Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Call of Juarez: Gunslinger und der lange Ritt nach Hause.

Mit der Rückkehr in den Westen will Techland den angeschlagenen Ruf wieder geradebiegen.

Der Ausflug in die Neuzeit in The Cartel hat der an sich eigentlich ganz respektablen Call-of-Juarez-Reihe vor zwei Jahren fast Kopf und Kragen gekostet. Es war ein hässliches, unangenehmes und inhaltlich geradezu bedenkliches Spiel, das den Hintergrund, vor dem es sich in Szene zu setzen versuchte, nicht verstand. Zumindest hoffe ich, dass hier nicht mit Absicht einige Tatsachen verdreht wurden und dass das Gang-Bang-Achievement eine schlechte Idee war, sieht hoffentlich mittlerweile auch Techland so.

Die beinahe reuige Rückkehr zu den Wurzeln der Reihe in Gunslinger macht jedenfalls den Eindruck, als fühlten sich die Polen in den sorgenfreien Gewässern des Italo-Westerns deutlich wohler. Den Brüdern McCall kehrte man dennoch den Rücken und so erlebt man das Spiel durch die Augen eines alternden Revolverhelden, der in einem Saloon seine Geschichte erzählt. Wie Seemannsgarn, nur trockener und zu Whiskey anstatt Rum, kann man sich dabei niemals sicher sein, ob der mysteriöse Gunslinger all die Schießereien überhaupt erlebt hat.

Das Cel-Shading tut dem Flair gut. Fast fühlt man sich an Outlaws erinnert.

Laut Blazej Krakowiak, International Brand Manager bei Techland, der uns das Spiel vorstellte, sei vieles der Mythenbildung um Billy the Kid und Konsorten im alten Westen auf Lagerfeuer- und Bar-Überlieferungen zurückgegangen. Optimal für einen Spieleentwickler, erzählerisch dazwischenzustoßen und die Ereignisse ein bisschen zu verdrehen. Während der Spieler also die Rückblenden in gewohnter First-Person-Manier als geradlinigen Shooter nacherlebt, ertönt der Südstaaten-Drawl des Gunslingers, der die Geschehnisse raubeinig mit Worten ausmalt. In einem netten Twist werfen ab und zu seine Zuhörer Fragen und Einwände ein, woraufhin der Held der Geschichte sogar seine Erzählung gelegentlich anpasst, etwa, wenn eine Kavallerie dann doch nicht, wie eigentlich gedacht, in den Kampf eingriff.

Geradeaus wie eine Kugel

Kein Shakespeare sicherlich, vermutlich nicht einmal Karl May, aber der Ansatz der Erzählung ist ein netter. Spielerisch ist es sehr gradlinig, ein Korridor, zwei Waffen und jede Menge Gegner zwischen A und B. Die Zeitlupe, die ich fast "Deadeye" genannt hätte, ist zurück und setzt die Shootouts nett in Szene. Und sogar der Duellmodus der Originale darf wegen der Zurückverlegung in den alten Westen wieder mit dabei sein und macht Spaß wie eh und je. Bei meinem Durchlauf durch einen Level, in dem man sich gerade den Zug-Überfall einer damals tatsächlich existierenden Bande einklinkt, um den Räubern den Garaus zu machen, entwickelte sich ein schneller, sehr actionbetonter Schlauch mit viel Krachbumm und durchaus gut rübergebrachtem Western-Charme. Besonders die Waffen gefielen, sie sahen vielleicht nicht unbedingt realistisch, dafür aber authentisch aus, klangen gut und fühlten sich auch so an, auch wenn die Kollisionsabfrage ab und an einen klaren Treffer nicht registrierte. An diesem Punkt der Entwicklung nichts Außergewöhnliches.

Neu war eine Fähigkeit namens Sense of Death, die von einem Balken zehrt, der sich mit der Zeit und für Abschüsse auflädt. Ist der Balken voll bekommt ihr die Gelegenheit einer normalerweise tödlichen Kugel in einer automatisch zugeschalteten Super-Zeitlupe auszuweichen. Leichter gesagt, als getan, denn die Richtung eures Ausweichmanövers muss immer noch stimmen, um dem heißen Blei zu entgehen. Insgesamt tatsächlich gut anzuschauen, was durchaus auch daran liegt, dass man sich mittlerweile für eine Art Cel-Shading-Stil mit feinen Umrandungen aller Polygonmodelle entschieden hat. Die gewählte Farbpalette sieht der Epoche angemessen rustikal aus und wenn dann mal Blut spritzt, ist das beinahe so übertrieben stilisiert und comichaft wie in Quentin Tarantinos letztem Streifen.

Die Brüder McCall spielen keine Rolle mehr, jetzt ist der Gunslinger an der Reihe.

Zugegebenermaßen ist das alles ein bisschen malen nach Zahlen, gerade weil die unsichtbaren Wände doch ziemlich auffielen. Einige Stellen hätten durchaus passierbar sein können, ließen sich aber nicht überwinden. Und während ich mich so durch den zerstörten und halb eine Schlucht heruntergestürzten Zug schoss, konnte ich förmlich die Uhr zur unweigerlichen Geschütz-Ballersequenz runterticken hören. Und doch fühlte ich mich für die Dauer des kurzen Abschnittes ganz gut und vor allem mit nettem Cowboy-Flair unterhalten.

Und wenn es nur ein Schluss ist, den ich aus meinem kurzen Erstkontakt mit Call of Juarez: Gunslinger ziehe, dann diesen. Extrem kurzweilig, sicher nicht allzu nachhaltig beeindruckend, zieht der neueste Teil der Reihe viel Energie aus der Tatsache, dass er "nur" als Download-Titel geplant ist. Es ist in vielfacher Hinsicht ein Blick zurück in unschuldigere Zeiten: für die Zeitlinie der Reihe an sich, aber auch für Techland als Studio, die sich mit dem letzten Serieneintrag so vergriffen. Bleibt das Spiel gleichbleibend unterhaltsam, ist es wieder okay, diese Reihe gut zu finden.

In diesem artikel

Call of Juarez: Gunslinger

PS3, Xbox 360, PC, Nintendo Switch

Verwandte Themen
Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

Kommentare