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Wargame: AirLand Battle - Test

Versprüht den Charme eines Add-ons, allerdings zum vollen Preis.

Eine Sache, die Wargame: European Escalation in meinen Augen mit das Genick gebrochen hat, war die Tatsache, dass es keine Kampfflugzeuge gab. Hallo? Kalter Krieg ohne Flugzeuge? Irgendein moderner Krieg ohne Flugzeuge? Ich weiß nicht, was sich Eugen Systems damals dabei gedacht hat, aber es verpasste dem ansonsten doch so realitätsnah angehauchten Strategiespiel doch einen deutlichen Knacks.

Beim Nachfolger AirLand Battle hat man - wie der Titel schon unmissverständlich andeutet - nun erfreulicherweise dazugelernt. Soll heißen: Ihr dürft endlich auch Kampfflugzeuge in die Schlachten führen, die sich zudem ganz gut in das aus dem Vorgänger bekannte Gameplay einfügen. Hinsichtlich ihrer Steuerung gibt es aber ein paar Unterschiede zu den restlichen Truppentypen. Denn die Flugzeuge befinden sich nicht ständig auf der Map, sondern ziehen sich wieder zurück, wenn ihr Treibstoff oder ihre Munition zur Neige geht. Dann brauchen sie ein wenig Zeit zum Nachladen oder Reparieren.

Sofern sie sich aber gerade im Einsatzgebiet aufhalten, könnt ihr ihnen ein Ziel nach dem anderen zuweisen. Verschiedene Flugzeugtypen vollführen dabei wie die Bodeneinheiten auch unterschiedliche Aufgaben. Da gibt es etwa die besonders mächtige A-10 Warthog, die mit ihren Raketen und ihrer Gatlingkanone so ziemlich jedem Gegner ordentlich einheizen kann, egal ob am Boden und in der Luft. Es hat schon etwas Einschüchterndes an sich, wenn die Warthog schnurstracks auf ihr Ziel zuhält und dann das laute Dröhnen der Bordkanone ertönt. Zudem ist die A-10 stärker gepanzert als andere Kampfjets, etwa die F-16. Einige der Flugzeuge können auch Ziele am Boden unter Beschuss nehmen, andere dienen hauptsächlich zum Luftkampf.

Angepasste Taktik

Das verändert auch das taktische Vorgehen, das ihr vielleicht aus dem Vorgänger noch kennt. Aufgrund der neuen Flugzeuge nimmt verständlicherweise die Luftabwehr eine etwas tragendere Rolle ein und dient nicht mehr alleine zur Bekämpfung von Helikoptern. Und so mächtig die Jets einem auf den ersten Blick erscheinen mögen, mit einer gut platzierten Luftabwehr kann man sich hier sehr gut verteidigen und den Angreifer unangenehm überraschen. Unverständlich ist übrigens, warum die Flugzeuge selbst keine Einheiten aufspüren können. Selbst bei Beschuss bekommt man keine klaren Ziele geliefert, sondern braucht möglichst Aufklärungseinheiten in der Nähe, um sich ein genaues Bild zu verschaffen und nicht blind Positionen angreifen zu müssen.

”Es hat schon etwas Einschüchterndes an sich, wenn die Warthog schnurstracks auf ihr Ziel zuhält und dann das laute Dröhnen der Bordkanone ertönt.”

Erinnert ein wenig an Total War. Mehr aber auch nicht.

Wie auch beim Vorgänger liegt das Hauptaugenmerk von AirLand Battle auf dem Multiplayer-Modus. Insbesondere hier bringen die Flugzeuge eine neue taktische Komponente ins Spiel, die viele Spieler zum Umdenken zwingen wird. Wer einen Verteidigungsring aufbauen will, muss etwa genau diesen Aspekt stärker berücksichtigen und zusätzliche Luftabwehr heranschaffen, was wiederum mehr Punkte kostet. Aber andererseits weiß man auch nie so richtig, was der Gegner nun genau aufs Schlachtfeld befördert.

Das sorgt in den Matches, in denen bis zu 20 Spieler auf einer Karte spielen, für Spannung und ein etwas höheres Tempo als bislang. Auch AirLand Battle ist eines dieser Spiele, das man aufgrund seines konsequent durchgezogenen Stein-Schere-Papier-Prinzips erst einmal meistern muss. Und dabei kommt es ja nicht nur auf eure kämpferischen Fähigkeiten an, denn ohne Treibstoff- und Munitionsnachschub ist selbst die größte Armee nicht viel mehr als eine kostspielige Zielscheibe. Bis ihr all die Feinheiten, all die Möglichkeiten der einzelnen Truppentypen kennt, vergeht einiges an Zeit. Wie gewohnt kann jeder Spieler vorab sein eigenes Deck beziehungsweise seine eigene Armee zusammenstellen. Die Möglichkeiten sind aufgrund Hunderter Einheiten - manche davon werden erst durch Punkte und Levelaufstiege freigeschaltet - jedenfalls ziemlich groß. Anders gesagt: Man hat eine gewaltige Auswahl und kann wirklich völlig unterschiedliche Spielstile ausprobieren - vom rein auf die Luftfahrt spezialisierten Kommandeur bis hin zu jemandem, der sich ausschließlich auf Bodenfahrzeuge konzentriert. Oder irgendwas dazwischen.

Und da man ja wie gesagt nie weiß, was der Gegner so in die Schlacht schickt, gibt es stets eine ungewisse Komponente. Vertraut ihr auf euer bewährtes Setup? Geht ihr etwas mehr Risiko ein? Oder stimmt ihr euch bis ins letzte Detail mit euren Teamkameraden ab? Das sind Entscheidungen, die durchaus schon vor dem eigentlichen Spielbeginn ein wenig über Sieg und Niederlage mitentscheiden können. Und bei hohen Punktelimits ziehen sich die Matches dann letztlich schon mal über mehr als eine Stunde hin.

Merkt euch: Wenn ein Panzer durch den Garten fährt, ist es an der Zeit, in Deckung zu gehen.

Wenig Spaß für Solisten

Eine Solo-Kampagne bringt AirLand Battle zwar auch mit sich, aber wie schon bei European Escalation versprüht diese nicht wirklich viel Spielspaß. Hier setzt man euch eine Karte der skandinavischen Staaten vor, die ein wenig an Total War erinnert. Von dessen Tiefgang und Interaktivität ist man hier aber sehr weit entfernt. Ihr schiebt eure Truppen hin und her, bekommt Punkte für eroberte Sektoren, mit denen ihr wiederum Nachschub heranschaffen oder Specials einsetzen könnt. Letztere blockieren dann etwa die Luftstreitkräfte des Gegners für einen Tag in einem bestimmten Sektor oder senken seine Moral, wodurch er weniger Startpunkte zur Verfügung hat.

Der Aufbau ist für alle vier Kampagnen gleich und die Inszenierung ist - freundlich ausgedrückt - ziemlich trocken. Ein paar Texte hier und da, ihr bekommt euer Kampagnen-Ziel genannt und dann lässt man euch ziemlich alleine. Spannung? Nicht vorhanden. Stattdessen absolviert ihr immer nur nach und nach relativ identisch ablaufende Gefechte mit mal mehr, mal weniger Startpunkten. Wo ist die Variation? Die Abwechslung? Da könnt ihr auch gleich Skirmish-Matches gegen die KI spielen und verpasst nicht viel.

Die Matches dauern stets 20 Minuten und es gibt verschiedene Siegbedingungen. Entweder erreicht ihr durch zerstörte Gegner eine bestimmte Zahl an variierenden Punkten, die unter anderem von der Moral eurer Truppe abhängt. Oder aber ihr zerstört alle gegnerischen Kommandofahrzeuge, mit denen sich Sektoren erobern lassen. Steht eine Seite ohne Sektoren und solche Vehikel da, heißt es für sie Game Over. Ansonsten gibt es nach Erreichen des Zeitlimits ein Unentschieden und es wird am nächsten Tag weitergekämpft - in vorherigen Matches vielleicht schon eroberte Sektoren werden dabei jedoch nicht berücksichtigt. Also alles auf Null, von geänderten Startpunkten und Siegpunkten mal abgesehen.

”Es kommt nicht nur auf eure kämpferischen Fähigkeiten an, denn ohne Treibstoff- und Munitionsnachschub ist selbst die größte Armee nicht viel mehr als eine kostspielige Zielscheibe.”

Auf Dauer ist das schlicht und ergreifend ziemlich monoton und demotivierend, wenn man zum gefühlt 50. Mal ein Gefecht auf der gleichen Karte austrägt und sich der Ablauf mal wieder ähnelt. Auch bei AirLand Battle gilt also wieder: Interessiert ihr euch für eine gute Strategie-Kampagne, seid ihr hier definitiv falsch. Im Vergleich zu European Escalation stellt das hier sogar einen Schritt zurück dar.

Technische Kinderkrankheiten

Auch technisch hat AirLand Battle noch mit einigen Kinderkrankheiten zu kämpfen, die bereits European Escalation plagten. Fahrzeuge brettern schon mal munter durch Seitenteile einer Brücke von Häusern oder durch Bäume hinaus - das stört den ansonsten wirklich gelungenen Eindruck des in vielen Stufen rein- und rauszoombaren Schlachtfelds. Ebenso sind die Brücken an sich weiterhin nicht zerstörbar. Unverständlich, wäre es doch auch eine weitere taktische Komponente und könnte zudem um den Bau eigener provisorischer Flussübergänge ergänzt werden.

Auch manche Sichtlinie erscheint nicht immer ganz nachvollziehbar. Feindliche Soldaten in einem Haus verschwinden etwa sofort als Ziel von der Karte, wenn sich ein Panzer nur ein paar Zentimeter weiter vor ein anderes Haus bewegt und sie nicht mehr direkt sieht. Das nervt vor allem bei größeren Schlachten in Dörfern, wenn so zum Beispiel innerhalb von Sekundenbruchteilen plötzlich mal Gegner auftauchen und wieder verschwinden, bevor ihr sie dann ein paar Meter weiter wieder ins Visier nehmen könnt. Ähnliches gilt für Ziele, die ein Aufklärungshelikopter aufspürt. Setzt er zur Landung an, ist es so, als hätte man die gegnerischen Truppen nie gesehen. Dass man sie vom Boden aus nicht mehr weiterverfolgen kann, ist logisch, doch zumindest die letzte bekannte Position könnte das Spiel noch anzeigen.

”Die Kampagne hätte sich Eugen Systems hingegen gleich schenken können.”

Die A-10 macht mit Gegnern kurzen Prozess.

Grafisch sieht AirLand Battle auf der höchsten Detailstufe wie schon European Escalation sehr ansprechend aus, glänzt mit vielen Details bei Umgebung und Einheiten sowie schicken Effekten. Das alles lässt sich auf schwächeren Rechnern auch entsprechend herunterregeln, falls es nötig sein sollte.

Alles in allem versprüht der jüngste Teil der Reihe aber eher den Charme eines Add-ons, für das man den vollen Preis verlangt. Keine Frage, die Flugzeuge sind toll und merzen einen meiner größten Kritikpunkte am Vorgänger aus. Gleichzeitig machen sie die Gefechte noch taktischer und zwingen euch dazu, eure Strategie noch genauer zu planen. Hinzu kommen noch einige weitere neue Einheiten, kleinere Verbesserungen am Gameplay und Multiplayer. Aber das war's dann eben auch schon. Die Kampagne hätte sich Eugen Systems hingegen gleich schenken können. Vielleicht sollte man das für den etwaigen nächsten Teil in Betracht ziehen und die Zeit, die man darin investiert hat, lieber in andere Bereiche stecken, um diese zu perfektionieren.

So hinterlässt AirLand Battle bei Besitzern des Vorgängers angesichts des Preises doch einen faden Nachgeschmack, für sich alleine genommen ist es aber dennoch ein gutes, Multiplayer-orientiertes und sehr taktisches Strategiespiel - und dahin gehend besser als sein Vorgänger. Wenn euch genau danach der Sinn steht, werdet ihr hier sicherlich glücklich, auch wenn es hier und da durchaus noch Potenzial zur Verbesserung gibt.

7 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Benjamin Jakobs

Leitender Redakteur News

Benjamin Jakobs ist Leitender Redakteur, seit 2006 bei Eurogamer.de und schreibt News, Reviews, Meinungen, Artikel und Tipps.
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