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Injustice: Gods Among Us - Test

Alfred, reiche mir das Kryptonit. Ich will Diktator Superman eine reinhauen. Und Wonder Woman, Flash, Aquaman, Catwoman, Nightwing, Shazam...

Tausend rote Fäuste prasseln auf Superman ein, hämmern ihn zu Boden. Doch Flash ist nicht fertig mit dem Mann aus Stahl - der rote Blitz schleudert einen Mini-Tornado auf seinen Widersacher, steht plötzlich hinter ihm und verpasst Metropolis' Beschützer einen vernichtenden Uppercut. Superman explodiert. Wieder ein Klon-Androide von Darkseid, mit dessen Hilfe der Herrscher von Apokolips die Erde unterjochen wollte.

Von wegen schneller als eine Gewehrkugel! Selbst Superman kommt kaum an Deathstroke heran.

Nein, das ist keine Szene aus 'Injustice', dem neuen 2,5-dimensionalen-Prügler der NetherRealm Studios für PS3, Xbox 360 und Wii U. Das war ein Gefecht aus 'Justice League Task Force', dem quietschbunten Prügelspiel von 1995, entwickelt von Sunsoft und Blizzard für das SNES und Sega MegaDrive. Simples Gameplay, simple Grafik, null Finesse und total harmlos. Doch schon damals brauchte es einen plausiblen Grund, weshalb sich die strahlenden Helden der Justice League plötzlich gegenseitig an die Gurgel gehen. Dabei finden solche Zweikämpfe tagtäglich in Kinderzimmern statt. Superman gegen Flash? Batman gegen Robin? Aquaman gegen Wonder Woman? Ein Teddy gegen alle zusammen? Für Kids überhaupt kein Problem. Nur Erwachsene brauchen eine Erklärung. Darum: Klon-Androiden. Und nein, ich gehe nicht auf 'Mortal Kombat vs. DC Universe' von 2008 ein. Darkseid verschmilzt mit Shao Kahn? Also bitte...

In 2013 reichen so dürftige Alibi-Plots natürlich nicht mehr aus. Die Fans erwarten moralische Abgründe, Schicksalsschläge, Splatter, Wahnsinn und verschlungene Handlungspfade. DC hat nicht von ungefähr seine populärsten Comicreihen mit den "New 52" überarbeitet. Das krasseste Beispiel der neuen Linie ist der Joker: Der hat sich das Gesicht amputieren lassen und trägt es als faulende Fleischmaske. Strahlemänner wie Superman erkennt man auch kaum wieder: Die Ehe mit Lois Lane gestrichen, die Pflegeeltern tot, Panzerplatten statt Strumpfhosen, die roten Shorts sind auch weg. Dafür hat er eine Affäre mit Wonder Woman - was Batman und der Weltöffentlichkeit den Angstschweiß auf die Stirn treibt. Wenn jetzt das Super-Paar Nachwuchs bekäme? Wie lange bliebe die Menschheit dann noch die dominante Spezies des Planeten? Hier klingt sie an, die Furcht vor den "Göttern unter uns", die im Story-Modus von 'Injustice' zum bestimmenden Thema wird.

Genug gefachsimpelt. Kommen wir zur Geschichte.

Auch die NetherRealm Studios liefern eine Begründung für die Faustkämpfe unter Superhelden. Doch das Setting ist natürlich ernster als anno 1995. Die Story ist düster und blutig - doch der Grundgedanke dahinter für treue Fans der 'Justice League of America' alles andere als neu: Injustice spielt in einer (Überraschung) Paralleldimension, in der Superman ein faschistoides Regime errichtet hat und mit anderen Superhelden die Erde unterjocht. Alles nur weil der Joker... Halt, Moment! Ich darf das natürlich nicht verraten. Spoiler und so. Jedenfalls ist der Plot ziemlich starker Tobak. Nix für Kinder. Gibt es außerdem als virtuelle Comic-Reihe bei Comixology, die nicht mit drastischen Bildern spart.

Kein Gentleman: Green Arrow gegen Wonder Woman.

Neben dem "Warum" beantworten die Macher auch die Frage: "Wie, beim Zeus, können Batman oder Green Arrow eine Tracht Prügel durch Superman oder Doomsday überleben?" In meinem Interview mit Ed Boon letztes Jahr hatte der Prügelspiel-Altmeister schon diverse Andeutungen gemacht. Die fertige Erklärung im Drehbuch fand ich freilich, naja, doch ein bisschen albern. Aber mei, zumindest versuchen die Autoren, dem Nerd-Ärger zuvor zu kommen. Da verzeih ich ihnen sogar ein paar Plot-Löcher oder arg konstruierte Zweikampf-Paarungen im Verlauf der Handlung (nein, aus! Ich werde nicht Spoilern).

Der Story-Modus ist ein echtes Highlight, schon allein, weil die Zwischensequenzen, Zweikämpfe und eine Handvoll Minigames absolut nahtlos ineinander übergehen. Das verleiht dem Ganzen eine grandiose Atmosphäre. Man guckt quasi einen zweistündigen (passabel deutsch synchronisierten) Animationsfilm und steuert die bombastischen Zweikämpfe selbst.

Heizt Zombies gerne ein - Superman gegen Solomon Grundy

Dafür muss man Ed Boon und seinem Team die Lorbeeren aufs Haupt legen: Die Mortal-Kombat-Veteranen wissen, wie man Fights gekonnt in Szene setzt. Die Schauplätze, die Kämpfer, die Gimmicks - das alles lässt Geek-Herzen im Orbit schlagen. Die Recken wurden stilsicher mit einer modifizierten Version der Unreal Engine 3 zum Leben erweckt. Die Animationen sind von gewohnt hoher Qualität. Das Design der Figuren vereint einige der besten Konzepte unterschiedlicher Zeichner der vergangenen Jahre. Sogar die alternativen Outfits können sich sehen lassen - da macht das Freischalten richtig Spaß.

Super! Wir haben Kräfte!

Die Kräfte jedes einzelnen der 24 Helden und Schurken fühlen sich in ihrer Ausführung und Wirkung genauso an, wie man sich das als Fan vorstellt. Die Faustschläge von Kraftprotzen wie Superman, Doomsday, Cyborg, Lex Luthor, Solomon Grundy oder Bane treffen ihre Kontrahenten wie Dampfhämmer. Falls das nicht ausreicht, werfen die Titanen mit Autos oder was sonst in den Levels nicht niet- und nagelfest ist. Flinke Nahkämpfer wie Flash, Batman, Nightwing oder Catwoman schlagen Salti, verlassen sich auf ihre Wendigkeit und beherrschen etliche Tricks, um gegnerische Attacken zu kontern. Schwere Objekte nutzen sie als Trampolin, statt diese zu werfen. Fernkämpfer wie Green Arrow, Harley Quinn oder Deathstroke decken ihre Widersacher mit Geschosssalven ein und sind echte Nervensägen im Multiplayer (dazu komm ich gleich). Wonder Woman, Killer Frost, Aquaman, Hawkgirl, Joker, Ares, Shazam, Black Adam, Raven, Green Lantern oder Sinestro mischen diverse Stile, Tricks, Kräfte und Magie - ihre Spezialmanöver zu meistern, kann einen richtig lange bei Laune halten.

Wer die übliche Mortal-Kombat-Steuerung erwartet, muss sich auf ein paar Überraschungen gefasst machen. Das alte Schema "Leichter Tritt, schwerer Tritt, leichter Schlag, schwerer Schlag" hat ausgedient. Stattdessen gibt es eine leichte, mittlere und schwere Attacke sowie eine Spezialfähigkeit, die man per Tastendruck aktiviert. Darunter fallen höchst individuelle Tricks wie Roboter-Fledermäuse (Batman), Extra-Power (Superman), ein Schutzschild (Lex Luthor), Selbstheilung (Cyborg), Waffenwechsel (Wonder Woman), Zeitverlangsamung (Flash) oder unblockbare Geschosse (Deathstroke). Die Macher haben sich wirklich die Denknudeln zerbrochen, um den Charakteren eine persönliche Note zu verleihen. Das Gleiche gilt für die Wurfmanöver, die sich per einfachem Tastendruck anbringen oder blockieren lassen.

Die Macher haben sich wirklich die Denknudeln zerbrochen, um den Charakteren eine persönliche Note zu verleihen.

Zieh, Fledermaus! Harley Quinn testet Batmans Panzerung.

Man gewöhnt sich schnell an das neue System. Geblockt wird durch simples bewegen vom Gegner weg, statt wie bisher per Taste. Einen Widersacher in der Luft zu jonglieren oder Kombos zu erzielen, scheint mir etwas einfacher geworden zu sein, verglichen mit den alten Mortal-Kombat-Teilen. Das System verzeiht mir auch ein nicht ganz so sauberes Timing. Geblieben sind die recht steif wirkenden Sprungmanöver der Charaktere - hier könnten sich die Macher etwas von der Dynamik anderer Titel abgucken.

Einsteiger ins Kampfspiel-Genre sollten dennoch keine Probleme haben. Ein umfangreiches Tutorial bringt einem alles Nötige bei. Ein Trainings-Modus mit diversen Gegner-Einstellungen ist auch mit an Bord und im leichtesten Schwierigkeitsgrad schlägt die KI sowieso nur alle paar Minuten. Ehrlich - wer ein bisschen Erfahrung mit solchen Spielen hat, sollte mindestens auf "Schwer" loslegen.

Das Batmobil fährt auch im Weltraum

Ist die Leiste für Super-Aktionen am unteren Bildrand nach einigen eingesteckten Treffern und ausgeteilten Spezialmanövern voll, reicht ein Druck auf die beiden Schultertasten und euer Kämpfer entfesselt eine verheerende Attacke, die einen gewaltigen Happs der feindlichen Lebensleiste schluckt. Gleichzeitig haben sich die Entwickler bei den Animationen alle Zügel fahren lassen - keine Idee ist zu abgefahren, sobald die Helden vollgeladen sind.

In der Bathöhle liegen Granaten rum - ideal für einen Konter

Batmans Special-Move zum Beispiel besteht aus einer Reihe Kombo-Manöver, gefolgt von einer Frontalkollision mit dem Batmobil. Auf Gothams Straßen kein Thema. Aber auf einem Hausdach? In Atlantis? Oder im geostationär schwebenden Watchtower der JLA? Da staunt der Laie und der Nerd wundert sich - bevor er fies auf Twitter lästert. Aber Spaß beiseite. Ist schließlich das Batmobil. Wenn ein Fahrzeug solche Wunder vollbringt, dann doch wohl dieses. Andere Super-Attacken sind übrigens auch nicht realistischer: Aquaman beschwört selbst im Weltraum noch Tsunamis mit Haien, Doomsday prügelt jeden sterblichen gleich zweimal durch die Erdkruste, Sinestro zerquetscht seine Opfer zwischen Asteroiden im Mond-Format und Wonder Woman reist stets mit zwei Amazonen im Handgepäck. Überzogen, ja. Aber auch irgendwie lässig.

Nicht weniger reingehängt haben sich die Entwickler bei der Inszenierung der mehrstöckigen Kampfarenen. Der Look der Schauplätze ist klasse - da haben Kenner an den Zeichenbrettern gesessen. Überall sind Gegenstände und Fallen verteilt, die man seinen Gegenspielern per Tastendruck um die Ohren hauen kann. Am Rande der Schauplätze sorgt ein beherzter Tritt für einen unsanften Übergang auf die nächste Ebene. Da rauschen Superhelden wild schreiend durch die Phantomzone, werden vor U-Bahnen und Abrissbirnen geworfen, reiten auf Explosionswellen durch Kamine oder geraten in die Fänge diverser Superschurken - was köstliche Cameo-Auftritte bedeutet. Auch hier überschreiten die Damen und Herren von NetherRealm mehr als einmal die Grenze zur Übertreibung. Mich hat es nicht gestört, aber ich kann Fans verstehen, die sich da über den endgültigen Bruch der Immersion beklagen.

Warum Mehrspieler mehr ballern als Prügeln

Was in meinen Augen schwerer wiegt: Im Multiplayer können die Super-Aktionen und interaktiven Kampfarenen den Rhythmus und die Balance der Partien erheblich durcheinanderbringen. Schäden beim Übergang von einer Ebene zur anderen lassen sich nämlich nicht blocken, während der Combo-Zähler munter ansteigt.

Besonders beliebt sind Deathstroke und Harley Quinn. Deren Pistolen- und Gewehrsalven kann man kaum ausweichen.

Flash und Nightwing sind die schnellsten Nahkämpfer im Line-up

Ähnliches gilt für das sogenannte Wager-System. Damit zwingt man dem Gegner einmal pro Partie einen Kräftevergleich auf und setzt dabei einen Teil seiner Superaktionen-Energieleiste ein. Der Gegner muss ebenfalls festlegen, wie viel der kostbaren Ressource er riskiert. Dann knallen die Kämpfer mit (ziemlich launigen) One-Linern spektakulär aufeinander. Kombos werden dabei unterbrochen. Gewinnt man die Wette, wird die Lebensenergie aufgefüllt. Verliert man sie, nimmt man Schaden. Wer stets die Leiste des Gegners im Blick behält und geschickt einen Wager auslöst, kann sich somit in letzter Sekunde den Hals retten und das Match zu seinen Gunsten wenden.

Allzu unbalanciert würde ich den Mehrspieler-Part deswegen trotzdem nicht nennen. Zugegeben: Zurzeit greifen viele Einsteiger auf Fernkämpfern mit Kugelspam-Potential zurück. Besonders beliebt sind Deathstroke und Harley Quinn. Deren Pistolen- und Gewehrsalven kann man kaum ausweichen. Es gibt zwar Recken, in deren Repertoire potenzielle Gegenmaßnahmen schlummern (Aquaman, Killer Frost), doch bringen diese Kämpfer andere Schwächen mit, die ihren Einsatz erschweren. Ich denke trotzdem, dass angesichts des großen Kämpfer-Rasters bald jemand die passenden Konter beisammenhat und die nächste Evolutionsstufe einläuten wird. Gegen nervige 'Ha-Do-Ken-Hagel' in Street Fighter hat man ja schließlich auch irgendwann ein Kraut gefunden.

Catwoman hat stets ein paar schlagende Argumente parat

Wo wir gerade beim Mehrspieler-Modus sind: Da hätten es ruhig mehr Features sein dürfen. Daheim an einer Konsole können zwei Spieler einander die Super-Köpfe zerdeppern. Online gibt es ein Ranking, Lobbies, eigene Räume, Eins-gegen-Eins-Kämpfe mit Matchmaking sowie einen King-of-the-Hill- und einen Survival-Modus. Während der Matches darf man den Spielern in derselben Lobby zusehen (besonders beim King-of-the-Hill unterhaltsam, weil man auf den Ausgang Wetten abschließt). Ansonsten kann man sich ein Banner für das eigene Profil zusammenstellen oder mit Freunden ein paar Sparrings-Runden austragen. Alles gut und schön, aber recht konventionell. Warum nicht jene Sonderregeln für den Mehrspieler-Modus erlauben, die auch den Einzelspieler-Part versüßen?

Neben der Story gibt es nämlich als einsamer Wolf eine ganze Menge zu tun. Man kann sich in klassischer Mortal-Kombat-Manier an die Spitze einer zufälligen Gegner-Zusammenstellung prügeln. Außerdem gibt es besagte freischaltbare Modifikationen, wie zum Beispiel "Besiege den Feind, bevor Du ausblutest" oder "Beginne das Match mit 25 Prozent Lebensenergie". Ganz interessant sind die sogenannten S.T.A.R. Labs Missionen. 240 Szenarien stehen zur Wahl - zehn für jeden Charakter. Da zertrümmert Batman Panzer oder muss sich mit Scarecrows Halluzinationen herumärgern, Superman rettet Zivilisten vor explodierenden Fässern und Catwomans Katze Isis infiltriert ein schwer bewachtes Museum. Die Mini-Einsätze rangieren von "Naja" über "Nett" bis "Bravo!" Ob sie mich tatsächlich langfristig motivieren, wage ich zu bezweifeln. Aber was tut man nicht alles für freischaltbaren Content. Und davon gibt es einiges: neue Kostüme, Artworks, Musik, Einzelspieler-Modi und Banner-Bausteine. Mit jedem Kampf - Einzel- und Mehrspieler - gewinnt man Erfahrungspunkte und einen Level, mit dem neue Inhalte zugänglich werden. Hat zwar fürs Ranking im Mehrspieler-Modus keine Bedeutung, ist aber ein feines Sahnehäubchen.

Ohne Zweifel besitzt Injustice: Gods Among Us den interessantesten Story-Part, der mir bei einem Prügelspiel je untergekommen ist. Der hätte darum gerne noch mal eine Stunde länger dauern dürfen. Die restlichen Features im Einzel- und Mehrspieler-Modus fallen eher konventionell aus, sind aber handwerklich sehr gut gelungen. Ein paar zusätzliche Mehrspieler-Modi und -Funktionen hätte ich mir gewünscht. Auch zum Thema Balance ist wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen. Der Multiplayer wäre somit ein idealer Anküpfungspunkt für DLC-Pakete. Was mich bei dem Titel hingegen vom Fleck weg begeistert hat, war die Umsetzung der Charaktere und Schauplätze. Keine Selbstverständlichkeit für ein Lizenzprodukt. Egal ob Charakterdesigns, Animationen, Superkräfte, Sprüche, Umgebungs-Gimmicks oder Arena-Übergänge: Alle Puzzlestücke passen hervorragend zusammen und ergeben ein rundes Gesamtbild, das nicht nur Hardcore-DC-Fans überzeugen dürfte.

8 / 10

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In diesem artikel

Injustice: Gods Among Us

iOS, PS3, Xbox 360, Nintendo Wii U

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Frank Erik Walter

Freier Redakteur

Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.

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