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Die Eurogamer-Textwerkstatt: Anatomie eines Spieletests

Theorie, Praxis und der Spielraum dazwischen

Ein Thema muss so angesprochen und aufgebaut werden, dass der Leser wissen möchte, was man noch dazu zu sagen hat und wie es in das konkret besprochene Spiel hineinspielt. Das kann ein Feature des Games sein, aber einfacher ist es meist, sich thematisch zu orientieren. Im Falle eines Action-Flugsimulators hat man verschiedene Möglichkeiten und es hängt von der eigenen Schreibkunst, der Recherche und etwas Fingerspitzengefühl ab, welche davon am besten gelingen könnte. Das Thema Flugsimulationen an sich, ein Genre, das sich in einem gefühlten ewigen Niedergang befindet, kann man nehmen. Oder, da hier eine Frau im WWII am Steuer sitzt, kann man die spontanen Ausbrüche absoluter Gleichberechtigung in Kriegszeiten thematisieren.

Der Einstieg mit den Flugsimulationen wird wahrscheinlich nicht ganz so reizvoll sein, weil es ein thematisch bereits gut beackertes Feld ist. Man müsste das vorliegende Spiel in einen sehr spezifischen Kontext setzen und nicht zu allgemein werden. Niemand möchte bei so einem Artikel eine Abhandlung über die Entwicklung der Flugsimulationen lesen, außer sie passt in brillante 40 Wörter. Viel Glück.

Die Besonderheiten der Emanzipation in den Flugzeugkanzeln des Zweiten Weltkriegs dagegen ist etwas Neues und lässt sich bestimmt auf zwei oder sogar drei - ziemlich das Maximum, was eine Einleitung überhaupt haben darf, sofern sie nicht einen wirklich guten Grund hat, länger zu sein - interessante Absätze ziehen. Damit kennen sich jetzt nicht so viele aus, dazu gibt es in unserem Genre des Schreibens nicht viel. Es lauert aber auch eine Falle. Wie schwenkt man von diesem Thema wieder um zum Spiel, ohne dabei den Lesefluss durch einen extremen Bruch zu stören?

Erst drei losgelöste Absätze hinzuknallen und danach wie Monty Python "now for something completely different" zu verkünden, sollte man auf jeden Fall vermeiden. Die Einleitung sollte fließend in den folgenden Text übergehen und das ist eine Überlegung, die man zuerst anstellen sollte. Eine gute Idee für einen Anfang im Kopf zu haben ist schön, aber sie darf nicht für sich losgelöst stehen. In diesem konkreten Fall könnte man von den Einsätzen, die Frauen im Zweiten Weltkrieg geflogen haben, und den Einsatzorten zu den im Spiel gebotenen Szenarien gehen. Darüber reden, ob denn solche Einsätze sich an der Wirklichkeit orientieren oder im Spiel erfunden sind.

Etwas, das man bei Einleitungen vermeiden sollte - sich aber je nach Umfang des eigenen Outputs nicht immer einhalten lässt -, ist Routine. Jede Einleitung sollte etwas Eigenständiges bieten, so wie man auch bei dem ganzen Test nicht zu sehr in einen definierten Ablaufplan driften sollte. Die übliche Reihenfolge wäre wohl etwas in der Richtung von "Story, Spielumfang, Steuerung, Multiplayer, Grafik, Fazit". An dieser speziellen Reihenfolge gibt es nichts auszusetzen, aber man sollte nicht jedes Mal den gleichen Weg durchexerzieren.

Je nach Spiel müssen Gewichtungen getroffen werden und das beginnt bei der Einleitung. Sie definiert in gewisser Weise, was wichtig ist an einem Spiel. Sortiert man es erst einmal irgendwo thematisch ein? War die Grafik so furchtbar, dass man gleich darüber reden möchte? Die Einleitung gibt die Richtung vor und sie bestimmt, auf welchem Weg es zum Fazit geht. Bei manchen Spielen hat man einfach sofort eine spontane Eingebung für einen perfekten Einstieg, aber wenn das nicht der Fall ist muss man sich dafür Zeit nehmen, nachdenken und notfalls auch noch mal drüber zu schlafen. Wer mit einem "Wir werden prüfen, ob dieses Spiel gut ist" einsteigt, kann sich auch weitere Mühen sparen. Der Großteil der Leser wird sich auch die Mühe sparen, es zu lesen.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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