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Lumines: Electronic Symphony - Test

Disco-Tetris

Lumines ist eines dieser Spiele, die einen weithin akzeptierte Regeln und Gesetzmäßigkeiten hinterfragen lassen. In diesem Fall die, dass Tetris das beste Puzzlespiel des Planeten sei. Zugegebenermaßen geht Tetsuya Mizuguchis musikalisches Steinchendrehen ein wenig diese selbsterklärende Universalität ab, die das Sowjet-Phänomen ab 1984 aufwärts zum weltweit wohl bekanntesten Computerspiel machte. Während Tetris aber die nüchterne Sprache der Geometrie bemüht, um die Massen zu erreichen, steigt einem Lumines - Electronic Symphony auf der PlayStation Vita erst zu Kopf, um einem anschließend in Bauch und Beine zu fahren.

Diese Erkenntnis ist natürlich nicht neu, existieren doch seit dem Debüt der Reihe 2005 auf der PSP schon mehrere Versionen. Die sind im Gegensatz zu Tetris, das in einer seiner ersten Versionen, der für den GameBoy, immer noch am besten ist, auch nötig. Ein weiterer Punkt für den Archetyp der Knobelspiele, hat man doch bei Lumines die tollen, aber eben in ihrem Kern unveränderlichen Musikstücke irgendwann abgehört. Sobald das passiert, ist das Puzzle-Element zwar immer noch ein gut funktionierendes, der unbeschreibliche Flow geht aber schon ein wenig verloren, sobald man der einzelnen Tracks mal überdrüssig ist.

Doch bis das passiert, vergeht eine ganze Weile, bei der man sich am besten mit guten Kopfhörern und auf maximaler Lautstärke durch Playlist spielt, denn die ist mit Stars der Electronic-Szene nur so gespickt. Am grundlegenden Konzept hat sich kaum etwas geändert. Noch immer schweben zwei mal zwei Blöcke von oben nach unten, deren einzelne Steine stets eine von zwei Farben haben. Durch deren Drehen und Fallenlassen kombiniert ihr immer mindestens vier gleiche so, dass sie im Beat der Musik von irgendwann von der Mattscheibe gewischt werden. Je mehr ihr zugleich vom Spielfeld tilgt, desto höher euer Score.

Wie von Spielen Mizuguchis gewohnt, leistet ihr einen gewissen Beitrag zur Musik, zum Beispiel, wenn das Rotieren eines Blocks mit einem Schlag der Snare-Drum quittiert wird. Auch das Löschen geglückter Vierercluster feuert Kaskaden geloopter Wohlfühlsounds in eure Ohren und allgemein fällt es einem sehr, sehr schwer, beim theoretisch endlosen Spielen des zentralen Journey-Modus still sitzen zu bleiben. Einem selbst fällt das nicht immer auf, wohl jedoch neben einem auf der Couch sitzenden Lebensgefährten, die versuchen, in der Brigitte zu lesen.

Sonderblöcke, wie der altbekannte Chain-Stein, wenden schon mal eine komplett verkorkste Ausganssituation noch zum Guten. Hier verbindet ihr, richtig platziert, eine gefährliche Serpentine aus Einzelblöcken zu einem lukrativen Punktequell und mischt dabei das Spielfeld gehörig durch. Weniger gute Nachrichten bringt meist der neue Zufalls-Block mit sich, der die Farben der angrenzenden Steine noch einmal neu auswürfelt. Steckt ihr in der Patsche, kann man es darauf ankommen lassen. Bastelt ihr jedoch gerade an einen Turm, den ihr eigentlich mit nur ein bis zwei Blöcken während des nächsten Taktschlages kontrolliert zum Einsturz bringen wolltet, seht ihr am besten zu, Kollege Zufall irgendwo am Rand auf einer isolierten Formation abzulegen. Die erneut sehr hilfreiche Block-Vorschau am linken Bildrand hilft jedenfalls dabei, sein Vorgehen etwas zu planen. Lumines ist also nicht nur schön und klingt auch so, es spielt sich auch recht taktisch.

Die Avatare sind neuerdings an spezielle Fähigkeiten gebunden, die gezündet werden können, wenn deren Anzeige unten Links einen Stand von 100 Prozent erreicht hat. Dann beschwört ihr etwa mit dem Standard-Avatar Boy auf Knopfdruck einen Chain-Stein. Neco hingegen hält auf euer Geheiß hin kurz die Zeitlinie an, sodass ihr ein paar Sekunden länger Zeit habt, eine aussichtsreiche Konstellation in einen echten Spielfeldfeger zu verwandeln. Im Mehrspielermodus, der in einem der größten Versäumnisse dieses ansonsten so fabelhaften Spiels nur im Ad-Hoc-Modus geboten wird und nicht etwa online, schieben die Avatare dagegen Probleme zu eurem Gegenspieler hinüber.

Durch ein Tippeln auf der Rückseite der Vita ladet ihr den Zählerstand der Skills wieder auf, was allerdings in einem Sound resultiert, der nicht so ganz zu den Stücken der Tracklist passen mag. Angesichts der Tatsache, dass ansonsten die komplette musikalische Interaktion des Spielers mit der Playlist vollkommen organisch klingt, ist das hohe und viel zu dominant abgemischte Laserpistolen-Quietschen ein bisschen fehl am Platz. Auch die Steuerung über den Touch-Screen ist eine Innovation, die nicht ganz den gewünschten Effekt erzielt. Im Grunde ist es hier durchaus denkbar, sich noch intuitiver mit der Musik verbunden zu fühlen. In Wahrheit reagieren aber die traditionellen Kontrollen über Buttons und das fantastische Steuerkreuz der Vita deutlich fehlerfreier und direkter.

Doch derartige Makel fallen kaum ins Gewicht. Im beispiellos schillernden Rausch der Farben und Klänge, die hier zwischen Chemical Brothers, Benni Benassi, Aphex Twin, LCD Soundsystem und den Pet Shop Boys aus allen Zylindern feuernd auf eure Sinne anlegen, taucht man bald komplett ab. Die mal relaxten, mal pumpend aggressiven Beats mit ihren immer passenden Visualisierungen und den Sound-Akzenten, die euch der Titel setzen lässt, bauen euch in eurem Kopf euren ganz persönlichen Tanzclub. Und auf dessen Parkett seid ihr der König - bis sich die Steine unter die Decke stapeln und die Diskokugel zertrümmern. Dann geht das Licht an und ihr sitzt wieder mit schwitzenden Fingern auf der Couch. Hund und Freundin gucken komisch. Bei Tetris ist mir das nie passiert.

8 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Lumines: Electronic Symphony

PlayStation Vita

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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