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Okami HD - Test

Sie machen sie nicht mehr so wie früher.

Warum heute noch, nach 6 Jahren, Okami ein wichtiges Symbol ist? Weil es nichts dergleichen seitdem gab. Diese Generation wartet noch auf ihr Okami und es sieht nicht danach aus, als würde es jeden Moment um die Ecke kommen. Zumindest erreichte uns nun die HD-Version, um uns an diesen eigentlich sehr bedauerlichen Zustand zu erinnern.

In den letzten Jahren sah man eine Trennlinie durch die Spielewelt verlaufen. Auf der einen Seite die "großen" Spiele, die "großen" Action-Adventures, die eine künstlerisch sehr solide Richtung wählten. Zelda traute sich nie wieder so viel wie bei Wind Walker, die Uncharteds der Welt sind eh in einer Art Hollywood-Realismus verhaftet. Daran gibt es jetzt nicht viel auszusetzen, aber der gelegentliche Gegenpol fehlte die letzten Jahre über einfach, zumindest bei den großen Produktionen.

Aber auch auf der Indie-Seite gibt es nicht wirklich etwas wie Okami. Eine Mischung aus einem ganz traditionellen, (sehr, sehr) großen Spiel in reinen Umfang-Begriffen mit klassischen Mechaniken, aber einem ganz eigenen, unverkennbaren und von Beginn an als zeitlos erkennbaren Stil. Es gibt derzeit in der Regel das eine oder das andere. Ich will das gar nicht kritisieren. Viele dieser Indies bieten ihre Qualitäten, aber Okami ist noch einmal etwas anderes. Vielleicht sind die Indies eines Tages so weit, aber bis dahin sieht es wohl so aus, als würde es bei Okami bleiben.

Ein Sieges-Heulen aus einer in vieler Hinsicht anderen Zeit.

Was es auszeichnet, wurde über die Jahre viel besprochen, seine tiefe Verhaftung in japanischer Mythologie, die aber hierzulande auch für jeden Fantasy-Fan zugänglich ist, ohne dass viel Essentielles in der Übersetzung hängen bleiben würde. Sein Tusch-Stil, der eben genau in diese Richtung spielt, gleichzeitig aber auch ein brillanter Zug war, um damalige Hardware-Beschränkungen zu umgehen. Seine einmalige Heldin, die Göttin Amaterasu in Form eines weißen Wolfes. Nichts davon hat irgendetwas von seiner Relevanz für die Spielewelt eingebüßt, nämlich, dass diese Art mutiger Magie, die gleichzeitig in ein ganz bodenständiges Spiel eingebettet wurde, sich derzeit sehr rar macht, um nicht zu sagen, sie ist verschwunden.

Die seltsamen Stimmen, mehr eine Art Soundsample, erzeugen immer noch ein Gefühl von Neu- und Fremdartigkeit, in die auch das Design der eben nur durch ihren ungewohnten Stil unheimlichen Gegner hineinspielt. Okami zu spielen, fühlt sich an wie eine Mischung aus dem Blick in eine fremde Welt, aber gleichzeitig wie ein irgendwie vertrautes Relikt, das man nur nicht ganz einsortieren kann. Eine Stimmung, die selten wurde, vielleicht kann man es am ehesten, wenn auch mit einem ganz anderen Stil, mit Dark Souls vergleichen. Da ist etwas, was man kennt, aber der Kontext und die audio-visuellen Elemente sind so anders, dass man sich auf eine im spielerischen Sinne beste Art plötzlich entwurzelt fühlt. Und trotzdem sehr wohl.

Was das Spiel hinter diesen Gefühlen und Eindrücken angeht, ist es eigentlich Zelda mit ein paar netten Ideen für Rätsel und Kämpfe. Nicht mehr, aber auch nur etwas weniger. Wo Zelda meist ein gutes Timing über seine große Spielwelt und lange Spielzeit beweist, kann Okami zwar auch mit diesen beiden Eigenschaften aufwarten, aber nicht ganz mit der spielerischen Tiefe oder dem Gefühl, wann genau aus 'lang' 'zu lang' wird. Um das zu sehen, reicht vor allem die erste Stunde, die sicher den einen oder anderen verschreckte. Nicht abbrechbare Zwischensequenzen, langsam scrollender Text, ein sehr umfangreiches Tutorial. Streamlining ist etwas anderes.

Die HD-Umsetzung funktioniert insgesamt: Vieles wird schöner (Baum und Blatt), anderes nicht (Texturkanten am Boden).

Ich will das gar nicht zu sehr verteidigen, es kann nervig sein, gerade wenn ihr das Spiel schon kennt. Aber lasst mich beschreiben, wie es auf mich wirkte, während ich diesen Teil des Spiels jetzt das dritte oder vierte Mal in meinem Leben über mich ergehen lies. Ich begann zum ersten Mal zu verstehen, wie gut das, was meiner Ansicht nach damit damit beabsichtigt war, funktioniert. Ihr werdet gezwungen, in die Handlung einzusteigen und zwar genau in dem Tempo, das das Spiel für das richtige hält. Das klassische Märchen, das hinter allem steht, soll nicht gehetzt werden, wahrscheinlich würde es dann nicht einmal in seiner Stimmung richtig wirken. Ich muss zugeben, so genervt ich in den ersten Minuten war, dass sich auch in HD nichts abbrechen lässt, so gut funktionierte es nach einer Weile. Ich lies es dann einfach zuerst über mich ergehen und dann geschehen - und dann hatte es mich wieder. Manche Dinge kann und darf man wohl nicht hetzen.

Auch das Spiel selbst ist vielleicht phasenweise ein wenig zu gestreckt. Aber das ist leicht zu verzeihen. Das Spielen selbst macht Spaß, was an der immer noch ungebändigten Energie der weißen Wölfin liegt. Die Animationen sind bis heute schlicht einmalig. Verspielt und kraftvoll wirkt sie wie ein Wolf, aber mit einem Appeal und einer Intelligenz als wäre sie aus einem Studio-Ghibli-Film gesprungen. Diese Figur ist praktisch einmalig. Kein Muskelpaket, kein Samurai, aber trotzdem eine erwachsene, vollwertige Persönlichkeit, die sich auch noch nahezu perfekt steuern lässt. Amaterasu ist ein Vergnügen für jeden Spieler.

Gleiches gilt für die Tusche-Pinsel-Malereien, mit denen ihr Puzzle löst oder teilweise Kämpfe bestreitet. Kennt ihr die Wii-Version? Move funktioniert genauso gut. Letztlich bevorzuge ich aber nach wie vor die klassische Variante mit dem Pad, aber das ist eine Geschmacksfrage, die HD-Version bietet euch beides. Es mag nicht mehr ganz die Magie versprühen wie einst, wenn das erste Mal die Welt auf eine Schriftrolle kippt und ihr sie mit dem riesigen Pinsel verändert, aber es blieb genug, um es immer wieder gern auszuführen.

Die Gegner wirken fremdartiger, als sie sich eigentlich in ihrer spielerischen Rolle verhalten.

Die Technik sonst ist das, was eine HD-Umsetzung ausmachen sollte: Es läuft einfach rund auf der modernen Hardware, die Grafik hat sich dank ihres Stils sehr gut gehalten - selbst wenn nun ein paar mehr Textur-/Polygon-Kanten zu sehen sind, die sonst in niedrigen Auflösungen gut versteckt blieben. Hinzugefügt wurde nichts, entfernt auch nichts und ja, es funktioniert so gut, wie Okami halt schon immer funktioniert hat. Nach einigen anderen HD-Spielen der letzten Jahre muss ich sagen, dass dieser aus Konvertierungssicht fast langweilige Ansatz genau das Richtige ist. Habt ihr Okami früher gespielt und es als eines der schönsten Spiele im Gedächtnis, dann wird hier nichts passieren, was das ändert. Aber es ist auch nichts da, was euch aus der Magie herausreißen würde.

Kauft Okami. Wenn ihr es bereits kennt und schon damals mochtet, dann kauft es, es ist eine tadellose HD-Umsetzung. Kennt ihr es nicht, dann kauft es auch. Es ist die Art von Spiel, die uns die letzten Jahre fehlte. Mutig und gleichzeitig konservativ. Eine Idee, etwas Neues und Magisches zu schaffen ohne dabei auf ganz traditionelle spielerische Qualitäten zu verzichten. Es gab diese Generation praktisch nichts, was sich mit Okami vergleichen ließe. Es erinnert uns daran, dass es eine Zeit gab, wo Mut zu Ideen im Design auch in ganz "normalen" Spielen einen Platz hatte. Lasst uns hoffen, dass die nächste Generation wieder gelegentliche Anflüge von Zauber, Faszination und Freude an Andersartigkeit mit den Tugenden guten Spieldesigns verbinden kann und etwas wie Okami auf den Screen zurückkommt. Bis es soweit ist: kauft Okami HD!

Okami HD ist PS3-exklusiv über PSN zu erhalten und kostet knapp 20 Euro.

9 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Ōkami HD

PS4, Xbox One, PS3, PC, Nintendo Switch

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Über den Autor
Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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