht, könnt ihr mit Farbe zurückholen. Kaum eine eurer Handlungen hat einen dauerhaften Einfluss. Selbst Gegner kommen zurück, wenn ihr eine Stage erneut besucht.

Die einzigen Konsequenzen liegen in den Lösungen einiger Puzzles. Beispielsweise könnt ihr einen Zwischengegner auf eure Seite holen, indem ihr ihm helft, ein Missverständnis zu beseitigen, und erhaltet später sogar weitere Hilfe. Oder ihr macht euch nicht die Mühe, dann wird es halt später etwas schwerer. Ihr könnt eine kleine Sammelquest erledigen, damit einem Charakter helfen und erhaltet später weitere Möglichkeiten. Oder ihr nehmt das, was ihr braucht, mit Gewalt und dann passiert das halt nicht.

Innerhalb eines „normalen" Spieles würde ich diese Möglichkeiten loben und ich will sie hier auch nicht zu klein reden. Micky Epic ist ein 3D-Jump´n´Run mit kleinen Adventure-Elementen – ganz kleinen – und für ein solches sind das immer noch erstaunliche Möglichkeiten. Aber nach der Ansprache, den großen Worten des Meisters Spector, wirkt der Hype gegen das Spiel. Das ist alles? Das sind die großen Entscheidungen? Die Konsequenzen? Sorry, das ist nicht genug. Hier gibt es kein großes Dilemma, nur eine Maus, die manche Sachen kann, aber nicht muss - und es im Endergebnis eine viel zu kleine Rolle spielt. Für ein Action-Jump-Adventure gut, für einen Spector Mittelmaß.

Stellt sich also die Frage, wie gut denn jetzt gut ist, betrachtet man Micky Epic ohne die Aura des Schöpfers. Da sieht es erst einmal solide aus. Bis sich die Kamera bewegt. Und plötzlich ist man zurück in 1998 und spielt Spyro the Dragon. Oder irgendeines der zahllosen Beispiele früher 3D-Jump´n´Run-Kameras. Von mir aus auch Gex 3D, vielleicht das übelste in dieser Richtung, auch wenn Micky Epic in solche Dimensionen eher selten abdriftet.

Steht ihr in einer Ecke, seht ihr alles mögliche, Polygon-Clipping inklusive, aber nicht, was wichtig ist. Versucht ihr auf einer kleinen Plattform zu landen, hofft besser, dass ihr richtig gestartet seid. Oft genug lässt sich die Entfernung nämlich nur schwer einschätzen. Die Farb- und Lösemittelschüsse gehen oft in den Boden vor euch, da die Perspektive zu niedrig ist, um die Bodenfläche nur ein kleines Stückchen weiter richtig zu erfassen, obwohl ihr genau darauf zielt. Nennt an solchen Kamera-Vergehen, was ihr wollt: Sofern es sie in den Anfangstagen der 3D-Hüpfer gab, holt Micky Epic sie aus der Mottenkiste raus. Und treibt euch damit, zum Glück, was solche Intensität angeht, nur in wenigen Momenten in den Wahnsinn. Die restliche Zeit flucht man nur leise vor sich hin, was ja nach über einer Dekade kumulativer Erfahrung mit 3D-Kameraführung auch nicht sein sollte.

Davon abgesehen gehört das Design der Stages und Aufgaben darin in die obere Schublade der Kategorie solide, wobei ein paar Teile auch unter "inspiriert" abgelegt wurden. Die Plattform-Passagen an sich halten sich in Grenzen und natürlich setzt Micky Epic auf sein Farb/Lösemittel-Gadget. Ein Gegner lässt sich entweder mit Farbe einsprühen, was ihn nach kurzer Zeit zu euerem Freund macht, der sogar für euch kämpft. Bearbeitet ihr ihn dagegen mit Lösemittel, schaltet ihr ihn einfach nur aus. Ich nehme an, dass dies in die Kategorie der Entscheidungen und Konsequenzen gehört, dass es euer Einstellung zur Welt beeinflusst, aber hier ist die Farbe einfach so viel besser, dass es mit Ausnahme einiger resistenter Feinde wenig Grund gibt, nicht einfach neue Freunde und vor allem Mitstreiter zu schaffen.

In der Landschaft selbst sind die Rätsel teilweise nicht schlecht implementiert und verbinden ein paar fordernde Sprünge mit der Notwendigkeit, etwas zu schaffen oder zu löschen, nur hätten sie etwas früher und konzentrierter auftreten können. In den ersten Spielstunden bleibt es sehr offensichtlich, was zu tun ist, das Spiel nimmt euch permanent an die Hand und ein paar hilfreiche Geister können euch stets zum nächsten Ziel weisen – und gelegentlich auch als Smartbomb missbraucht werden. Man darf halt nicht vergessen, dass die Zielgruppe kurz und knapp „alle" heißt und da darf es wohl nicht zu komplex werden. Diese Komplexität scheitert auch daran, dass die Flächen die ihr schafft und löscht, definiert sind. Freie Kreativität ist hier kein Faktor.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Disney Micky Epic

Nintendo Wii

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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