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Rising Storm - Test

Mächtige Amerikaner gegen listige Japaner. Und dennoch kein ungleiches Duell.

Bin ich eigentlich der Einzige, der den Wunsch hegt, mal wieder einen vernünftigen Shooter im Zweiten Weltkrieg zu spielen? Wenn ich da an Medal of Honor: Allied Assault, Brothers in Arms oder das erste Call of Duty zurückdenke, kommen zumindest mir viele, viele unterhaltsame Stunden in den Sinn. Heute gibt es hier ein modernes Szenario, da ein modernes Szenario, dort wiederum ein leicht futuristisches. Ist alles schön und gut, aber ein Medal of Honor, das wieder zu seinen Wurzeln zurückkehrt, würde ich zum Beispiel mit offenen Armen empfangen.

Rising Storm kann meine Wünsche in dem Punkt nur zur Hälfte befriedigen, konzentriert es sich doch ausschließlich auf den Multiplayer und lässt Singleplayer-Inhalte abseits des Tutorials außen vor. Macht aber nichts, denn der Nachfolger von Red Orchestra und Red Orchestra 2: Heroes of Stalingrad macht genau da weiter, wo die Vorgänger aufhörten - und sein vornehmlich Multiplayer-orientiertes Zielpublikum glücklich.

Sonne, Strand und Explosionen

Während die beiden Red-Orchestra-Titel sich noch ausschließlich den Kämpfen an der Ostfront widmeten, verlagert sich das Geschehen in Rising Storm kurzerhand ein paar Tausend Kilometer weiter in die verbittert umkämpfte Pazifikregion. Hier gehen Amerikaner und Japaner aufeinander los, streiten sich mit bis zu 64 Spielern um Inseln wie Iwo Jima oder Pelelui, stürmen Strände, verstecken sich im Dschungel und fügen sich gegenseitig schwere Verluste zu.

Rising Storm spricht dabei wie Red Orchestra eher ein Nischenpublikum an - verglichen mit Call of Duty, Battlefield und Co. Wenn ihr das Spiel wie die eben genannten anpackt, werdet ihr gnadenlos untergehen. Im Gegensatz zur Mehrheit der Konkurrenz setzt man hier nämlich auf knallharten Realismus. Das heißt: Fadenkreuz? Auf keinen Fall! Mehrere Treffer einstecken? Davon träumt ihr! Besonders im Realismus- oder Klassik-Modus kommt es auf eine besonnene Vorgehensweise an, denn hier bedeutet ein Treffer in vielen Fällen bereits das Ende. Habt ihr Glück, steckt ihr nur einen Streifschuss ein, den ihr mit Verbandsmaterial behandeln könnt. Wenn ihr nur blind nach vorne stürmt, ist das hier das falsche Spiel für euch.

”Besonders im Realismus- oder Klassik-Modus kommt es auf eine besonnene Vorgehensweise an, denn hier bedeutet ein Treffer in vielen Fällen das Ende.”

Die Amerikaner setzen auf starke Feuerkraft.

Es gibt nun zwar einen Action-Modus, der sich mehr an das CoD- oder Battlefield-Publikum richten soll und in dem ihr etwas mehr aushaltet. Dennoch könnt ihr auch hier noch ganz schnell ins Gras beißen. Und es ist irgendwie auch nicht Red Orchestra/Rising Storm, wie man es eigentlich genießen sollte. Nämlich so, wie es gedacht ist: realistisch und langsam. Das Spiel läuft wirklich deutlich gemächlicher ab als viele andere Titel, was eben an dem angestrebten Realismus liegt. In Deckung zu sein, ist der Schlüssel zum Überleben. Lauft ihr viel herum, seid ihr nicht viel mehr als eine bewegliche Zielscheibe für den Feind.

Ähnliches gilt für das Feuern an sich. Ein paar kontrollierte Salven oder Deckungsfeuer abgeben - wobei ihr auch die Entfernung zum Ziel und das Absenken der Kugel-Flugbahn berücksichtigen müsst -, dann wieder verbergen. Wer zu lange hervorschaut, kann sich gleich eine Zielscheibe als Hut aufsetzen. Selbst im Action-Modus gibt es daher so gut wie kein Run-and-Gun-Gameplay. Als Neueinsteiger müsst ihr euch jedoch zwangsweise erst einmal mit dem Action-Modus begnügen, denn in die realistische Spielvariante darf man sich erst ab Level 13 stürzen. Womöglich, um Neulinge nicht sofort abzuschrecken.

David gegen Goliath

Eine weitere Besonderheit ist das - wie Entwickler Tripwire es bezeichnet - asymmetrische Gameplay von Rising Storm. Wo die Konkurrenz die Teams mit ähnlichem Inventar ausstattet, orientiert man sich hier an der Realität. Das bedeutet konkret, dass euch aufseiten der Amerikaner mächtige Feuerkraft erwartet, darunter Flammenwerfer, halb automatische Gewehre und vollautomatische Waffen, mit der die Japaner zumindest in der Theorie nicht mithalten können. Doch es ist ja bekanntlich nicht immer der Stärkste erfolg- oder siegreich. Und was den Japanern hier und da vielleicht an Feuerkraft mangelt, machen sie durch ihre listige Vorgehensweise wieder wett.

”Was den Japanern hier und da vielleicht an Feuerkraft mangelt, machen sie durch ihre listige Vorgehensweise wieder wett.”

Keine Zeit für Urlaub am Strand.

Die Japaner können etwa ihre Granaten nutzen, um im Sand oder im normalen Erdboden Sprengfallen zu platzieren, nicht aber auf Beton- oder Holzuntergrund. Weiterhin haben sie die Möglichkeit zu Selbstmordangriffen, indem sie mit einen scharfen Granate in eine Gegnergruppe rennen, ohne dafür irgendwelche Strafen (Minuspunkte für euch und das Team) einstecken zu müssen. Zu guter Letzt gibt es noch den Banzai-Angriff. Hierbei haltet ihr den Sprint- und Nahkampf-Button gedrückt und stürzt euch in Richtung Gegner, wobei ihr in diesem Modus länger sprinten und mehr aushalten könnt als sonst üblich. Das hat wiederum auch einen Effekt auf den Gegner und dessen Moral, was das Zurückfeuern für die Amerikaner schwieriger gestaltet. Wenn mehrere Leute in einer Gruppe den Banzai-Angriff durchführen, verstärkt sich dieser Effekt noch mehr.

Überhaupt kommt es in Rising Storm auf Teamarbeit an. Kills anzuhäufen mag zwar vielleicht euer Ego vergrößern, bringt dem Team aber relativ wenig, denn hier kommt es auf das Erobern und Verteidigen von bestimmten Punkten auf der Karte an. Wenn man Kollegen sieht, die sich abseits dieser Ziele einzig mit dem Sammeln von Kills beschäftigen, möchte man ihnen am liebsten selbst eins mit dem Gewehrkolben verpassen.

Die Lernkurve von Rising Storm ist jedenfalls wie auch in Red Orchestra steil. Wenn ihr ein Problem damit habt, häufig ins Gras zu beißen, sucht ihr euch lieber etwas anderes. Es gibt wohl gute Gründe dafür, warum man bei den Statistiken in einem Match nicht sieht, wie oft man gestorben ist. Das Spiel zu meistern, braucht seine Zeit. Und viel Geduld. Am Ende ist es dafür aber umso lohnenswerter.

Rising Storm ist kein Spiel, in dem jeder wild durch die Gegend rennen sollte.

Ein großes Paket

Wenn ihr Rising Storm kauft, bekommt ihr übrigens noch die Multiplayer-Inhalte aus Red Orchestra 2: Heroes of Stalingrad als kostenlosen Bonus mit dazu. Wenn ihr wollt, könnt ihr also jederzeit einen kleinen Ausflug zur Ostfront machen, wenn es euch im virtuellen Dschungel zu heiß wird - alles läuft im gleichen Client und Server-Browser ab. Darüber hinaus unterstützt Rising Storm den Steam Workshop, für den ihr mit dem SDK auch eigene Maps oder Mods produzieren könnt. Und zum guten Ton gehören in heutigen Multiplayer-Shootern natürlich auch Statistiken. Ihr steigt im Rang auf, verdient euch Erfolge und macht euch selbst zum Kriegshelden - mehr oder weniger.

Rising Storm ist ein sehr spezielles Spiel. Aber von Tripwire Interactive konnte man auch nichts anderes erwarten. Dem bekannten, realistischen und nach wie vor sehr guten Red-Orchestra-Gameplay spendiert man mit dem Pazifik-Szenario einen frischen und willkommenen Anstrich. Und obwohl das Kräfteverhältnis im Spiel zumindest auf dem Papier eher in Richtung der Amerikaner tendiert, merkt man während eines Matches doch zumeist eher wenig davon. Es kommt nicht immer auf die größeren Kanonen an und Rising Storm verdeutlicht das sehr gut. Wenn ihr also ausreichend Geduld mitbringt, lernbegierig seid und nicht gleich ins Keyboard beißt, wenn ihr nach einem Treffer zu Boden geht, ist Rising Storm genau euer Spiel. Und die Red-Orchestra-Veteranen unter euch wissen ja im Grunde sowieso schon, was sie hier erwartet.

8 / 10

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