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Spec Ops: The Line - Vorschau

Die Linie in Zeiten des Sturms

Darkness is death's ignorance and the devil's time. Der Weg in die Hölle führt über gute Intentionen und das Richtige zu tun ist unmöglich, wenn es keine Seiten gibt. Man kann sich bei Spec Ops: The Line mit düsteren, halbseidenen Bonmots zuwerfen und es würde immer noch eines obendrauf passen. Am besten vielleicht, dass das Herz der Finsternis ein Ort ist, den jeder bereisen kann, wenn man ihn nur weit genug von Werten, Moral und Zivilisation absetzt. In seinem Herzen kann dann jeder diesen Pfad wählen. Oder wird er für einen gewählt? Den wenigsten dürfte jedenfalls gefallen, was bleibt, wenn alle Hüllen weggerissen werden.

Die Geschichte von The Line ist so ambitioniert wie bis zu einem gewissen Grad auch bekannt. Das Herz der Dunkelheit, das schon Pate für einen nicht ganz unbekannten Vietnamfilm - der mit Marlon Brando und Sheen Senior - oder das Herzog/Kinski-Monstrum "Aguirre, der Zorn Gottes" stand, ist schweres Geschütz. Um die 110 Jahre alt, stellt Joseph Conrads Buch unter anderem die Integrität des Menschen seiner Gesellschaft gegenüber infrage. Ist die Möglichkeit gegeben oder erfordert die Situation außergewöhnliche Maßnahmen, wie weit geht der Wunsch, "das Richtige zu tun" dann noch? Vielleicht erübrigt sich dieser Gedanke im Angesicht der Möglichkeit, etwas Außergewöhnliches zu schaffen, das von außen betrachtet wie Wahn scheint, auf der Innenseite einer räumlichen und zivilisatorischen Kapsel aber komplett Sinn macht.

The Line nimmt seinen Titel und fragt, wo eigentlich genau die Grenze sein kann und bedient sich dabei einer sehr modernen Setting-Adaption, die ein paar kleinere Kunstgriffe bedarf, um zu funktionieren. Im Jahr 10 plus/minus ein paar, ausgehend von dem, was jetzt gerade oben auf dem Kalender steht, wird Dubai von gewaltigen Sandstürmen heimgesucht. Globale Erwärmung, Klimaveränderung, ihr wisst schon. Es ist schließlich ein Jahrhundert-Sturm, in dem sich die Wüste zurückholt, was ihr an der Küste abgetrotzt wurde. Dubai wird an einem Tag wie von einer Art biblischen Heimsuchung unter dem Sand begraben, Zehntausende gelten als vermisst, verschollen, tot.

Ein Armee-Bataillon der Amerikaner, das eigentlich zurück nach Hause sollte, geht in Stadt, um bei der Evakuierung zu helfen. Ein Colonel, getrieben von dem Willen, das Richtige zu tun, meldet sich und seine Leute für das Himmelfahrtskommando freiwillig, geht schließlich sogar entgegen seiner Befehle rein, um die Zivilbevölkerung aus der Stadt zu holen und verschwindet an diesem Tag zusammen mit allem, was wir heute mit Dubai verbinden. Es bleiben Dünen und die brüchigen Türme als Zeugen und Zinnen einer beispiellosen Technik-Hybris.

Das Thema ist gesetzt, wenn ihr euch mit eurem Drei-Mann-Delta-Team sechs Monate später der Stadt nähert. Ein Notsignal aus den Trümmern wurde aufgefangen, von dort, wo es offiziell nichts mehr gibt. Wer rauskam, wurde evakuiert, was die Aufräumtrupps noch finden konnten, wurde beerdigt. Es sollte hier nichts mehr geben und an einem solchen Ort sucht auch niemand. Das ist der nötige Kunstgriff, von dem ich sprach. Wie versteckt man den Wahnsinn in einer Welt, deren Satelliten alles beobachten können? Man gibt ihnen keinen Grund, nach etwas zu suchen.

"Wie versteckt man den Wahnsinn in einer Welt, deren Satelliten alles beobachten können? Man gibt ihnen keinen Grund zu suchen."

Spec Ops: The Line - Trailer

Es mag als Erklärung, hinterfragt man es zu sehr, sehr dünn sein. Wo Leute verschwinden, kommen andere suchen. Die Schätze der Stadt würden Jäger anlocken, einige würden der Hölle entkommen, auf die ihr trefft, selbst an diesem Ort würde jemand flüchten und zumindest Gerüchte würden sich ausbreiten. Und wenn ein Funksignal kommt, könnte ein Satellit suchen. Die Sandstürme kommen immer wieder, aber wenn die Bewohner sogar Hubschrauber und Panzer haben und mit ihnen unterwegs sind, würde es auffallen. Die Geschichten tief in Afrika im vorletzten Jahrhundert und selbst in Vietnam hatten es da einfacher. Lasst euch aber einfach darauf ein. Der Rest des Spiels und vor allem die dichte Atmosphäre rechtfertigen dieses kleine Entgegenkommen.

Ihr erlebt einen kleinen Ausblick auf das Ende der Welt. The Line verbindet die Glaubwürdigkeit des Settings, die Vertrautheit der Bilder der Stadt, die man zumindest aus den Nachrichten oder Reportagen kennt, mit den Eindrücken epochaler Urgewalten, die hier wüteten. Die Stadt liegt Stockwerke hoch begraben und ihr bekommt oft genug einen weiten Blick über die ehemalige Skyline. Immer wieder bleibt man stehen. Bewundernd und wohlig schaudernd, sich der Lust an der Katastrophe bewusst, genießt man das morbide Schauspiel.