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Cargo! The Quest for Gravity

Reif für die Insel. Aber sowas von.

Cargo! ist ... ziemlich speziell. Es ist die Sorte Spiel, bei der man im Grunde mehrmals ansetzen muss, wenn man es einem Dritten an einem Mittwochabend nach der Arbeit zu erklären versucht. Und selbst dann wird euer Gegenüber immer noch nichts verstanden haben – oder denken, ihr hättet einfach nur während einer aus dem Ruder gelaufenen Lachgas-Orgie Banjo-Kazooie: Nuts & Bolts gespielt. Ich versuch' es trotzdem noch mal: In Cargo! müsst ihr geschlechtslosen, debilen Zwergen auf einem Inselarchipel in den breiten Hintern treten, um mit dem verdienten "FUN" Bauteile für die Kreation von durchgeknallten Fahrzeugen zu erstehen.

Denn in dieser nicht ganz so bösen Postapokalypse hat eine dreigespaltene mechanische Gottheit dafür gesorgt, dass die Erde stillsteht und in der Folge so gut wie allem, was man sehen oder anfassen kann, sein Gewicht genommen. Die Menschheit ist nicht mehr und ihre letzten Monumente (Freiheitsstatue, Chrysler-Building, Big Ben) kreisen – unbestellt und noch weniger abgeholt – in der Stratosphäre. Es ist zugegebenermaßen eine Art selektive Schwerkraft, denn einige Inseln, Dinge oder die haarlosen FKK-Fans können sich ganz normal auf den Resten dieser Erde bewegen.

Scheinbar haben die planlosen Herrscher über diese Welt die "Buddies" genannten halben Portionen allein zu dem Zweck erfunden, den Schlamassel zu korrigieren. Denn die Kerlchen sind einzig dazu da das Gewicht spendende "FUN" zu erzeugen. Erntet man nur genügend davon, kann man die der Erde enteilten Schwebekörper also nach und nach wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen und den beinahe endlosen Ozean wieder ein bisschen ansehnlicher gestalten.

Die Krone der Schöpfung. Wie man sieht.

Hier kommt ihr, in der Rolle der Mechanikerin Flawkes ins Spiel. Denn natürlich muss wieder ein Mitglied der nahezu ausgerotteten und fortlaufend gering geschätzten Menschheit ran, um mithilfe des Konstrukteurstalentes die Drecksarbeit zu erledigen – bis alles wieder, naja, nicht unbedingt am rechten Platz, aber zumindest "unten" ist. Euch bleibt zu Anfang wenig anderes übrig, als ein wenig grob mit den kleinen Rackern umzugehen. Das ist aber okay, denn nur dafür wurden sie geschaffen. Da ihnen Schmerzempfinden, Identität oder Selbsterhaltungstrieb abgehen, ist ihre einzige Regung eben der Ausstoß der Spaß-Ressource.

Zu Beginn könnt ihr die Buddies lediglich treten. Dabei geben sie ihr "Fun" an euren Zählerstand ab, werden selbst immer leichter und segeln wie ein sehr glücklicher und prächtig unterhaltener Luftballon unter einem hochgepitchtem "Weeeeeeeeeh!" oder "OLOLOLOLOLOLO" den Himmel hinauf. Um dann wie ein Knallbonbon in eine Konfettiwolke zerplatzen. Gehen euch die Buddies aus, werft ihr einfach herumliegenden Schrott in den magischen Strudel, der im Meer unterhalb der Opferklippe rotiert und der Vulkan spuckt neue Untertanen zum einvernehmlichen Misshandeln aus.

Dann kommt der Bau-Anteil ins Spiel. Um andere Inseln zu erreichen, eure beim Absturz eures Flugschiffes verstreute Ladung wiederzufinden und den Buddies den maximalem Spaß zu entziehen, braucht ihr einen fahrbaren, flugfähigen oder schwimmenden Untersatz. Diesen setzt ihr in einem simplen Baukasten aus diversen Einzelteilen zusammen, die sich mit Fun im Shop der Götter kaufen lassen. Auch lassen sich in der Welt versteckte und verstreute Komponenten finden. Ihr wählt einfach ein Cockpit und hängt Schwimmkörper, Container, Bodenplatten und Konsorten dran – und wundert euch anschließend, warum sich das wilde Gefährt nicht in Bewegung setzt.

Rolling on Floor. Laughing.

Segel, Propeller, Räder und nicht zu vergessen die drei unterschiedlichen Motorenklassen – Perpetuum Mobile, Very Perpetuum Mobile und Most Perpetuum Mobile, wunderbar – sind nämlich dafür zuständig, dass etwas erst steuerbar wird oder eben nicht. Bei der Kombination aller Elemente legt euch das Spiel erfreulich wenig Grenzen auf.

Ich habe schon den seltsamsten Blechelefanten-Hubschrauber in die Lüfte bekommen. Der Moment, in dem eine solche Konstruktion durch das Setzen eines zusätzlichen Ventilators an der entscheidenden Stelle auf einmal funktioniert – nicht gut, aber immerhin überhaupt – ist trotz des simplifizierten Baukaustens und trotz der einfachen Physik, ein sehr befriedigender.

Das Bauen neuer Kreationen sorgt jedes mal dafür, dass man im Halbstundentakt tief in dem Editor versinkt. Viel länger, als es das eigentliche Spiel drum herum vielleicht rechtfertigt. Aber in Cargo! vergisst man einfach wie von selbst die Zeit. Es ist ein unwirklicher Raum, in dem man sich bewegt. Die Fremdartigkeit und der – im positivsten Sinne – schiere Wahnsinn haben genau das im Gepäck, was das letzte Werk der Russen von der Ice Pick Lodge (The Void) noch an der Arthouse-Garderobe abgegeben hatte: Spaß und Freude an der Interaktion.

Alexander Bohn-Elias Avatar
Alexander Bohn-Elias: Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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