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Company of Heroes 2: Das RTS-Spiel für wirklich jeden?

Ob RTS-Verächter oder Experte, der Russische Winter bekam sie alle.

Das würde wohl kein gutes Event für mich werden. So mein Gedanke, als THQ nach London einlud, um dort Company of Heroes im Multiplayer zu spielen und es haben sich sicher eine Menge Leute gefreut, schließlich soll das Spiel ja klasse sein. Nur bin ich leider nicht die Idealbesetzung, was RTS-Spiele angeht. Age of Empires 2 versuchte ich mal, danach gab es noch ein oder zwei Anläufe, aber dieses Genre macht mir einfach keinen Spaß. Zu viel Klicken, zu viel Hektik beim Bauen, Starcraft 2 beispielsweise reichte mir schon nach drei oder vier Missionen. Nicht meine Welt. Aber ich war der Einzige aus dem Team, der zu dieser Zeit dort sein konnte.

Der ursprüngliche Plan lautete eigentlich, sich durchzubeißen, ein paar Fakten hier abzuladen und bloß nicht versuchen, zu viele Schlüsse zu ziehen. Was weiß ich denn über die geheimnisvollen Details der RTS-Welt. An diesen zweiten Teil werde ich mich immer noch halten, ich wüsste nicht, wo ich anfangen sollte, außer vielleicht zu sagen, dass Company of Heroes 2 sich ganz anders spielt als Starcraft 2, aber damit dürfte ich wohl niemanden überraschen.

Langsam, übersichtich und taktisch. So muss mein RTS sein.

Was ich jedoch erstaunlicherweise sagen kann, ist, dass ich eine Menge Spaß in diesem Spiel hatte. Viel mehr als möglich sein sollte. Ich musste mich an mein Notizbuch zurückzwingen, so viel Spaß hatte ich. Ich mag RTS nicht, aber ich mag scheinbar Company of Heroes 2, nur ist das ohne Frage ein RTS. Sind jetzt also alle Schwäne schwarz? Wohl nicht, Company of Heroes 2 spielt sich einfach anders, als ich es bisher gewohnt war. Sehr viel langsamer vor allem. Und übersichtlicher. Taktischer in einem kleineren Maßstab. Und am Ende wahrscheinlich auch mit einer Komplexität gesegnet, die ich kaum beginnen konnte zu durchdringen.

Der Panzer gibt Deckung gegen alles außer die Kälte.

Vor allem lernte ich, dass ich in diesem Game die Spielweise der russischen Seite deutlich bevorzugte. Bei der Verteilung ihrer Truppen muss man weniger Nachdenken. Panzer lassen sich schnell und zahlreich bauen, reguläre Truppen spielten weniger eine Rolle, kompliziertere Sondereinheiten konnte ich weitestgehend für den Start ignorieren. Auf der deutschen Seite spielte sich alles komplett anders. Wenn einmal ein Panzer fertig war, stand da auch eine Furcht einflößende Maschine, nur leider dauerte es endlos, bis er mal da war. Also mussten hier die Infanteristen und Spezialeinheiten ran und hier begann das Spiel, sehr viel komplexer zu werden. Eine Granatwerfer-Einheit kontert leichte Panzer, ein Scharfschütze begleitet sie mit Abstand, um die für diese Truppen gefährlichen Infanteristen fernzuhalten, ein wenig eigene Infanterie kann nicht schaden, und wenn der Feind dann wirklich schwere Geschütze auffährt, muss List und Versteckspiel herhalten, um solche Positionen auszuhebeln. Ihr müsst auf dieser Seite schneller denken und mehr Truppen koordinieren, soweit jedenfalls ein erster Eindruck. Spielt man länger als nur die wenigen Runden, sieht das sicher anders aus, aber für Einsteiger in das Genre wie mich bin wäre mein erster Tipp, die Russen auszuwählen. Netterweise erlaubten die Multiplayer-Runden gemixte Teams. Historisch fragwürdig, spielerisch eröffnet es viele Möglichkeiten.

Mit True Sight die wenigen wichtige Punkte im Blick.

Mindestens genau so wichtig war natürlich das Gelände, insbesondere kleine Ortschaften, aber auch einzelne Häuser. Wer sich hier verschanzt, hat er mal ein Weilchen Ruhe, bis die Gegenseite genug Material opferte, um ein eingegrabenes MG-Geschütz hinter Steinwänden vorzuholen. Die beiden gespielten Karten gaben jedoch genug Wege und Möglichkeiten her, um sichere Bahnen zu finden und ein stetiges Umgehen und Ausheben der der jeweils anderen Flanke in den Mittelpunkt zu rücken. In kaum einem der Spiele dominierte lange eine Schlacht um einen Punkt das Geschehen. Es war ein Wechselspiel vom Antesten und Absichern der unterschiedlichen Angriffspunkte, durch die geschickte Verteilung von Flüssen, Sümpfen, Wegen, Bäumen und Häusern wurde dabei jeder Marsch zu einem kleinen Abenteuer. Die Sichtweite der eigenen Truppen ist gering und natürlich und wie immer, wer keine Posten hat, die vor heranrückenden Feinden warnen können, lebt damit, konstant überrascht zu werden. Das System ist eine Weiterentwicklung des althergebrachten Fog of War und nennt sich True Sight. Alles, was eure Soldaten und Einheiten sehen, ist für euch und eure Mitspieler sichtbar, sonst nichts. Verliert ihr ein Gebiet bei einem Rückzug aus den Augen, wisst ihr sofort nicht mehr, was los ist. Ein einsamer, mit seinen Tarnextras gut gerüsteter Scharfschütze dagegen kann ein Gebiet gut im Auge behalten. Vor allem, wenn es schon reicht, dass ein paar Bäume oder ein Gebüsch die Sichtlinien blockieren.

Die Zahl der Schlüsselpunkte auf den Karten ist klein, fünf bis sieben besonders wichtige Stellen gab es auf den Karten zu halten. Die meisten geben euch die Siegpunkte, aber auch ohne die Munitions- und Ressourcen-Stellen im eigenen Besitz dauert es sehr lange, bis Nachschub eintrifft. Trotzdem, dank der kleinen Zahl - wie mir gesagt wurde deutlich weniger als im ersten Teil - blieb es immer übersichtlich genug, die Runden waren in der Regel in weniger als einer halben Stunde vorbei.

"Als Relic in früheren Vorstellungen die Auswirkungen des Winters betonte, haben sie keine Sekunde übertrieben."

Wenn der Kampf so offen und ohne Deckung stattfindet, lief etwas falsch in der Planung.

Soweit, so Sommer auf der Karte Pripyat River. Auf Rezhev Frontline war dann Winter und nichts funktionierte mehr wie eben noch. Als Relic in früheren Vorstellungen die Auswirkungen des Winters betonte, haben sie keine Sekunde übertrieben. Durch Schnee zu stapfen verlangsamt eure Infanterie drastisch, in der Kälte, zu lange entfernt von Lagerfeuer, kämpfen sie nicht mehr motiviert oder gut oder auch mal überhaupt noch, Fahrzeuge spielen plötzlich eine viel größere Rolle. Hier hatten die Russen mit ihrer zügigen und preiswerten Produktion leichter Panzerfahrzeuge und vor allem Truppentransporter einen echten Anfängervorteil. Die Gegenseite richtete unterdessen ihre kombinierten Einheiten zu Fuß, die zuvor in der richtigen Kombination jedem Fahrzeug ebenbürtig waren, erst mal komplett an gebauten Lagerfeuern aus, die sie dann auch verteidigen mussten.

Im Sturm kriegt keiner was.

Am drastischsten merkte man dieses Verhältnis während der regelmäßigen, zuvor immer angekündigten Schneestürme. In dieser Phase traf kein Nachschub ein und vor allem starben Soldaten ohne Schutz sehr schnell in der Kälte. Fahrzeuge dagegen hatten in dieser Phase eine gute Chance, die feindlichen Lager auszuheben. Es zeigte sich, dass man sich keineswegs darauf verlassen sollte, dass die anderen während des Sturms friedlich sitzen bleiben. Sowohl das eigene Team als auch das gegnerische setzte immer wieder auf Gewaltmärsche in der meist nicht unberechtigten Hoffnung, eine Schwachstelle im Sturm leichter ausnutzen zu können. Verteidigung und Angriff drehten sich sehr schnell, und da für diese Minuten auch nichts an Nachschub kommen konnte, wussten beide Parteien, dass jeder Soldat und Panzer zählt. Es waren die mit Abstand spannendsten Minuten. Aber wie schon gesagt, spielt ihr die Infanterie-starke deutsche Seite, dann sind die Stürme eine noch größere Herausforderung.

Das Eis hatte nicht ganz so große Auswirkungen in den meisten Runden. Es stimmt, dass ein, zwei gezielte Granaten gerade die größten Panzer am leichtesten versenken. Nachdem dieses Spektakel ein paar Mal bewundert werden konnte, lernten wir alle daraus und achteten sehr darauf, dass gerade teure Fahrzeuge nicht auf Eis fuhren. Es fehlte ein wenig der Mut, aber tapferere Feldherren als wir es waren werden sicher in Zukunft viel Nutzen aus der Möglichkeit ziehen, weite Wege im Winter drastisch abzukürzen.

Recht beeindruckend war die Möglichkeit, die Landschaft zu plätten. Wo einmal ein Panzergefecht stattfand, standen zuletzt weder Bäume noch Häuser, was durchaus der in den allermeisten solcher Fälle der traurigen Realität entspricht. Diese hat dann zwar auch noch Schatten und andere Effekte zu bieten, die in der frühen Fassung hier noch fehlten, aber der Feuerhagel einer Stalinorgel wurde schon drastisch genug dargestellt.

"Company of Heroes 2 scheint ein RTS-Spiel zu werden, das auch Leute mögen können, die sonst einen Bogen um alles in der Richtung machen."

Nach einer Schlacht bleibt nicht viel von der Landschaft übrig. Ist wohl realistisch.

Das sind die Dinge, die ich als RTS-Noob in der kurzen Zeit erfassen und mit Spaß spielen konnte, erfahrenere Spieler in der Runde versuchten dagegen, hinter das System der Generäle zu kommen. Jede Seite hat bis zu sieben davon, jeder mit eigenen Fertigkeiten. Dies können spezielle Einheiten, Boni für alle möglichen Werte oder aber auch Fertigkeiten wie Luftangriffe sein. Ihr sucht die Generäle im Vorfeld aus und habt dann in der Schlacht keine Möglichkeiten mehr, zu wechseln, worin sich das Spiel wohl vom Vorgänger unterscheidet. Hier dürfte viel Potenzial zum Herumprobieren und für die Suche nach der perfekten Kombi für einen selbst sein, aber das ist etwas, was später ein erfahrenerer Taktiker als ich dann austesten darf.

Aber, und das ist wirklich keine Selbstverständlichkeit, ich sehe mich das bei Gelegenheit auch austesten. Ich hätte nicht damit gerechnet und selbst wenn ich sicher nicht besonders gut gespielt habe: Ich hatte eine Menge Spaß. Statt lustlos irgendwelche Features zu notieren und den Rest der Zeit auszusitzen, war ich nach der ersten Runde mittendrin, leistete im Team, was ich konnte - danke, Jungs, ich weiß, es war nicht immer ganz leicht mit mir - und kam mit dem Spiel gut klar. Die kleineren Karten, die geringere Zahl an Einheiten, das True-Sight-System und die Winterstürme ergaben eine Art schnelles Schach mit Lebenspunkten und Nachschub und bereits ab Runde drei oder vier fand ich mich mitten in der Planung komplexer Angriffe und Züge.

Ich bin gespannt wie RTS-Profis am Ende darüber urteilen - die ersten Eindrücke unter entsprechenden Kollegen waren sehr positiv -, aber vor allem sollten Genre-Verachter wie ich dieses Game nicht ignorieren. Company of Heroes 2 scheint ein RTS-Spiel zu werden, das auch Leute mögen können, die sonst einen Bogen um alles in der Richtung machen. Einsteigerfreundlichkeit und ein Brückenschlag für Anti-RTSler sind sicher das Letzte, was erwartete, aber es ist genau das, was Company of Heroes mir bot. Danke, nehme ich an.

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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