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Journey

Spielkunst, Kunstspiel

Es gibt nur wenig Spiele, denen ich den Kunststempel durchgehen lasse. Zwei davon, flOw und Flower, stammen von ein und derselben Firma: thatgamecompany. Ein kleines amerikanisches Entwicklerstudio, das von Kellee Santiago und Jenova Chen gegründet wurde und bei dem der Name Programm ist. Beide Titel passen nur schwer in den Handlungsrahmen klassischer Genres. Oft gibt es kein klares Ziel oder ein festgelegtes Ende, sondern eine digitale Erfahrung, die mich mal erstaunt, mal begeistert zurückgelassen hat.

Ihr neustes Werk, Journey, sieht dagegen schon fast konventionell aus. Eine Figur läuft durch eine weite Wüste und muss einen Berg erreichen. Kleine Puzzle-Elemente, ein wenig Jump'n'Run und ein ausgeklügelter Multiplayer-Modus wirken schon fast wie das Fact-Sheet eines Blockbusters. Doch was dann wirklich auf den Bildschirm gezaubert wird, hat nur wenig mit einem klassischen Videospiel gemeinsam.

Es geht bei Journey, wie der Name schon sagt, um eine Reise. Den Weg durch weite Landstriche, tiefe Höhlen und zerklüftete Felsen, hin zu einem magischen Berg. Was einem sofort ins Auge fällt: Der reduzierte Grafikstil, der ein wenig an ICO und Shadow of the Colossus erinnert, nur comichafter, stilisierter. Große farbige Flächen, sanfte dahingemalte Hügel und abstrakte Bauten schälen sich Schritt für Schritt aus dem Dunst, der über der Wüste liegt.

Ein Casual-Zugeständnis: Die Kamera wird per Sixaxis kontrolliert. Flower, anyone?

Perfekt animiert, beobachtet ihr eure geschlechts- und namenslose Figur, wie sie durch die unendliche Weite stapft. Ein Wesen, das grob humanoid und doch anders ist. Seine ruhigen, fast meditativen Bewegungen verströmen eine einmalige Atmosphäre. Man fühlt förmlich, wie sich der Protagonist Schritt für Schritt auf sein Ziel zukämpft, erst einmal vollkommen allein und mit einer unglaublichen Gelassenheit.

Ebenso einfach und zielgerichtet mutet die Steuerung an. Mit dem Analog-Stick bestimmt ihr einfach die Richtung, es gibt keinen Knopf zum Sprinten oder Zuschlagen. Es gibt keine Punkte und kein Storytelling. Stattdessen könnt ihr mit magischen Bändern, die an Fahnenmasten hängen und sich in Felsspalten verstecken, kurze Zeit fliegen und schweben. Ihr sammelt sie durch simples Vorbeilaufen ein oder aber ihr stoßt einen Ruf aus und die zarten Stoffbahnen fliegen auf euch zu.

Sie fungieren aber nicht nur als Treibstoff für euren Höhenflug, sondern auch als Baumaterial für Brücken, um Abgründe zu überwinden und eurem Ziel näher zu kommen. Ein fast schwereloses Gameplay, getrieben von ebenso schwerelosen Sprüngen, der Suche nach den Bändern und dem Glück verheißenden Ausgang zu eurer nächsten Reise-Etappe. Viel mehr gibt es nicht zu tun. Wenn ihr den Solo-Modus wählt.

Interessant wird der Titel, wenn ihr euch für die Online-Variante entscheidet. Das Spiel lost euch dabei nach dem Zufallsprinzip einen Partner zu. Kommuniziert wird mit seltsamen Symbolen und Tönen. Was sie bedeuten? Wollten die Entwickler nicht verraten. Interessant wird es, wenn es wieder um die omnipräsenten Stoffbänder geht. Diese lassen sich nämlich teilen und weitergeben.

Ihr helft eurem Gegenüber also praktisch auf seiner ganz eigenen Reise. Könnt stets zusammen oder vollkommen allein durch die Einöde ziehen. Eine weitere Erklärung gibt es nicht. Keine groß angelegte Philosophie, keine platten Metaphern. Das Spiel soll sich genau diesen Schlussfolgerungen entziehen, um euch die Freiheit und Offenheit zu lassen.

Nicht nur Wüste: Dunkle Höhlen und karge Felsen als Abwechslung.

Das Level-Design bleibt dabei aber nicht auf Wüsten und offene Weiten beschränkt. Bilder und kurze Videoszenen zeigten dunkle Höhlen und abstrakte Felsformationen. Zwei bis drei Stunden seid ihr für euren ersten Durchgang unterwegs. Wenn man hetzt und das Spiel wie ein klassisches Core-Game angeht. Doch genau darum geht es ja. Sich Zeit zu nehmen und die Reise zu genießen. Einmal, zweimal, dreimal. Bis ihr euch sattgesehen und gefühlt habt. So sieht Videospiel-Kunst aus.

Abschließend noch eine interessante Geschichte von unseren Engländern: Die Inspiration zu Journey bekam Game Designer Jenova Chen bei einem Gespräch mit einem Astronauten. Charles F. Bolden flog während den Apollo-Missionen dreimal ins All, durfte aber nie auf dem Mond spazieren gehen. Was Bolden aber faszinierte, war, dass die meisten Astronauten, die vom Mond zurückkamen, sich von einem Atheisten in einen Gläubigen verwandelt hatten. Sie hatten etwas Spirtituelles erlebt. Eine ganz besondere Reise. Das nenne ich mal eine Eingebung für ein wirklich außergewöhnliches Spiel.

Was soll ich sagen? Ich habe Flower trotz seiner Kürze und trotz seiner Einfachheit geliebt. Nur wenige Titel verströmen so viel Atmosphäre wie die Werke von thatgamecompany. Klar wünsche ich mir manchmal etwas mehr Substanz, wäre gern länger und intensiver unterwegs, aber das gehört nun mal zum Konzept. Wie schon seine Vorgänger wird auch Journey mit höchster Wahrscheinlichkeit die Spielergemeinde spalten. Wer sich von der einmaligen Stimmung einfangen lässt, wird die Reise zum Berg trotz des simplen Gameplays lieben, der Rest wird sich unendlich langweilen. Damit ist das Spiel wohl der ultimative Gegenentwurf zu Duke Nukem. Feingeistig, ätherisch und vor allem designtechnisch anspruchsvoll. Und genau wie die Abenteuer unseres Lieblingsprolls einfach Geschmackssache.

Journey erscheint spätestens im Sommer 2011 exkusiv für PSN.

In diesem artikel

Journey

PS4, PS3, PC

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Über den Autor

Kristian Metzger

Contributor

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