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Puppeteer: Sony will die Vorstellungskraft aus Kindertagen wieder erwecken

Der neue Vollpreis-Titel gemahnt in Sachen Aha-Effekt doch tatsächlich an LittleBigPlanet.

Zu diesem Zeitpunkt kann man es schon sagen: Sonys Puppeteer ist eine der wenigen wirklichen Überraschungen der diesjährigen gamescom. Der Titel wird unter dem wachsamen Auge Gavin Moores von Sony Computer Entertainment in Japan entwickelt und sprüht nur so vor Leben und visuellem Einfallsreichtum.

In Zeiten immer fotorealistischerer Grafik und Welten, die sich scheuen, die Details zwischen dem Gezeigten der Vorstellungskraft seiner Besucher zu überlassen, will Sony mit seinem neu angekündigten Jump 'n' Run Abenteuer Neuankündigung in die entgegengesetzte Richtung marschieren.

Geboren sei das Konzept, so Moore einleitend während der umfangreichen Präsentation auf der gamescom, aus dem Spielverhalten seines Sohnes. Moore war perplex ob der Tatsache, dass sein Nachwuchs beim Spielen eines aktuellen Titels irgendwann sagte, "okay, ich gehe jetzt nach draußen".

"Ich habe das nie gemacht", erinnert sich Moore, dessen Mutter das Stromkabel seines ZX Spectrum damals mehrfach aus der Steckdose riss, weil er mal wieder zu tief in seine Textadventures versunken war.

Er erinnere sich noch lebhaft an diese Zeit, als Drachen und Schätze vor seinem inneren Auge nur durch die Textbeschreibungen der kruden ersten Adventures zu dafür umso überzeugenderem Leben erweckt wurden.

"Als wir begannen, dieses Spiel zu machen, entschieden wir, dass es einen Weg geben muss, seine Vorstellungskraft [die seines Sohnes - d. Red.], meine Vorstellungskraft und hoffentlich auch eure Vorstellungskraft zugleich anzuregen."

"Wir haben also all den realistischen Kram beiseite geschoben und begannen, uns um die Situationen Gedanken zu machen."

Mit viel Abwechslung und zwei Behelfsmitteln, die er seine beiden "Seltsamkeitskurven" nennt - eine auf Seiten der Handlung, die andere auf Seiten der Dinge, die man tun kann - will Moore den Spieler immer wieder stimulieren, das Interesse hoch halten und ihn am Ende mit dem Eindruck zurücklassen, eine "fantastische Reise" hinter sich zu haben.

Man muss nicht allzu blauäugig sein, um nach dem ersten Kontakt mit dem Spiel das Gefühl zu bekommen, dass ihm genau dies gelingen wird. Die Aufmachung, die in Anlehnung an das japanische Bunraku das sympathische Flair einer realen, schrägen Puppenkiste versprüht, trifft genau ins Herz und verleiht dem Spiel ein großes Maß eigener Identität. Angesichts der Inspirationen Tim Burton und vor allem Terry Gilliam, die Moore offen darlegt, wird einem schnell klar, warum man es hier mit einem der bestaussehendsten Spiele der Messe zu tun haben wird.

Puppeteer - gamescom-Trailer

Keinerlei Middleware wurde benutzt, jedes Bühnenbild und seine Ausstattung wurde von Hand "gemacht" und wann immer das wunderbar plastische Szenario "umblättert", sieht man, wie die Kulisse mit einem umwerfenden Effekt vor euch aufgebaut wird. Oft passiert das aus dem laufenden Spiel, ein wildes Purzeln, Poltern, Kippen und Drehen später befindet man sich an einem anderen Ort, schaut auf die andere Seite der Welt, die dank der 140 dynamische Lichter umfassenden virtuellen Theater-Lichtanlage auch immer einen neuen Charakter bekommt.

Der Eindruck, auf eine kleine Bühne zu blicken, wird durch weitere Effekte zusätzlich gestärkt. Zum einen durch das virtuelle Publikum, das die Aktionen auf dem Bildschirm durch Gelächter und erstaunte Ooohs und Aaaahs quittiert oder dem Spieler applaudiert, wenn er etwas besonders gut gemacht hat.

Moore, der in Japan und fernab von seinen alten Freunden lebt, beschreibt das Publikum als schulterklopfenden Freundes-Ersatz.

"Du schaffst einen Level und es gibt keine Reaktion. Wisst ihr, meine Freunde leben nämlich in Kanada, England und allüber die Welt verteilt. Es ist niemand da, der dir auf die Schulter klopft. Das Theater-Szenario funktioniert so gut, weil das Publikum dafür da ist."

Doch auch mit einem Freund auf der Couch ist es einfach charmant, zwischen der eigenen und der Spielebene eine weitere hinzugeschaltet zu wissen, die mit euch dabei ist.

Besonders gut hat auch jetzt schon der theatralische Ansatz gefallen, mit dem Moore, der vorläufig noch alle Stimmen selbst spricht - ziemlich gut passend sogar, wie ich anmerken möchte, schließlich erwartet man im Puppentheater keine lebensechten Darbietungen - die Figuren zum charmant hölzernen Leben erweckt.

Nicht zuletzt ist es auch die erfrischend kindliche Geschichte, die Jung und Alt zugleich gefallen dürfte. Der böse Moon Bear King teleportiert den kleinen Kutaro zum Mond und beißt ihm den Kopf ab - woraufhin der Puppenjunge sich aufmacht, dem Weltraumbären sein Haupt wieder abzujagen.

Diese Kopflosigkeit stellt sich als zentrales Spielelement heraus, weil Kutaro in Begleitung einer geisterhaften Katze jeden Bildschirm nach Ersatzschädeln abklopft, die ihm je eine andere Fähigkeit spendieren und gleichzeitig als Bildschirmleben dienen. Nebenher löst man mit den verschiedenen Köpfen Interaktionen mit dem Hintergrund aus. Etwa, wenn der Hamburger-Schädel einen herumstehenden Burger in ein riesiges Trampolin verwandelt. Oder wenn die fußballgroße Spinne auf Kutaros Schultern ein im Hintergrund an der Wand hängendes Spinnennetz erklimmt und sich daraufhin eine riesige Tarantel vom oberen Bildschirmrand abseilt und den Helden in eine sonst unzugängliche Bonus-Stage mitnimmt.

Der Überraschungsfaktor dürfte extrem groß sein und die große Vielfalt an Köpfen - und Fähigkeiten - sowie die handgemachten Charaktere (Moon Bear Kings Tiger-Sidekick ist nur ein Beispiel der wunderbar gestalteten Nebendarsteller-/Feindesriege) provozierte schon auf der Präsentation ungezählte Schmunzler an den richtigen Stellen.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber meine Fantasie, meine Vorstellungskraft, war nach dieser Präsentation trotz der martialischen gamescom-Dauerbedröhnung wieder auf dem Level eines Elfjährigen.

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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