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SimCity oder: Wie grausam kann eine Beta schon sein?

Ihr wollt es gar nicht wissen ...

Ihr baut bereits Städte? Dann schaut doch in unsere Sim City Tipps.

Electronic Arts und Maxis luden über's Wochenende zur geschlossenen Beta des neuen SimCity. Diese Sorte Aufforderung braucht man mir natürlich nicht zwei Mal zukommen lassen. Wie wenige andere Spiele steht dieses hier stellvertretend für das gesamte Genre der Aufbauspiele. Wenn sein Name von Anfang an besser über die Lippen gegangen wäre, stünde er heute vermutlich in einer Reihe mit den Tempos, Tesas und Walkmans dieser Welt, nur eben synonym für alle Spiele, in denen man aus Gottperspektive einen wuseligen, digitalen Mikrokosmos aus dem Boden sprießen lässt.

Darüber hinaus steht SimCity für mich aber vor allem für Kindheit. 1989 war es eines der frühesten und einschneidendsten Erlebnisse in Sachen virtueller Machtausübung. Klar, Populous war technisch gesehen ein paar Monate früher dran, aber irgendwie war das Heben und Senken der Landschaft für mich damals ein zu abstraktes Konzept - das Auspfriemeln einer funktionierenden Infrastruktur war greifbarer, schien einfacher und verdiente ich mein Geld mit politischer Satire, fiele mir an dieser Stelle sicher ein mittelmäßig erfreulicher Seitenhieb auf Klaus Wowereit ein. Aber deshalb seid ihr nicht hier. Ihr wollt wissen, was das neue SimCity kann. Kurzum: Ich hasse es.

Zukunftsmusik. Meine Städte waren deutlich kleiner. Und hässlicher.

Genau genommen hasse ich es mit einer Inbrunst, wie schon lange kein Spiel mehr, denn ich kann nicht mehr ohne, fühlte mich zwei ganze Tage in meine Kindheit versetzt und will nicht mehr zurückkehren. Aber ich muss. Es grenzt an Quälerei, wie EA und Maxis die Spieldauer der Beta auf maximal eine Stunde am Stück beschränkten. Anschließend ging all das Leben, das ich an den Strand von Clearwater geholt hatte, jeder mit dem Lineal gezogener Highway und jede kurvige Seitenstraße, unwiederbringlich verloren.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Kein Speichern für später, keine Bilder der Erinnerung, sondern ein kompletter Plattenputz mit dem Empathievermögen einer Naturkatastrophe. Nur aufgewogen durch die Option, direkt noch einmal anzufangen. Bis Montag um neun Uhr ging dieser Zyklus aus unvermittelter Existenzbeendigung und anschließendem Wiederaufbau. Jetzt sitz' ich hier, weiß nichts mehr mit meiner Zeit anzufangen und trauere den grob geschätzt 32.000 Seelen hinterher, die übers Wochenende meinem Ruf folgten, diese Narren - in die Stadt, die niemals sein durfte. Das ist zugegebenermaßen die Sorte Hass, mit der EA nach der kurzen Testphase durchaus leben kann, spricht dies doch Bände über die Qualität des nicht nur in Sachen Zeit, sondern auch im Hinblick auf den sonstigen Content noch recht limitierten Stücks SimCity.

Und was für eine Qualität es ist. Ohne große Einleitung - die hatte ich aus irgendeinem finsteren Grund erst angeschmissen, dann aber doch nicht absolviert, nur um mich erst nach Ende der Beta wieder daran zu erinnern, dass es eine gab - kann man sich in diese Aufbau-Simulation werfen. Man beginnt einfach drauflos, ein paar Hundert Meter Straße durch die Landschaft zu ziehen, vier verschieden Typen von schmal und klein bis vierspurig mit mittlerer Verkehrsdichte (in der Vollversion werden es noch mehr sein), signalisiert mit einem grünen Marker, an welchen Straßen Wohnbereiche, wo Läden und wo Industrie entstehen sollen und merkt dann ganz von selbst, was fehlt. So soll es sein.

Bis eure Wohnbereiche an den Wolken kratzen, dauert es eine Weile.

In diesem Fall klagen die frisch Zugezogenen als Erstes über das Fehlen von Wasser, dann Elektrizität. Bedürfnisse, die man mit einem günstig platzierten Wasserturm und einem Kraftwerk eurer Wahl stillt. Von Windrädern bis Kohlekraftwerk müsst ihr in der Beta selbst bestimmen, wie schmutzig ihr eure Luft wollt. Mit fossilen Brennstoffen erzeugt ihr selbstredend mehr, aber weniger umweltfreundliche Energie und weil ihr hinten um die Ecke schon das Abwasser mit der ersten Anlage dieser Art erstmal eine Weile arglos im Boden versickern lasst, solltet ihr vielleicht wenigstens in diesem Fall zu grüneren Variante greifen. Zumal das Windkraftwerk später auch mit zusätzlichen Turbinen dazu überreden lässt, mehr Leistung abzuwerfen. Die Basis steht alsbald, von hier aus arbeitet ihr weiter, erste Industriegebiete kristallisieren sich heraus, weil ihr merkt, dass die Leute es nicht besonders cool finden, wenn der dunkle Dunst aus den Schornsteinen über die Spielplätze ihrer Kinder weht, bis sich die Haare der Sprösslinge kräuseln.

Die Kunst, Statistiken und Grafiken interessant zu machen

Also macht man sich daran, die Umweltverschmutzer auszulagern oder zumindest die direkte Umgebung zu verschönern. Es sind derartige städteplanerische Vorhaben, die das Spiel durch visuell sehr schöne und verständliche Graphen erleichtert. Diese legen sich wie ein Laken über die Landschaft und signalisieren so etwa die Bevölkerungsdichte und das Verkehrsaufkommen sowie, besonders wichtig, den Wert des Landes als Wohnraum. Der wird in Industriegebieten tiefrot gepinselt, in Rathaus- oder Parknähe geht's vom neutralen Weiß immer weiter ins attraktive Zyan über. So seht ihr euch sofort, welche Maßnahmen greifen. Eine Skate-Anlage mit angrenzenden Baumreihen drückt selbst in direkter Nachbarschaft zu einem Metallbetrieb noch das Rot ein Stück weit zurück und macht die umliegende Umgebung wieder bewohnbarer.

Über allem steht für ein gesundes Städtewachstum aber die Balance. Wertet ihr die gesamte Stadt zu sehr auf, kann sich das normale arbeitende Volk den Wohnraum nicht mehr leisten. Kleine und sehr übersichtliche Balken im Zonen-Menü zeigen allerdings die Nachfrage nach Wohn-, Kommerz- und Industrie-Angeboten in den verschiedenen Preisklassen an und helfen so, eine ausgewogene Stadt zu entwerfen, in der jeder glücklich werden kann. Je nachdem, wie man es angeht, kommt man in der Beta-Stunde oft nicht einmal dazu, Feuerwehr oder Polizei zu bauen. Und nur einmal erfüllte ich so viele der optionalen Nebenaufgaben - vom Anlocken von Touristen, bis zum Errichten bestimmter Anlagen war einiges dabei - dass man mir gewährte, mein Rathaus aufzuwerten. Als ich anschließend das Verkehrsnetz etwas verbesserte, wuchsen auch einzelne Wohnhäuser zu massiven Apartmentblocks an. Kurz darauf wurde aber klar, dass ich die Gesundheitspolitik so vernachlässigt hatte, dass eine Zombieplage eine ganze Nacht lang meine Bewohner auffraß. Glaubt mir, das ist erst jetzt, im Nachhinein, lustig.

Dieser Miniaturstadt immer und immer wieder beim Wachsen und unvermeidlichen Vergehen zuzusehen, das hat ein eigentlich recht arbeitsreiches Wochenende in einen Klacks verwandelt.

Stilvoll, ja, richtiggehend schön präsentieren sich die zahlreichen nützlichen Info-Grafiken.

So gar nicht lustig scheint mir jetzt auch die verbleibende Wartezeit auf SimCity, die erst Anfang März ein Ende haben wird. Dieser Miniaturstadt immer und immer wieder beim Wachsen und unvermeidlichen Vergehen zuzusehen, das hat ein eigentlich recht arbeitsreiches Wochenende in einen Klacks verwandelt. Mit Tempo, viel, viel Herz und dank beschwingter Musik wonniger Wohlfühlstimmung möchte man sich hierin stundenlang vergraben.

Schade ist nur, dass man in der Beta noch gar keinen Einblick bekam, wie sich benachbarte Regionen und Spieler untereinander beeinflussen werden. Doch das war wohl nicht Ziel dieser Probephase. Gerne hätte ich euch gerade davon mehr erzählt, denn vor allem angesichts der Online-Pflicht des Titels würde ich wirklich gerne wissen, ob ich dafür einen Gegenwert bekomme, der das an Gängelei grenzende Konnektivitäts-Diktat zumindest versucht, zu rechtfertigen. Hier und heute gibt es demnach lediglich zu vermelden, dass dieses Spiel bisher ausgezeichnet funktioniert und dass ich es jetzt schon vermisse. Ob das die Always-On-Politik der Macher erträglicher macht oder beklagenswerter, muss sich jeder selbst beantworten.

In diesem artikel

SimCity

iOS, Nintendo DS

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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