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Wie The Walking Dead: Survival Instinct aus der Masse herausstechen will

Kleiner Tipp: Ein Hinweis verbirgt sich im Namen.

Die wichtigste Frage stellt sich Glenn Gamble von Terminal Reality im Gespräch nach der Präsentation selbst: Wie sticht man als ein weiteres Zombie-Spiel auf diesem Markt noch aus der Masse heraus? Gut die Hälfte der anwesenden Redakteure macht in diesem Moment einen Haken in ihrem Notizblock und hofft auf eine interessante Antwort. „Richte es auf Survival aus“, so die wenig überraschende Einschätzung des leitenden Effect Artists und System-Designers.

Nach diesem Jahr voller ZombiU's, DayZ's und War Z's tönt auch das nicht unbedingt neu und unbekannt - und dennoch hat er irgendwo recht. Viele Kenner des Ausgangsmaterials, mich eingeschlossen, hatten nach der Ankündigung von The Walking Dead: Survival Instinct einen hastig zusammengeschluderten Zombie-Shooter erwartet. Und dass daraus nun allem Anschein nach so gar nichts geworden ist und das Spiel sich den Werten der Serie verschreibt, bricht schon von selbst mit vielen Gepflogenheiten der meisten anderen Spiele.

Ha Ha Ha Ha - Staying Alive!

Gamble und seine Kollegen bei Terminal Reality haben durchaus die richtigen Gedanken gemacht. „Es dreht sich alles darum, jemand zu sein, der in dieser postapokalyptischen Welt überlebt und sich durch sie plündert“, so der Amerikaner. „Es geht darum, clever zu sein, sich an die sich verändernde Umgebung anzupassen“. Und so wird die Perspektive, die zunächst der Grund dafür war, dass die Fans hinter Survival Instinct ein schludriges Lizenzprodukt vermuteten, schnell zum zentralen Baustein des Spiels. „Wenn man viele Survival-Titel spielt, kennt man das ja. Sie laufen in der Third-Person-Perspektive ab, weshalb man gefahrlos um Ecken blicken kann, ohne sich tatsächlich dorthin und damit in Gefahr zu begeben.“

Es dreht sich alles darum, jemand zu sein, der in dieser postapokalyptischen Welt überlebt und sich durch sie plündert

Michael Rooker gibt den Merle Dixon etwas wachsig, aber gut animiert und bestens gesprochen.

Dadurch entstehe laut Gamble ein gewisses Gefühl von Sicherheit, weil man häufig sogar sehen kann, wenn sich ein Feind von hinten nähert. „Nimmt man dem Spieler diese Sicherheit, wird ihm plötzlich unwohl.“ Hier sieht Gamble auch die Parallele zur TV-Serie und zugleich die größte Herausforderung bei der Entwicklung: „Das ist genau das Gefühl, das die Leute in der Sendung haben: Wenn ich jetzt schlafen gehe, wache ich dann morgen wieder auf? Das ist der Gedanke, den wir einfangen wollten. Wir wollten, dass sich der Spieler unwohl fühlt, beklemmt und niemals sicher. Der Spieler soll sich fühlen, als wäre er Teil der Show. Das ist das Schwierigste für uns: Uns darauf zu konzentrieren, was die Serie besonders macht und wie wir dem Spieler das authentischste Erlebnis liefern.“

Tatsächlich schien die uns zuvor vorgeführte Mission wie aus der Mitte der Serie gegriffen: Daryl und Merle Dixon, jeweils von den Originalschauspielern Norman Reedus und Michael Rooker verkörpert - müssen eine Straße von Zombies räumen. Zum Glück standen in der Kleinstadt, in der sich die beiden Rednecks befinden, vor der Sache mit dem außerplanmäßigen Weltuntergang offensichtlich einige Feierlichkeiten an; überall finden sich Kisten voller Feuerwerkskörper. Der Plan ist nun, eine Reihe dieser Kästen in der Kirche zu deponieren, die Untoten dort hinein zu locken und die knallige Überraschung zu zünden.

Näher dran geht nicht.

Schon nach den ersten Schritten mit der Feuerwehr-Axt im Anschlag, wird klar, dass das Konzept des Restsicherheits-Entzugs mithilfe der Perspektive aufgeht. Für meinen Geschmack war der Sichtkegel des Spiels sogar etwas zu eng gefasst. Gerade mal eine Hand und den vorderen Teil der Schneide des wuchtigen Werkzeugs sieht man, während man für jeden Blick auf eine verdächtig im Weg liegende Leiche den Blick schwenken muss. Das war beinahe schon zu wenig Übersicht, auch wenn der gewünschte Effekt definitiv erzielt wird.

Grafisch boxt das Spiel nicht in der höchsten Gewichtsklasse. Details wie sehr unterschiedliche Zombies und herumwehender Müll wissen aber trotzdem zu gefallen.

Davon abgesehen gleicht Daryls Modus Operandi aber dem aus der TV-Serie doch auf angenehme Weise. Man bekommt auf dem Weg durch das Örtchen mehrfach das Gefühl, hier in die Überreste eines gewaltigen Gemetzels reinzustolpern. Nach einer kurzen Gasse steht man etwa mit einem Mal auf einer größeren Straße, in der Ferne insgesamt gut zwei Dutzend Zombies, die ihr Ding machen, sich an Leichen laben oder einfach ziel- und seelenlos durch die Gegend wandeln. Wie Gamble erklärt, ist nun Vorsicht geboten, denn die Zombies reagieren vor allem auf „Menschengeräusche“, was Daryl auch für sich ausnutzen kann, etwa indem man eine Flasche in eine Gasse wirft, um die Biester in eine andere Richtung zu dirigieren.

Es sei problemlos möglich, in dieser Situation schnell übermannt zu werden, denn wo ein Zombie laut Gamble im nahezu lautlosen Nahkampf kein Problem ist, bezeichnet der Terminal-Reality-Mitarbeiter bereits ein Trio der Gammler als tödliche Gruppe, sofern man davon absieht, von Schusswaffen Gebrauch zu machen, was ja bekanntlich nur noch mehr „Menschengeräusche“ produziert. Der High Score, was die größte überlebte Zombie-Gruppe angeht, läge firmenintern bei sieben Untoten. Auf Daryls Weg, verschiedene, für meinen Geschmack ein bisschen zu bequem platzierte Feuerwerks-Kisten einzusammeln, fällt auch ins Auge, dass er Türen hinter sich wieder schließen kann, um sich etwaige hungrige Verfolger für einen Moment vom Hals zu halten.

Überhaupt fühlt man sich schon beim Zuschauen tatsächlich selten sicher, was vor allem daran liegt, dass neben Waffen und Vorräten auch die Spawn-Orte für Zombies nach zufälligem Muster verteilt werden. Kommt man etwa in ein Krankenhaus Foyer, kann es durchaus sein, dass sich in einem der kleineren Seitenzimmer einer der Stinker befindet, der schlicht nur noch nicht auf euch aufmerksam geworden ist.

Tot = tot?

Eine weitere Ebene an Unvorhersehbarkeit kommt zudem auch durch das Prinzip „Never trust a dead body“ (sinngemäß „traue niemals einer Leiche“) hinzu, das Gamble anpreist. Interessanterweise war es eben nicht, wonach es sich in der vorangehenden Präsentation anhörte, nämlich Dead Space. In Viscerals Sci-Fi-Schocker schnellt ja bekanntlich jeder zweite Kadaver wie ein Springteufel aus seiner vermeintlichen Totenstarre wieder auf. In der vorgespielten Szene präsentierte es sich dagegen als angenehm zurückgenommenes Feature. Über unzählige Leichen steigt unserer Demo-Person hinweg, aber nur recht wenige kehren für einen Happen aus Daryls sehnigen Waden noch einmal ins Leben zurück. Dies half ebenso dabei, den Überraschungseffekt hochzuhalten, wie die fast willkürlich verstreuten Zombies, die nie in klassischer Videospiele-Gegner-Manier einfach automatisch auf euch aufmerksam werden, um euch anzugreifen, sobald ihr einen bestimmten Punkt überschreitet.

Die Situation richtig zu erfassen und gemäß den Ressourcen zu handeln soll von zentraler Bedeutung sein.

Überhaupt: Die Zombies. Terminal Reality hat ein System entworfen, das für maximale Abwechslung bei den Walkern sorgen soll, indem es sie einfach aus diversen Basismodellen, Kleidungsstücken und Verletzungs-Texturen immer neu zusammensetzt. Man muss ein bisschen darauf achten, aber sobald es einem auffällt, dass es so gut wie keine auffälligen Dopplungen gibt, weiß man dieses Detail doch sehr zu schätzen. Ähnlich immersionssteigernd soll auch das authentische Waffenmodell sein, denn Gamble zufolge hat ein kurzläufiger Revolver wie in der Realität in Survival Instinct zum Beispiel nur eine effektive Reichweite von wenigen Metern. Wollt ihr euer Ziel also nicht verfehlen, dürft ihr nicht zu früh darauf anlegen.

Nachdem Daryl die Kirchturmglocke läutet, um das explosive Gotteshaus mit ausreichend Publikum zu füllen, und anschließend die Lunte zu zünden, hatte ich mir eigentlich erhofft, noch etwas von dem übergeordneten Survival-Gameplay zu sehen, das Gamble mehrfach anreißt. Doch Fehlanzeige. Ein Gefühl für die übergeordnete Struktur des Titels, der mit diversen verschiedenen Wegen zu mehreren Durchläufen anregen soll, wird uns an diesem Tag in London nicht vermittelt. Gerne hätte ich das recht vollmundige Versprechen von Gruppendynamiken und Ressourcenmanagement in einer von euch zu managenden Clique Überlebender mit bewegten Szenen unterstrichen gesehen, anstatt Gamble nur beim Wort zu nehmen. Ebenso wenig wurde gezeigt, wie man Mitglieder seines Zweckverbundes mit gefundenen Waffen ausstattet, um ihre Überlebenschancen zu steigern. Das sind im Grunde die interessantesten Dinge an diesem Spiel und die, über die ich an dieser Stelle wirklich gerne ins Detail gegangen wäre.

Und das ist sehr schade, denn es ist vor allem dieser Teil des Spiels, der The Walking Dead: Survival Instinct vom Zombie-Action-Spiel endgültig in eine interessante Survival-Sim verwandeln würde. So bleibt mir fürs Erste nur zu notieren, dass der Titel eben doch nicht komplett ohne Ambitionen in das Haifischbecken der Zombiespiele steigt. Alleine der Ansatz, die Zombies nicht als Gegner zu verstehen, sondern einfach als einen Teil der Umgebung, der gegen einen spielt, wenn man sich nicht richtig verhält, wird der Serie erfreulich gerecht. Trotzdem: Sich auf unterschiedlichen Pfaden quer durch Georgia zu kämpfen, unterwegs neue Figuren kennenzulernen und wieder zu verlieren - womöglich durch seine eigenen Entscheidungen -, das sind die Aspekte, wegen denen mich dieses Spiel vor allem interessiert. Dass sie so kurz vor dem Verkaufsstart am 22. März noch durch Abwesenheit glänzen, stimmt vielleicht nicht unbedingt pessimistisch, aber immerhin noch vorsichtig misstrauisch.

In diesem artikel

The Walking Dead: Survival Instinct

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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