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Army of Two: The Devil's Cartel - Das Spiel, das keiner wollte?

Schmutzig, unangenehm und doch erfrischend ehrlich.

Es ist ein Spiel, auf das eigentlich niemand gewartet hat. Man musste wirklich schon ein großer Fan der leider immer nur fast lustigen Dudebro-Romantik der Vorgänger sein, um sich in den vergangenen zwei Jahren zu fragen, wann denn jetzt endlich ein neues Army of Two erscheint. Und trotzdem kriegen wir jetzt eines, sogar in Deutschland, wie es aussieht. Nach meiner kurzen Londoner Anspielsitzung mit dem Titel bin ich allerdings durchaus gewillt, dem beisitzenden Produzenten Greg Rizzer Glauben zu schenken, wenn er behauptet, dass sich das Spiel tonal von der unwissentlich unfreiwillig komischen Serienvergangenheit distanziert.

In diesem Sinne hat man zuallererst bei den Protagonisten angesetzt. Auch wenn man wenig davon mitbekommt, verbergen sich hinter den martialischen Hockey-Masken nicht mehr die beiden Happy-go-Lucky-Killer Salem und Rios - und ja, ich musste die Namen nachschlagen -, jetzt seid ihr Alpha und Bravo, deren richtige Namen wohl nie zur Sprache kommen werden. Kaum auszudenken, was für Szenen sich in der Zentrale abspielten, als sich die beiden einigen mussten, wer Alpha sein darf. Jedenfalls ist von den Zweien kein Leichen-High-Fiving zu erwarten, so sagt man mir zumindest. Man kann über die alberne Prämisse eines Duos Leih-Söldner, das mit schwerer Bewaffnung eine mexikanische Kartell-Operation in eine Menschenmus-Fabrik verwandelt, so viel herziehen wie man will. The Devil's Cartel scheint vor allem ein sehr ehrliches Spiel zu sein.

Nicht gerade die hellste Birne in der Lichterkette, aber immerhin konsequent und ohne großen Anspruch oder Authentizität vorzuschützen, unterhält der Titel selbst in der wie üblich wuseligen Event-Umgebung ansatzlos und ohne viele Worte vorweg. Und obwohl das Spiel möglicherweise in die Kriegsspielfalle tappt, die privilegierte Kernzielgruppe weißer, männlicher Jugendlicher im Zweifelsfall auf die "braunen Leute" schießen zu lassen - der Beweis steht freilich noch aus -, warum sollte man es ausgerechnet erst diesem hier übel nehmen? Rein mechanisch funktioniert Army of Two jedenfalls auf Anhieb. Ihr habt ein Schrotgewehr in der Hand, das schwerer ist als euer Bein. Da sind die Bösen. Der Rest ist ist motorisches Gedächtnis.

Die Screenshots lagen in 6000 mal irgendwas vor - nicht dass die abgetrennte Hand mittig im Bild untergeht.

Beachtlich ist, wie intuitiv das neuerdings versteckte Aggro-System das insgesamt um einige HUD-Anzeigen erleichterte Kampfgeschehen beeinflusst. In Deckung gehen, sperrfeuern und dann per Sprint in eine andere Richtung die Aufmerksamkeit des Gegners vom Partner abzuziehen, ist eine Taktik, die sich von ganz allein ergibt. Wenn man es mit diesem Manöver schließlich hinbekommt., dass der jeweils andere Sold-Mörder den Gegnern in die Seite fällt, um ihnen von dort ein paar improvisierte zusätzliche Körperöffnungen zu verpassen, fühlt sich das tatsächlich mehr wie ein gemeinsam errungener Erfolg an, als eine glorreiche Einzeltat.

Schönes im Hässlichen finden

Während all der einmal mehr wirklich garstig derben Schlachterei lädt jeder Spieler unterdessen eine Overkill-Leiste auf, die beiden Teilnehmern eine Super-Zeitlupe gewährt. Hier lässt die Frostbite-2-Engine Deckung und weitere Umgebungsobjekte noch stärker bröckeln. Doch nicht nur diese architektonischen Kollateralschäden gibt es so nur in diesem Feuermodus. Die Gegner verwandeln sich im visuell stark gebremsten Projektilregen schon mal kurzzeitig in beinahe schwerelos erscheinende Blutpfützen und groteske Körperteile-Collagen. Auf einer Veranstaltung, auf der links und rechts Spiele wie Dead Space 3 oder Medal of Honor mit Sci-Fi-Gewalt oder pseudo-realistischer militärischer Kälte ihren jeweiligen Effekt erzielen wollten, war es Army of Two, das die stärkste Reaktion bei mir hervorrief. Definitiv mehr Itchy and Scratchy als Faces of Death 12, im Zusammenspiel mit dem gemeinen Waffenfeedback und der Soundkulisse trotzdem ein echter Pferdetritt.

Spielerisch wird diese menschliche Takedown-Kamera dadurch interessant, dass sich mehrere Overkills, das passende Timing vorausgesetzt, aneinander chainen lassen. Gut aufeinander eingespielte Feierabend-Söldner sollen so theoretisch ganze Bereiche in einer schier endlosen Zeitlupe befrieden können. Und wenn dabei etwas schiefgeht, werden die Gefechte eben zäher und man ist häufiger auf Deckung und vorsichtiges Flankieren angewiesen. Bleibt zu hoffen, dass man den richtigen Mittelweg findet, denn jegliche Koop-Taktik ging im Overkill-Blutrausch ganz schnell aus dem Fenster.

Wieder einmal sollen Unlocks und Gestaltungsoptionen bei den Waffen motivieren.

Wirklich schön ist das Spiel dabei nie, aber in Zeiten, in denen immer mehr Spiele-Enthusiasten auf den PC ausweichen, um Tearing, Treppchenbildung und prinzipiell okayen, aber für Rechner-Verältnisse doch eher lächerlichen Bildraten zu entgehen, ein gewohntes Bild. Die Generation liegt in den letzten Zügen und die Entwickler wollen einige Dinge mit ihren Engines anstellen, die der alten Hardware eigentlich nicht mehr zuzumuten sind. Ich bin gespannt, ob es noch eine Idee sauberer wird. Zeit ist ja noch. Dass The Devil's Cartel auf gestalterischer Seite so erdig und nüchtern daherkommt, kann man langweilig finden, aber im Grunde spricht auch das nur für die No-Nonsense-Attitüde des Titels. Es ist, als verzichte man ganz bewusst darauf, diesem UFC-Schwergewicht von einem Spiel Seidenschleifchen ins Haar zu binden.

Mein Kontakt mit Army of Two: The Devil's Cartel war kein Punkt auf dem Eventplaner von EAs Herbst-Showcase, dem ich mit besonderer Vorfreude entgegensah. Und dann waren 20 Minuten auf einmal in gefühlten fünf vorbei. Für ein Spiel, das mich mit negativem Sympathiebonus vom ganzen schillernden Rest der Veranstaltung auf sich aufmerksam machen musste, eigentlich schon eine beachtliche Leistung. Es ist gemein, dreckig und geradezu schmierig, gibt aber zu keinem Zeitpunkt vor, etwas anderes zu sein als das. Es könnte eines von der Sorte werden, für die der Begriff "Guilty Pleasure" erfunden wurde.

In diesem artikel

Army of Two: The Devil's Cartel

PS3, Xbox 360

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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