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The Walking Dead: Survival Instinct - Test

Und ich dachte, Lizenzspiele wären auf dem Weg der Besserung ...

Nicht, dass es einen überraschen würde, aber nach dem, was man so hört, hatte Terminal Reality die wenig dankenswerte Aufgabe, The Walking Dead: Survival Instinct binnen weniger als einem Jahr zusammenzuzimmern. Man muss sein Geld nicht in dieser Branche verdienen, um zu wissen, dass das etwas zu wenig ist, um ein Produkt in die Läden zu bringen, das dem Vergleich mit den anderen Vollpreis-Zeitverbrennern neben ihm standhält, ohne Nasenbluten zu bekommen. Das ist auch der Grund, warum vor DLC, Multiplayer-Zwang und Mikro-Transaktionen die Lizenzspiele stellvertretend für alles standen, was in dieser Industrie nicht stimmte.

Kein Wunder. In aller Regel sind es meist hastig zusammengeschluderte Verbrauchsartikel, gerade so funktional, die beinahe parasitär von den guten Ideen der Vorlage leben - und von der Liebe der Fans zur jeweiligen Marke. Dieses spezielle Ausgangsmaterial hatte es mit Telltales herzzerreißendem Episoden-Adventure von letztem Jahr bisher ganz gut getroffen, und da Blitze bekanntlich nicht zwei Mal an derselben Stelle einschlagen, hatte man sich für Lizenzspiel Nummer zwei schon auf das Schlimmste eingestellt. Und siehe: Ein gutes Spiel sieht anders aus. Ganz anders.

Laaaaaaangweilig!

Trotzdem ist es nicht ganz die Vollkatastrophe, die es unter diesen Vorzeichen hätte werden können. Woran ich das festmache? Nun, Survival Instinct - um das Spiel nicht näher an das von Telltale heranzurücken als absolut notwendig, muss der Untertitel von hier an reichen - provoziert zu keiner Sekunde den absoluten Hass, der einem für gewöhnlich signalisiert, dass man hier einen Blindgänger aus dem untersten Entwickler-Lohnsklavenkeller vor der Flinte hat. Ein Lob, dass sich Terminal Reality sicher nicht rahmen lassen und an die Wand hängen wird. Es ist einfach langweilig, halb fertig und unterm Strich kein allzu erbaulicher Anblick. Und der wäre es auch nicht, wenn ich nicht direkt zuvor BioShock Infinite auf maximalen Einstellungen auf dem PC gespielt hätte.

Technisch ist das Spiel gerade noch anschaubar. Es ist die Gestaltung und Komposition der Umgebungen, an der klar wird, dass die Zeit knapp war.

"Wer erinnert sich nicht mit Schaudern an die Zeit, in der einfach jede entfernt actionkompatible Marke einen strohdummen Korridor-Shooter bekam, ob es passte oder nicht?"

Die Hälfte der Punkte, die ich hier und heute für dieses von Anfang an zum Scheitern verurteilte, traurige Machwerk springen lasse, gibt es dabei ganz allein für Terminal Reality's Entschlossenheit, tatsächlich ein Spiel ums Überleben in der Kirkman-Apokalypse zu machen. Das hätte schlimmer kommen können: Wer erinnert sich nicht mit Schaudern an die Zeit, in der einfach jede entfernt actionkompatible Marke einen strohdummen Korridor-Shooter bekam, ob es passte oder nicht? Irgendwer wird's schon kaufen. In Survival Instinct ist man dagegen tatsächlich gut beraten, die technisch wie gestalterisch triste grau-grün-braune Umgebung nach etwas dunkler grau-grün-braunen Zombies abzusuchen.

Diese wandeln genau wie in der TV-Serie ziellos durch die kleinen Straßenzüge, mit meist zwei oder drei begehbaren Gebäuden, die die einzelnen Level des Titels stellen. Auf der immer vorherrschenden Suche nach Munition, Benzin oder Gesundheit spendende Nahrung fällt aber gleich als Nächstes das häufig überhaupt nicht nachvollziehbare Zombieverhalten auf. Nehmen sie Daryl Dixon wahr, der wie sein Bruder Merle im Spiel kompetent, aber nicht unbedingt leidenschaftlich von dem Originaldarsteller gesprochen wird, drehen sich die Ghoule langsam um. Was dann passiert, bestimmt ein vollkommen irrgängiger KI-Code. Meist taumeln sie seriengetreu auf euch zu. Oft genug allerdings bleiben sie trotzdem wie angewurzelt stehen, drehen sich wieder weg. Oder sie kommen, scheitern aber an einem Kneipentresen, von dem herunter ihr gemütlich den Zimmermannhammer auf ihre Schädel niederkreisen lasst. Immer wieder verloren sie zudem das Interesse, wenn ich nur genug visuelle Hindernisse zwischen mich und sie gebracht hatte. Wenn zwei Müllcontainer dafür genug sind, stimmt doch was nicht!?

Zum Überleben reicht offensichtlich eine Handvoll Tricks.

In einem Titel, in dem man am besten mit lautloser Gewalt gegen vereinzelte Zombies vorgeht, sollte man sich wenigstens darauf verlassen können, dass das derzeit wohl gehypteste klassische Film-Monster sich so verhält, wie man es seit gut 50 Jahren kennt. Denn, um klar zu machen, was für eines Geistes Kind dieses Spiel ist: Es gibt zu wenig Munition, um alle Zombies zu erledigen und ein Schuss lockt nur noch mehr von der Sorte an. Das halbe Spiel dreht sich demnach darum, die Viecher einzeln in eine Position zu "kiten", an der man gewissermaßen einen Heimvorteil hat, weil der Bereich bereits befriedet wurde. Hier geht es dann mit Messer, Hammer und dergleichen in dem vielleicht simpelsten Melee-System seit Jahren zur Sache. Vier identisch animierte Schläge (und erlittene) auf den Schädel und der Zombie kippt tot um. Wenn die KI mal nicht streikt. Eine sehr berechenbare und effektive, aber vor allem auf Dauer langweilige Taktik. Man verkürzt sie schnell, wenn man rausgefunden hat, dass man nach einem Schubser oder Treffer schnell um sie herumrennen kann, um von hinten den Stealth-Kill auszulösen, aber auch das wird irgendwann richtig, richtig alt.

Die Darbietungen von Norman Reedus und Michael Rooker sind passabel.

Es fehlen hier einfach die Optionen im Gefecht. Verrammeln, verkrüppeln, verlangsamen wären so Dinge, die einem einfallen. Mit dem Werfen von Flaschen eine Ablenkung zu schaffen, ist auch eine solche Idee. Ich habe nach dem ersten Level aber Stunden zugebracht, bis ich mal wieder ein solches Stück Altglas fand, was eigentlich in dieser Südstaaten-Apokalypse nicht allzu schwer sein sollte. Wirklich ärgerlich wird es, wenn bereits gereinigte Bereiche aus dem Nichts wieder an identischen Stellen mit neuen Walkern gefüllt werden. Teilweise sieht man die Stinker mit eigenem Auge erscheinen und das ist eigentlich auch das "Feature", das der Auswahl an Schusswaffen den letzten Zahn zieht. Wenn ihr nicht sicher sein könnt, dass der Bereich hinter euch frei von Zombies ist, also so, wie ihr ihn hinterlassen habt, könnt ihr sie eigentlich nicht benutzen.

Schon eine kleine Übermacht richtet mit ihren rudimentären Schlag-Animationen gehörigen Schaden an - auch hier beweist Terminal Reality immerhin wieder, dass sie die Regeln Serien-Fiktion respektieren. Aber wenn man auf dem Rückweg von einer der vielen, vielen generischen Hol- und Bring-Missionen in eine solche Gruppe stolpert, die eigentlich nicht mehr da sein dürfte, fühlt man sich herzlich auf den Arm genommen. Ab und an hat man zwar trotzdem sogar wirklich authentische Zombiefilm-Momente, wenn einen auf einmal dann doch einer der Untoten aus dem Schlagschatten einer Tür anspringt, weil man nicht richtig aufgepasst hat. Was dann folgt, gipfelt aber ohnehin wieder in den ungelenk umgesetzten ansprechenden Gameplay-Zyklus aus Weglaufen und Stealth-Killen.

Schweinchen in der Mitte

Absurd wird es, wenn man in dem Minispiel, das beginnt, wenn einen ein Zombie zu packen bekommt, eine ganze Horde erledigt. Man könnte es beinahe einen Exploit nennen, wie man sich hier teilweise von einem Zombie zum nächsten reichen lässt, um sie nach und nach mit dem kurzen Stick-Gerangel und getimten RT-Druck zu erledigen, aber es ist eher die Sorte Spielregel, die man schmunzelnd zur Kenntnis nimmt. Zuverlässig provozieren konnte ich diese Situationen nicht. Von fünf Versuchen, dem Gameplay mit dieser Eigenart den Rücken zu brechen, gelang es mir zweieinhalb Mal. Die anderen Anläufe überlebte ich nicht. Trotzdem grotesk lustig und etwas, das beim Playtesten eigentlich hätte auffallen müssen.

Obwohl Terminal Reality ein System erdachte, das das Aussehen von Zombies verzufallt, nimmt man Unterschiede kaum wahr.

In einem Metaspiel nehmt ihr in dem begrenzten Fahrgastraum eures aktuellen Autos - an bestimmten Stellen kann gewechselt werden, wenn man den Schlüssel zu einer besseren Karosse findet - andere Überlebende mit, wenn ihr in den Leveln zuvor Nebenaufgaben für sie erledigt habt. Im Gegenzug stehen sie euch vor dem nächsten Abschnitt als Ressourcensammler zur Verfügung. Drückt ihnen eine eurer Waffen in die Hand, sagt ihnen, ob sie Essen, Munition oder Sprit besorgen sollen und verschüttet keine Träne, wenn sie bei einem ausgewiesenen Risiko von 50 Prozent dann doch nicht zurückkommen. Es ist oberflächlich und uninteressant implementiert. Schöner wäre es gewesen, wenn man Partner gehabt hätte, denen man tatsächlich nützliche Aufgaben hätte geben können und die dann sichtbar mit euch im Level ihren Dienst tun. Etwa, "sorge an dieser oder jener Stelle für Ablenkung" oder "leg dich aufs Dach der Tankstelle mit dem Jagdgewehr und gib mir Deckung!" Nichts dergleichen ist im Spiel, ihr riskiert das Leben dieser Leute für ein paar Zahlenwerte - aber hey, viel mehr als ein paar Polygone und Texturen steckt sowieso nicht hinter ihnen.

Auf einer Karte wählt ihr während der knapp fünfstündigen Kampagne, wohin es als Nächstes geht und auch die Wahl der Straße spielt eine Rolle darin, wie oft ihr halten müsst. Da ihr bei euren wie zufällig wirkenden Stopps aber immer wieder dieselben Klon-Level nach Sprit und dergleichen absucht, kommt hier weder Spannung noch Freude auf. Es ist einfach ermüdend. Gleiches gilt für die Handlung, die die gesamte Kampagne über zunächst so gut wie nicht präsent ist und euch mit einem Ende aus dem Spiel kippt, das so unfassbar schlecht ist, dass man es gar nicht als solches wahrnimmt.

Alles in allem haben wir hier eine Ausgabe dieser Welt, die auf die falsche Weise hässlich und trostlos ist, der Serie in Sachen Geschichte oder Charakter so gut wie nichts hinzuzufügen hat. Survival Instinct ist in letzter Konsequenz ein Sammelsurium von Konzepten und Mechanismen, die kaum miteinander verzahnt sind, weshalb das Spiel ebenso ausgemergelt daherkommt, wie seine faulige, naturgewaltige Nemesis. Es ist nicht das Schlimmste, was ich je gespielt habe, ich bin mir nicht mal sicher, dass es am Ende dieses Jahres unter den schlechtesten Drei gewesen sein wird. Trotzdem: Einfach der Gedankengang des Publishers ist enttäuschend, das hier als 'gut genug' für diese Marke zu erachten. Terminal Reality ist kein schlechtes Team, was ihnen möglich war, haben sie in diesem Zeitrahmen geschafft. Trotzdem sind die passablen Elemente von Survival Instinct nie mehr als der Keim einer richtigen und zur Lizenz durchaus passenden Idee.

4 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

The Walking Dead: Survival Instinct

PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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