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Anno 2070 - Test

Irgendwas ist immer

Auch wenn zwischen Techs und den beiden anderen Fraktionen keine ganz so große philosophische Schere aufgeht, so erweitert der komplett neue Gebäudebaum und das Unterwassertreiben das Geschehen um eine Breite, mit der Anno-Experten lange ihre wahre Freude haben werden. Die Perks, die Akademien und Forschungseinrichtungen dieser verkappten Trekkies euren Kreisläufen und Einheiten gewähren, eröffnen gerade in weiter fortgeschrittenen Partien und im Multiplayer-Bereich neue Facetten, wenn ihr mit eurer Arche, eurem mobilen Kommandoposten, permanente Boni von einem Spiel ins nächste tragt.

Ihr seht schon: Drei Parteien, auf die man mit zunehmender Spieldauer auch Zugriff hat, samt eigener Gebäudetypen und Wirtschaftskreisläufe - Anno ist noch eine Ecke komplexer geworden. Leider schlägt das Spiel nicht durchgehend einen fehlerfreien Spagat zwischen Komplexität und Kompliziertheit. Im Baumenü unten rechts habt ihr nicht nur bis zu drei Reiter für die einzelnen Fraktionen, die einzelnen Parteien haben sogar noch einmal unterschiedliche Sub-Menüs, in denen die Gebäudetypen nach Zivilisationsstufen sortiert sind. Hier ist es auch nach ungezählten Stunden oft schwierig, sich zurechtzufinden, besonders weil die sehr fortgeschrittenen Gebäude nicht immer so einfach zu unterscheiden sind.

Das gilt auch für deren grafische Darstellung. Die futuristischen Siedlungen setzen sich zum Großteil aus Fantasieprodukten aus Glas und Stahl zusammen. Deren Erscheinungsbild kann folglich nicht immer vermitteln, was gerade im Inneren passiert. Wer nur mal eben den Steuersatz für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe anheben will, weiß nach einer Weile schon recht zuverlässig, die nachhaltigen Wohngebäude der Ecos von denen der Techs zu unterscheiden. Will man aber einzelne Produktionsstätten stoppen, muss man schon sehr genau hinsehen. Zugleich wirkt das Geschehen trotz der topaktuellen Grafik-Engine und schöner Design-Einfälle oft ein bisschen anonym und steril.

Anno 2070 - Multiplayer-Trailer

Es fehlt ein bisschen der urige Charme der Vorgänger, der wohl zugunsten des ernsteren, neusintflutlichen Szenarios aus dem Spiel gespült wurde. Alles ist ein bisschen keimfrei, was wohl auch daran liegen mag, dass die Untergebenen offensichtlich keinen Finger mehr rühren müssen. Zager & Evans hatten diesen Status eigentlich erst für das "Year 2525" vorhergesagt. Scheinbar werden aber wohl schon 2070 alle Arbeiten von Maschinen und Automaten erledigt, denen zumindest ich nicht mehr so gerne zusehe. Euer Völkchen streift in der Mehrzahl dagegen nur noch ein wenig ziellos von A nach B, was zwar ordentlich wuselig aussieht, aber auch nicht wirklich zum Zuschauen animiert.

Natürlich betrifft diese Automatisierung auch das Militär. Nun geht es nur noch in hochtechnisierten Gefährten durch Gewässer und Lüfte. Bodeneinheiten werden scheinbar als ineffizient erachtet und kommen demzufolge nicht mehr vor. Immerhin stimmt damit die Wegfindung jetzt wie von Zauberhand, was in den Vorgängern nicht immer so war. Der Fokus liegt aber weiterhin im Aufbau der Siedlungen, geschickte Diplomaten müssen sich nur sehr selten mit Waffengewalt Gehör verschaffen.

Als sehr gelungen kann man dagegen die Kommandozentrale bezeichnen, das Hauptmenü des Spiels, in dem Ubisoft über eine Anno-eigene Infrastruktur täglich neue Sub-Aufgaben für das Endlosspiel und die Einzelmissionen aus dem Internet in eure Richtung schickt. Sogar eigene Mini-Kampagnen werden auf diese Weise dargereicht und sorgen somit auf dem Papier für längerfristigen Ansporn. Dazu beteiligen sich alle mit dem Netz verbundenen Anno-isten an Senats- und Weltrats-Wahlen, die globale Auswirkungen auf das Spiel-Universum haben, etwa die Produktivität von Produktionsbetrieben erhöhen, Unterhaltskosten senken oder das Tempo bestimmter Einheiten steigern. Eine wundervoll komplexe Meta-Ebene.

Da ist es nun, Anno 2070. Die Angst vor dem neuen Szenario war nicht unbegründet, denn trotz der theoretisch hohen Schauwerte geht dieser geleckten, automatisierten Zukunft spätestens auf den zweiten Blick doch ein Bisschen von der alten Freude ab. Wer bisher aber sowieso immer durch pittoreske Gebäudegrafiken und drollige Untergebenen-Animationen hindurchblickte und dahinter nur Warenkreislauf-Diagramme sah, den wird Anno 2070 jedoch ebenso mühelos und lange in sich aufsaugen wie seine exzellenten Vorgänger. Wenn man sich von ihr nicht einschüchtern lässt, imponiert die Liebe zu komplexen Sachverhalten, die dieses Spiel an den Tag legt, halt doch ziemlich. Und wenn man die teilen kann, ist auch der Zeitsprung wieder ein eindeutiger Gewinn.

Anno 2070 ist für den PC erhältlich.

8 / 10

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Anno 2070

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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