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War of the Roses - Test

Nicht gerade auf Rosen gebettet: Bugs und mangelhafter Content senken den Wert dieses Rohdiamanten

Vor sechs Monaten trällerte ich noch Lobeshymnen zu War of the Roses wie ein liebestoller Walther von der Vogelweide unterm Balkon seines Burgfräuleins. Damals hatte ich während eines Events von Paradox Interactive in London einen ersten Blick auf den mittelalterlichen Actionkracher werfen können und war mir sicher, dass der Titel nicht nur die Fans von Mount & Blade begeistern dürfte.

Jetzt, nur ein halbes Jahr später, schimpfe ich wie Götz von Berlichingen und frage mich ernsthaft, welche Dämonen die Publisher von Paradox Interactive geritten haben, das Spiel in diesem Zustand auf den Markt zu werfen. Mich erinnert War of the Roses im Moment an eine Kneippkur. Mal fließt es angenehm warm, dann folgt ein eiskalter Guss, dann wieder besänftigt ein warmes plätschern das Gemüt, und so weiter. Das härtet ab. Aber will man das überhaupt bei einem Spiel, für das man 30 bis 35 Euro gezahlt hat (je nachdem ob Standard- oder Deluxe-Version)? Versteht mich nicht falsch: War of the Roses hat seine genialen Seiten. Die Mischung aus Battlefield und Mittelalter-Sim kann unglaublich Spaß machen und glänzt mit liebevollen Details, vor allem beim Kampfsystem. Gleichzeitig fühlt sich das Spiel stellenweise unfertig an. Wie eine Beta, für die man Geld hinlegen muss.

Bei mir hakte es bereits bei der so genannten Schlachtfeldausbildung. Fünf Karten, auf denen ihr gegen die KI antretet und diverse Aufgaben erfüllen müsst und die als eine Mischung aus dürftigem Einzelspieler-Modus und Tutorial daherkommen. Die erste, St. Albans, bekam ich erst gar nicht zum Laufen - sie crashte beharrlich nach der einleitenden Filmsequenz zum Desktop. Abstürze und rätselhafte Spielabbrüche kamen generell häufiger vor und ließen sich weder durch Frickeleien mit dem Grafiktreiber noch durch diverse andere empfohlene Maßnahmen aus dem offiziellen Forum verhindern. Besonders wenn die eigene Seite kurz vor dem Sieg steht und man eine Menge Goldmünzen verdient hätte, gleichen diese Aussetzer jedes mal einem Tritt in die Magengrube. Dazu gesellen sich Bugs, Respawns außerhalb der Map, Clipping-Fehler, nerviges Laggen und sporadisch davonfliegende Gegner. Derartige Kinderkrankheiten sind ärgerlich - lassen sich aber zum Glück beheben und die Entwickler sind bereits fleißig am Patchen.

War of the Roses - Behind the Scenes

Grundlegend problematisch fand ich jedoch das Einzelspieler-Feature an sich. Allein das Londoner Turnier machte mir Spaß - hier werden die verschiedenen Aspekte von War of the Roses, wie Arenakampf, Bogenschießen oder Duelle, mit Turnierspielen nachgestellt. Durch diese Karte werden allerdings die anderen vier Tutorial-Maps überflüssig. Und als Einzelspieler-Karte kann keine davon überzeugen, dazu fehlt es der KI an Hirnschmalz. Wie ein Magnet zieht ihr da die zombiehaften Computergegner an, bis euch eine Traube aus gezückten Schwertern und Schilden an den Hacken hängt, blind auf euch eindrischt und dabei vor allem die eigenen Leute trifft. Nun ist War of the Roses zu 99,9 Prozent ein Mehrspieler-Titel. Dass die KI nicht über Lemming-Niveau hinaus reicht, scheint da nur konsequent.

Inkonsequent finde ich freilich, extra die Schauplätze der Rosenkriege zu bemühen, um eine historische Authentizität vorzugaukeln, und dennoch vom Start weg auf einen Assault-Modus oder eine richtige Kampagne zu verzichten. Sieben Karten gibt es, die an den Konflikt zwischen Lancaster und York angelehnt wurden. Nur stellt ihr nicht die dort stattgefundenen Schlachten und Ereignisse nach, sondern wählt in der armlangen (!) Serverliste aus den recht gewöhnlichen Modi Team-Deathmatch oder Eroberung (Domination). Das wäre nicht weiter tragisch, wenn nur die restlichen Komponenten etwas besser darauf abgestimmt wären. Doch in der Praxis passt einiges nicht zusammen.

Ihr bekommt vier vorgefertigte Recken an die Hand (Fußsoldat, Armbrustschütze, Bogenschütze, Ritter), die ihr erst mit Erfahrungspunkten freischalten müsst. Danach dürft ihr euch entsprechend der Stufe und eures Goldvorrats einen eigenen Kämpfer zusammenklicken. Der Vorteil des Konzeptes ist, dass man zuerst die verschiedenen Waffen- und Rüstungstypen kennenlernt, bevor man auf die zahlreichen Optionen losgelassen wird. Die Charaktermodelle wurden grafisch opulent in Szene gesetzt und die Anzahl der Waffen, Rüstungen und Talente ist beachtlich. Das Interface des Editors hinterlässt hingegen einen durchwachsenen Eindruck: Ich hätte mir bessere Vergleichsmöglichkeiten bei den Waffen und eine zuverlässig funktionierende Vorschau gewünscht, bevor ich blind ein neues Rüstungsdesign kaufe.

Die RPG-Komponenten sollen langfristig motivieren. Bei War of the Roses ist der Editor jedoch ein zweischneidiges Schwert. Das Balancing ist nicht ausgereift und die Kombination aus einer Plattenrüstung und dem Kampfhammer mit den richtigen Talenten extrem tödlich. Ohne die Finessen des Kampfsystems zu bemühen, kann man damit leicht gepanzerte Widersacher im Dutzend niederknüppeln. Da ein Matchmaking komplett fehlt, metzeln sich erfahrene Spieler mit solch übermächtiger Ausrüstung fröhlich durch die unbedarften Frischlinge, die sich als 08/15 Fußsoldat in ihr erstes Gefecht stürzen müssen und wegen des grottigen Tutorials keinen Schimmer von Paraden und alternativen Waffen-Modi haben. Viele Anfänger weichen nach kurzer Zeit deshalb auf Armbrüste und Langbögen aus, mit denen man sogar Insta-Kills hinlegen kann, sofern man den ungeschützten Kopf des Gegners trifft. Manche Partien fühlten sich dadurch eher wie ein Ballerspiel an. Eigentlich schade, denn das Kampfsystem gibt so viel mehr her, wenn man sich einmal daran gewöhnt hat.

Um einen Schlag auszuführen, klickt ihr auf die linke Maustaste und zieht kurz in die gewünschte Richtung. Je länger ihr die Maus gedrückt haltet, desto stärker wird der Schlag. Pariert wird mit der rechten Maustaste nach dem gleichen Prinzip, indem ihr die Maus nach rechts, links, ober oder unten zieht. Mit dem Schild fällt die Abwehr leichter - den muss man nur vor die Brust halten. Daneben gibt es noch etliche Spezialtalente, wie zum Beispiel den Schildstoß, das Anstürmen oder Blockbrecher, die euch das Leben erleichtern.

Schön auch, dass es zum Beispiel einen Unterschied macht, mit welcher Seite eines Kampfhammers man einen Gegner trifft. Die stumpfe Schlagfläche zertrümmert Schilde und Rüstungen, die Spitze reißt blutende Wunden (Umgeschaltet wird mit Q). Besonders gut fand ich, dass der Realismus hinter den Mordwerkzeugen auch seine Tücken hat: Steht ihr zu nahe am Gegner und trefft ihn nur mit dem Stil eurer Hiebwaffe, verursacht das nicht mal blaue Flecken. Einmal entging ich dem Sensenmann nur, weil mein Widersacher ausholte und mit seinem Schwert an der flankierenden Mauer hängen blieb. In solchen Situationen ist das Messer an eurem Gürtel der beste Freund. Während der passionierte Schwertschwinger buchstäblich auf Granit schlug, zückte ich meinen Dolch und stach wie ein Berserker auf ihn ein, bis er röchelnd am Boden lag und auf seinen Gnadenstoß wartete (der Titel ist USK 18 und ziemlich brutal, wie bereits in der Vorschau geschildert). Erfreulich realistisch ist zudem, dass ihr eure Kampfgefährten verletzen könnt, wenn ihr zu dicht beieinander steht und ein Schlag daneben geht.

War of the Roses - Trailer

Die Entwickler von Fatshark haben viel Wert auf solche und andere kleine Details gelegt, die nicht nur optisch sondern auch spielerisch schön umgesetzt wurden. Eine Armbrust benötigt lange zum spannen, ihr könnt den Vorgang aber durch ein kleines Minispiel abkürzen. Alle Geschosse fliegen ballistisch korrekt und bleiben sogar physisch stecken - auch in euren Gegnern. Setzt ihr einen Vollhelm mit Sichtschlitzen auf, wird euer Blickfeld entsprechend beschränkt, dafür seid ihr besser gegen Kopftreffer gewappnet. Statt einer Lebensanzeige häufen sich Blutflecken am Bildrand, bis man die Wunden mit Bandagen versorgt. Das Gewicht eurer Rüstung verlangsamt euch, wenn ihr nicht in die richtigen Talente investiert, außerdem seid ihr an euren Gelenken und eurem Hals verwundbar. Seid ihr zu Pferd unterwegs, könnt ihr eure Kontrahenten nieder reiten oder ihnen mit gezielten Schwertstreichen aus dem Galopp schweren Schaden zufügen.

All diese Kleinigkeiten machen das Kampfsystem von War of the Roses zu etwas Besonderem. Leider geht das meistens im chaotischen Gewimmel der Mehrspieler-Partien unter. Wenn 64 Spieler aufeinander losstürmen, bleibt nur selten die Muse, spannende Zweikämpfe auszutragen. Dass man nur zwischen Team-Deathmatch und Eroberung wählen kann, verschärft die Lage zusätzlich. Diese Spielmodi verleiten dazu, in einem Trupp über die Map zu wetzen und sich im Pulk an die Gurgel zu gehen, indem man wild auf Tastatur und Maus eindrischt.

Besonders frappierend erweist sich außerdem das Rotten-Feature. Auf den ersten Blick scheint es sinnvoll, dass man sich einem Fünfer-Team anschließen kann und sich beim Respawn zu den Kameraden teleportieren darf. Auf den zweiten Blick verhindert gerade diese Funktion, dass ein spannender Zweikampf zustande kommt. Da fechtet man mehrere Minuten mit einem ebenbürtigen Widersacher und plötzlich beamen sich drei seiner Kumpane an den Ort des Geschehens. Als mir das zum ersten Mal passierte, erstickte das den letzten Keim mittelalterlicher Stimmung in mir. Statt eine spannende Kampfsimulation mit Rittern zu sein, verkommt War of the Roses damit vollends zum Konsens-Arena-Actionspiel mit Schwertern.

War of the Roses - Gameplay-Trailer

Noch im November soll ein Modus namens "Pitched Battle" nachgepatcht werden und irgendwann dürfte es auch endlich einen Assault-Modus geben, bei dem ihr diverse Missionsziele abhaken müsst und ein bisschen mehr historische Handlung vorgesetzt bekommt. Mit dem neuen Modus wurden, neben frischen Waffen für's ritterliche Repertoire, zwei Winterkarten angekündigt, auf denen eine Wetter-Mechanik für zusätzlichen Realismus sorgen soll. Klingt gut, hätte ich mir aber schon zum Release gewünscht.

Die Stärken von War of the Roses liegen in der ausgefeilten Waffensimulation und den spannenden Zweikämpfen. Leider kommen diese in den beiden bislang verfügbaren Spielmodi nicht wirklich zur Geltung. Zudem stellt sich relativ schnell Langeweile ein, sobald man genügend Gold beisammen hat, um sich die aktuell besonders beliebte Kombination aus Plattenrüstung und Kampfhammer zu leisten. In Sachen Balancing müssen die Entwickler unbedingt nachbessern und bei der Gelegenheit an den zahlreichen Bugs und Abstürzen arbeiten, die das Spiel belasten. Das Potenzial zu einem echten Juwel hat War of the Roses nach wie vor. Doch durch solche Mängel in der Startphase droht der Genialitäts-Funken zu verlöschen, noch bevor eine richtige Flamme draus werden kann. Die nächsten Patches und Updates entscheiden darüber, ob der Titel im Meer der durchschnittlichen Arena-Actionspiele absäuft oder ob er als exotischer Geheimtipp auch langfristig Fans abseits der Mittelalter-Zirkel gewinnen kann. Mit Konkurrenten wie Chivalry: Medieval Warfare auf dem Markt, wird das kein einfaches Tjosten für Paradox Interactive. Mal sehen, wer sich im Sattel hält, wenn ich mir demnächst den anderen Anwärter auf den Mittelalter-Thron zur Brust nehme.

6 / 10

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War of the Roses

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Frank Erik Walter

Freier Redakteur

Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.

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