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The War Z vs. DayZ – Stell dir vor es ist Krieg und nur einer geht hin

Wenn Nachahmung nicht die höchste Form der Anerkennung ist.

Es war schon ein bisschen verlockend, diesen Artikel mit "Die Klonkriege" zu untertiteln. Das Problem dabei: es ist irgendwie nur ein richtiger Krieg, wenn beide Parteien auch wissen, dass er stattfindet. Dean Hall und sein DayZ-Team machen aber das einzig richtige in dieser Situation: ihr eigenes Ding. Im stillen Kämmerlein werkeln sie unaufgeregt und ohne Unterlass an der Standalone-Version der Survival-Mod, die im letzten Jahr das gefühlte halbe Internet übernahm. Gut, einzig einen Kommentar, dass ihn die Gesamtsituation schwer deprimiere, konnte er sich auf Reddit nicht verkneifen und selbst da fiel der Name der Konkurrenz nicht.

Aber davon abgesehen entschleunigt seine passive Art und die Haltung, erst gar keinen Kampf anzunehmen, einen Schlamassel, der bei Gemütern mit niedrigerer Aktivierungsenergie sehr schnell sehr unschöne Gestalt hätte annehmen können. Bei genauerer Betrachtung merkt man jedoch, dass The War Z sich eigentlich keine Feinde leisten kann, denn den schlimmsten hat es bereits: sich selbst. Es ist ein Spiel, entstanden in einem kurzen Ich-auch-Moment seiner Macher, ohne jegliche Ambition, das beste Zombie-MMO zu werden. Nein, ihm reichte es, das Erste zu sein. Dabei versagt es notgedrungen auf so vielen Ebenen, was seinen Anfang in einem grundlegenden Unverständnis nahm, welchen Entwicklungsstand man seiner Community als angeblich fertiges Spiel gegen Geld zumuten kann.

Irrungen, Wirrungen.

Anders als ein Minecraft, das ewig in Alpha und Beta war, Begriffe, die unmissverständlich klar machen, was man bekommt, zierte die Steam-Produktseite von The War Z eine To-Do-Liste, die man den Spielern fälschlicherweise als tatsächlichen Feature-Steckbrief verkaufte. Nachdem Valve höchstselbst die Notbremse zog und das Spiel aus dem Verkauf nahm, wunderte einen auch gar nicht mehr, als bekannt wurde, dass das US-Patentamt den Warenzeicheneintrag des Spiels bereits einen Monat zuvor ablehnte. Der Name war schlicht zu nah am kommenden Brad-Pitt-Film World War Z. Falls es noch einen Titel dieser Größenordnung gibt, der über keinerlei markenrechtlichen Schutz verfügt, so fällt er mir gerade nicht ein. Sergey Titov, Kopf hinter dem Titel, bekundete zunächst, davon nichts zu wissen, um anschließend anhand der Suchfunktion der US-Patentbehörde zu suggerieren, das Warenzeichen sei sehr wohl "aktiv". Was denn jetzt stimmt? Nun ja …

"Falls es noch einen Titel dieser Größenordnung gibt, der über keinerlei markenrechtlichen Schutz verfügt, so fällt er mir gerade nicht ein."

Der Stand der Dinge.

Was war hier der Plan? Noch schnell mit dem Spiel eine tragende Userbasis zu erreichen, bevor einem Paramount Pictures eine Horde Anwälte vor die Tür schickt, die jedes Zombierudel übertrifft, das einem in The War Z entgegenrollt, um dann den Namen zu ändern? Überhaupt ist das Spiel ein einziges großes PR-Desaster. Ein Titov, der im offiziellen Forum Spawn-Camper als "Schwuchteln" bezeichnet (dafür hat er sich mittlerweile entschuldigt), später in Interviews den Kunden Missverständnis der alles andere als zweideutigen Steam-Produktseite unterstellt, lässt sich eher unter "persönliche Verfehlungen" verbuchen. Aus anderen Zombie-Medien abgepauste Untote für Promotion-Material sprechen darüber hinaus zum einen für Dilettantismus und zum anderen für eine Unverfrorenheit, die man nicht alle Tage sieht. Vielzählig dokumentierte Sperrungen und Löschungen von User-Accounts und kritischen Foreneinträgen auf der offiziellen Seite des Spiels und dergleichen vervollständigen schließlich ein Bild von einem Pulverfass von einem Spiel, das der Community und den Verantwortlichen jeden Moment um die Ohren zu fliegen droht.

Was aber ist mit dem Spiel an sich? Vieles der Häme, die The War Z aktuell erfährt, richtet sich an Verfehlungen, die man in ähnlicher Form auch DayZ ankreiden könnte: Häuser mit uninteressanten Innenräumen, viele sogar überhaupt nicht betretbar. Dann die rudimentären Animationen im ungelenken Nahkampf oder die fehlende Spielerführung. Und was ist mit dem Spawn-Camping und Zombies, deren Verhalten durch Glitches planvolles Vorgehen schwierig machen? Das alles kennt in diesem oder vergleichbarem Umfang auch der DayZ-Spieler. Das Problem ist nur, dass The War Z trotz eines Spielablaufs, der sich in Features und Fouls fast analog zum großen, kleinen Vorbild verhält, keine Ahnung hat, was Dean Halls Arma-2-Mod zu einem so guten Spiel macht und dazu führt, dass man über teils himmelschreiende Probleme geflissentlich hinwegsieht.

Original und Fälschung

DayZ hat vor allem den Luxus, auf einer überaus potenten Engine zu basieren, die spielend mit annähernden Echtwelt-Sichtweiten fertig wird. Die sorgfältig gestaltete Karte ist das modifizierte Ebenbild einer real existierenden Gegend und fließt deshalb natürlich vor sich hin. Spieler meiden freie Felder, suchen Deckung in der Baumlinie und planen ihre Annäherungen an ihren Zielort entlang sich natürlich bietender Deckung. The War Z's frei erfundenes Colorado verhält sich dagegen eher wie ein Netzwerk breiter Pässe, die sich zwischen unzugänglichen Bergen wohin man nur blickt hindurch schlängeln. Hier und da Bäume und Büsche, aber in DayZ ist es deutlich einfacher, sich bei Beschuss in den Blätterwald zurückzuschälen und auf Nimmerwiedersehen in den Weiten der Karte zu verschwinden.

"Derjenige, der sein Gegenüber zuerst sieht, macht sich wenige Momente später über dem Kadaver des anderen die Taschen voll."

So sieht Freiheit aus ...

Doch auch wenn The War Z eine ausladendere Karte mit reichhaltigerer optischer wie tatsächlicher Deckung böte: Das primitive Waffenmodell wäre im Grunde "Point-and-Shoot" nach Quake-Art, könnte man nicht die Waffe anlegen, um übers Visier zu schauen. Viel anspruchsvoller wird's trotzdem nicht, denn zwischen dem Druck der linken Maustaste für die Visiersicht und einem perfekt auf das Ziel ausgerichteten Schuss vergeht selten mehr als eine halbe Sekunde. Das stellt sicher, dass derjenige, der sein Gegenüber zuerst sieht, fast immer auch der ist, der sich wenige Momente später über dem Kadaver des anderen die Taschen vollmacht. Das Waffenmodell bietet einfach zu wenig Raum für Fehler, wohingegen es in DayZ beziehungsweise Arma 2 mit einigem Geschick, Geduld und Können verbunden ist, seinen Feind selbst auf mittlere Distanzen auch zu treffen. Ab rund 200 Metern kommt zudem die Nullung des Visiers ins Spiel, um Gravitation und sinkende Projektilgeschwindigkeit auszugleichen - und dann haben wir noch gar nicht von den richtigen Weiten gesprochen, die ab einem halben Kilometer losgehen. Bei The War Z gilt dagegen, sobald ihr den ersten Schuss hört, ist es im Grunde schon zu spät.

Wer von DayZ einen Abstecher in Hammerheads Colorado macht, wird zudem das Fehlen der unabhängigen Drehung von Kopf und Laufrichtung bitterlich vermissen. Jederzeit lasst ihr in Arma 2 und DayZ Kopf und Kamera um die jeweilige Szene kreisen, ohne auch nur einen Fuß in die Richtung des Schwenks zu setzen. Man ist sich seiner Umgebung bewusster und behält auch regungslos immer den Überblick, was in einem Spiel, in dem die Feinde von überall kommen können, von unschätzbarem Wert ist.

Anatomie einer Apokalypse

Man kann sich an einzelnen Features aufhängen, wie man will, meckern über fehlenden Voice-Chat und der damit verbundenen, stärkeren "Erst-schießen-dann-fragen"-Philosophie. Sich ärgern über die fußlahmen Spielfiguren, die selbst gehende Zombies nur unter Einsatz ihrer mager bemessenen Sprint-Leiste ein wenig auf Abstand halten und sich aufregen über teure Bezahl-Ausrüstung, die nach einem Mord an der eigenen Spielfigur auf Nimmerwiedersehen den Besitzer wechselt. Man könnte sogar, von der anderen Seite kommend, einwenden, dass vieles, wie etwa Fahrzeuge für The War Z noch kommen wird und andere ähnlich gelagerte Entschuldigungen vortragen, die auf dem frühen Entwicklungsstand dieses Titels fußen. Über allem steht aber einfach die klügere Struktur des Originals.

… und so der Weg zur nächsten Siedlung in The War Z.

Wo man in The War Z mehr oder weniger alles überall finden kann - letztens habe ich eine Kalashnikov hochkant auf einem Briefkasten stehen sehen - und deshalb einfach auf Gut Glück in die breiten Korridore dieser Welt hinausspaziert, stellt man sich vor jeder Partie DayZ die Frage, was will ich in dieser Sitzung erreichen? Geht es mir darum, meinen Charakter mit Basis-Ausrüstung fürs Überleben zu bestücken, durchstreife ich mittelgroße Städtchen und große Dörfer, meide die Metropolen und militärische Anlagen. Geht es mir um Medizin, komme ich um eine Stadt mit Krankenhaus (Blutkonserven!) nicht herum. Durchschlagkräftige Waffen findet man hingegen in der Ostbock-Prärie des gefährlichen Nordens, mit seinen Militärflughäfen und den weiten Steppen, auf denen zufällig abgestürzte Armee-Helikopter als ultimative, aber auch ultimativ gefährliche Schatzkisten locken. Der gesamte Aufbau der Region Chernarus trägt einfach seinen Teil dazu bei, dass Dean Halls Mod selbst in frühem Entwicklungsstadium die besseren Geschichten erzählt.

Nach einigen Patches ist Hammerpoints Trittbrettfahrer mittlerweile rein technisch gesehen annehmbar zu spielen und eine öffentliche Entschuldigung für … nun ja … alles, schätze ich, schlürfte das letzte bisschen scharfer Soße von der längsten Skandalnudel der jüngeren Videospielgeschichte. Man darf Zweifel anmelden, ob es dem Spiel gelingt, auch ohne Kontroverse im Gespräch zu bleiben. Ironischerweise ist The War Z's aber wohl letzte Chance auf dauerhaften Bestand nun, sich ein letztes Mal etwas von Dean Hall abzuschauen und im stillen Kämmerlein, ganz ohne große Aufreger, daran zu arbeiten, The War Z von einem überhasteten Griff nach Spielerportemonnaies in einen passablen DayZ-Klon zu verwandeln. Mehr ist beim besten Willen nicht drin und die Uhr für Hammerpoints Apokalypse tickt immer lauter.

In diesem artikel

DayZ

PS4, Xbox One, PC

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The War Z

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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