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Dota 2 - Test

Ein Spiel, sie zu knechten.

Egal ob man es nun MOBA (Multiplayer Online Battle Arena) oder ARTS (Action Real Time Strategy) nennt, es ist eines der interessantesten Spielgenres der letzten Jahre und außerdem eines der erfolgreichsten. Schließlich gibt es kaum einen PC-Spieler, der komplett um League of Legends herumkam oder nicht zumindest irgendwas schon mal davon gehört hat. Über 30 Millionen aktive Spieler zeugen vom Erfolg von "LoL" (League of Legends), begründet wurde das Genre jedoch anno 2003 als Kartenmodifikation für Warcraft 3, genannt DotA (Defense of the Ancients). Jahre später lockt das Spiel dank Valve und den Entwicklern der einstigen Mod sämtliche Steam-User, nach über zwei Jahren Beta-Status und Dota 2 Beta-Key-Bombardement.

Die Qual der Wahl: Über 100 Helden stehen zur Auswahl. Viele davon sind bereits bekannt aus DotA 1.

Einfach zu lernen, fast unmöglich zu meistern, dieses Motto passt so gut zu Dota 2 wie zu kaum einem anderen Spiel. Spielerisch findet ihr euch mit einem zuvor gezielt oder zufällig ausgewählten Helden als Teil eines Teams von vier anderen Spielern auf der Arena-Karte wieder. Die genretypische Map besteht aus zwei gegenüberliegenden Basen, die mit drei Wegen miteinander verbunden sind. Das Ziel ist klar definiert: es gilt die Basis der gegnerischen Fraktion zu zerstören, wobei man allerdings zunächst darauf angewiesen ist, jeweils drei Wachtürme pro Weg zu zerstören. Fallen diese, ist der Weg zum Basis-Kern frei und ein "gg" (good game) im Chat sorgt für Freuden- oder Trauertränen. Angetrieben wird der Sturmlauf auf die Basis zusätzlich zu den Spielerhelden mit computergesteuerten Helfern, die in kleinen Grüppchen die Wege von Basis zu Basis rauf und runter laufen. Die Kunst als Held ist es nun, mithilfe dieser NPC-Grüppchen auf den Wegen an Erfahrungspunkte zu kommen und die Chance des letzten Schlags zu nutzen, um somit zusätzliches Gold zu erhalten. Aufsteigende Level schalten zusätzliche Fähigkeiten frei und dieser Zugewinn an Gold wird genutzt, um seinen Helden mit Items aus dem Shop zu verbessern. Eigentlich ganz einfach, oder?

Welcome to Dota 2. You suck!

Der eigentliche Teufel steckt wie so oft im Detail und eben dies macht den großen Reiz an Dota 2 aus. Es gibt nicht wenige Helden, sondern über 100. Jeder Held bringt eine veränderte Spielweise mit sich, setzt auf gänzlich unterschiedliche Fähigkeiten und Gegenstände. Ausgehend von den zwei verschiedenen Heldenrollen "Carry" und "Support", wird mit der Wahl eurer Spielfigur auch eure Funktion bestimmt. Der Carry trägt das Spiel, Support unterstützt die Teammitglieder und vor allem den Carry so gut es geht. Unterrollen gibt es auch, doch das würde zu sehr ins Detail gehen. Entscheidend ist die Vielfalt und Komplexität, die sich hinter dem Heldengebilde verbirgt. Die Kenntnis über die Heldenfunktionen und Kontereinheiten hilft, doch nur ein funktionierendes Teamplay mit den richtigen Vorgehensweisen zur richtigen Zeit führen zum Sieg. Ein klares "nur so skillt man Held X und nur so rüstet man ihn aus" gibt es nicht. Kurzum: die Art, wie man es richtig macht, ist eine Wissenschaft für sich.

Nach jedem Match besteht die Chance ein Item zu gewinnen. Hier eine schicke mystische Waffe für den Sniper.

Wer schon Hunderte von Stunden mit Spielen wie Skyrim oder Battlefield verbracht hat, darf sich erstaunt zeigen. Es geht noch mehr. Es ist schlichtweg unglaublich, wie sich ein Spiel mit den Spielstunden, die man damit verbringt, wandeln kann. Glaubt man nach 50 Stunden, Dota 2 verstanden zu haben, begreift man es nach weiteren 100 erst tatsächlich. 200 Spiele später - und somit über 100 Stunden mehr - fühlt man es förmlich und steht dennoch erst am Anfang und weiß längst nicht alles. Man kennt lediglich kleine Kniffe und Dinge, die zunächst keine Rolle gespielt haben. Es ist auch diese Lehrzeit, die Dota 2 so gewaltig unterhaltsam gestaltet und das ohne aufkommende Monotonie, sogar trotz ein und derselben Karte. Die Dynamik entfaltet sich nach und nach, viele Dinge erschließen sich, das Zusammenspiel im gegeneinander Spielen putscht geradezu auf und der Drang nach Fortschritt und Verbesserung steigt stetig, sofern man sich darauf einlässt.

200 Spiele später - und somit über 100 Stunden mehr - fühlt man es förmlich und steht dennoch erst am Anfang.

Neben dem "5 gegen 5 Public-Game"-Spielmodus im „All Pick"-Verfahren, bei dem jeder Spieler einen Helden seiner Wahl aus dem Heldenpool wählen kann, werden noch einige andere Modi geboten, die sich meist nur darin unterscheiden, wie die Heldenauswahl zustande kommt. Ob nun alle ihren Helden aus dem kompletten Heldenpool wählen, dieser gänzlich zufällig bestimmt wird oder man lediglich einen Helden aus einer zufälligen 3-fach-Auswahl wählen darf, Grundkenntnisse sind vorausgesetzt, sofern man die Mitspieler durch zu häufiges Ableben nicht zur Weißglut bringen möchte. Möchte man es locker angehen lassen, stehen auch einige freie Spielmodi zur Auswahl. Unter Freunden und Neueinsteigern wäre es zum Beispiel ratsam, sich zunächst auf ungewertete Lobby-Spiele zu konzentrieren, um gemeinsam, auf Wunsch sogar mit durchaus brauchbaren Bots, in die Tiefe der Dota-Spielabläufe einzutauchen. Außerdem startet jeder neue Spieler mit einer Questreihe, die sämtliche Spielaspekte umfasst und ausführlich erklärt. Dieser Anfänger-Einführung folgen fünf Matches gegen Bots und zehn gegen menschliche Spieler, die meistens ebenfalls Dota-2-Neulinge sind.

Das Ansagen von fehlenden Gegenspielern auf der jeweiligen Lane ist wichtig und sorgt für gut koordiniertes Teamplay.

Wer über den Tellerrand der kompetitiven Spielmechanik blickt, wird zahlreiche Möglichkeiten bekommen, tiefer in die Welt von Dota 2 einzutauchen. Jeder der über hundert Helden hat seine eigene Hintergrundgeschichte und wird auch über seine einzigartigen Fähigkeiten hinaus liebevoll und detailliert in das Spielgeschehen eingefügt. Hier treffen Dämonenrind auf Zwergenschützen und Goblin-Kopfgeldjäger auf doppelköpfigen Oger-Magier. Trotz der zahlreichen teils kuriosen Gestalten verlässt die Entwickler scheinbar nie die Fantasie, um für neue Wesen zu sorgen. Allesamt aus einem Guss, keiner wirkt deplatziert. Das ist Art-Design in seiner besten Form. Mit toll eingesprochenen, amüsanten oder mysteriösen Sprüchen und mit ausgefeilten Charaktermodellen und Animationen präsentieren sich die Spielfiguren weit über das hinaus, was spielerisch nötig gewesen wäre. Die Helden fügen sich ideal in die Umgebung der Spielkarte ein und sorgen somit für eine fesselnde Atmosphäre. Es bereichert Spiel noch über das schon packende Konzept hinaus.

Via Steam Workshop hat jeder mit Fantasie und Know-how die Chance, seine 3D-Modelle für Gegenstände und Heldenklamotten einzureichen.

Kein Wunder also, dass Valve diese besondere Bindung zum Spiel einsetzt und kreativen Leuten die Möglichkeit gibt, sich mit selbst gemachten Inhalten einzubringen. Via Steam Workshop hat jeder mit Fantasie und Know-how die Chance, seine 3D-Modelle für Gegenstände und Heldenklamotten einzureichen und sie bei Einhaltung der dafür vorgesehenen Regeln im Spiel eingesetzt zu sehen. Die Gegenstände winken ähnlich wie bei Team Fortress 2 nämlich nicht nur als reizvolle Belohnung nach einer Spielrunde, sondern können auch für Echtgeld gekauft und verkauft werden. So finanziert Valve also subtil das eigentlich kostenlose Dota 2, sogar mit einer Gewinnbeteiligung für die 3D-Künstler. Spielerische Einflüsse hat dies nicht, die Items besitzen lediglich optischen Nutzen.

Der Reiz, gereizt zu werden

Spricht man von MOBA/ARTS, wird man sich zwangsläufig mit einem oft genannten vermeintlichen Manko konfrontiert sehen. Die Community beziehungsweise das Community-Verhalten ist Segen und Fluch zugleich. Zwar hört man bei eigentlich jedem Spiel, welches überdurchschnittlich viele unterschiedliche Spieler aufweist (FIFA, Call of Duty, League of Legends, World of WarCraft, etc.), wohl aufgrund der schieren Anzahl der Leute oft Schlechtes, bei dem Teamplay-fokussierten Dota 2 jedoch ist die Auswirkung von übler Verhaltensweise größer und im schlimmsten Fall Spielspaß-zerstörend. Verständlicherweise versucht Valve also dies zu regulieren, indem man auf ein Report-System setzt, welches während des Spiels erlaubt, jeden Spieler zu loben oder zu melden. Wird ein Spieler mehrfach gemeldet, bekommt er seine Strafe zu spüren und wird temporär für Stunden oder Tage in den low-priority-Matchmaking-Pool versetzt, einem Spielerpool mit gleichgesinnten Regelbrechern. Es ist eine effektive Strafe, die oft zum Umdenken des Verhaltens führt. Da der Dota-2-Account außerdem direkt mit dem Steam-Profil verbunden ist und auf diesem meist auch einige Spiele liegen, kann dies ärgerliche Folgen haben. Am Ende kann jemand sogar gänzlich aus Dota 2 ausgeschlossen werden.

Eine typische Szene: Riesenskorpion Sand King und Feuermagierin Lina fliehen vor dem gegnerischen Team.

Das Verhalten der Spieler ist ein Spiegelbild der Spezies Mensch. Bevor man grundsätzlich den Umgangston und das Benehmen vieler Schelme kritisiert, muss man sich mal vorstellen, was da passiert. Zehn wildfremde Spieler treffen aufeinander. Fünf zufällig in eine Fraktion gesetzte Spieler mit unterschiedlichen Fähigkeiten, menschlichen Stärken und menschlichen Schwächen, werden in die Lage versetzt, sich gemeinsam einem Ziel zu widmen. Dabei wird anders als bei manch anderen Multiplayer-Spielen jeder noch so kleine Fehler bestraft. Überschätzt oder unterschätzt sich jemand? Giert er eher nach dem schnellen Kill zwecks Selbstprofilierung anstatt sich teamdienlich zurückzuziehen? Ordnet er sich ein oder widerstrebt Ansagen? All das sind Faktoren, die spielentscheidende Auswirkungen haben und Folgen für den gesamten Spielverlauf. Nicht nur werden gegnerische Helden mit jedem Fehlklick, der zum Ableben eines Teammitglieds führt, stärker, auch die ganze Team-Chemie verändert sich. So mancher ambitionierte, selbsternannter Profispieler ärgert sich bei der Spielweise eines Anfängers und verdrängt dabei gerne seine eigene Newbie-Zeit. Dann kommen sie hoch, die Emotionen, die Flames und Rages, die Spiele oft noch mehr entscheiden können als jeder der eigentlich kleinen Fehler.

Aber darin liegt eben der Reiz, in dem Mit- und Gegeneinander. Die Emotionen und Situationen von Match zu Match, die trotz dieser einen ewig gleichen Spielkarte jedes Mal aufs Neue anders sind. Das Hochgefühl, bei einem knappen Sieg spielerisch den Großteil beigetragen zu haben, ist unvergleichlich. Dieses Gefühl, mit der vorangegangenen Freude sich Schritt für Schritt zu verbessern und das Spiel mehr und mehr zu kontrollieren, das hält einen fest, zieht und sorgt für Spielspaß. Für Hunderte von Stunden.

Das Verhalten der Spieler ist ein Spiegelbild der Spezies Mensch.

Nette und fähige Spieler sollte man empfehlen. Das belohnt und sorgt für Ansporn.

Ganz nebenbei ist Dota 2 auch der Versuch, einen E-Sport-Dauerbrenner zu erkaufen und bedenkt man, dass der Titel gerade erst offiziell veröffentlicht wurde, kann der Plan jetzt schon als erfolgreich betrachtet werden. Es locken gefühlte zehn Preisgeld-Turniere täglich und die offizielle jährlich stattfindende Dota-2-Weltmeisterschaft "The International" zum bereits dritten Mal mit einem Preispool in Millionenhöhe. Dank digital vertriebenem E-Sport-Buch samt Sportlerbildchen zum Einkleben und Ingame-Goodies geht es diesmal um mehr als 2.500.000 US-Dollar. Disziplinierte Spieler mit sportlichem Anreiz sollten somit ihr E-Sport-El-Dorado finden. Fans und normale Spieler hingegen freuen sich über die fest ins Spiel implementierten Turnier- und Replay-Funktionen. Jedes Spiel wird aufgezeichnet, verfügt über zahlreiche Kameraoptionen und sogar eine Highlight-Funktion, die automatisch nur die Höhepunkte einer Partie zeigt. Zusätzlich kann man bei großen Matches einen Audiokommentar in verschiedenen Sprachen auswählen, der auf den Livestream-Übertragungen von den zahlreichen Dota-2-Kommentatoren basiert.

Wer kann sich ernsthaft einem Spiel verwehren, welches es vermag, für weit über 500 Spielstunden zu fesseln, ohne dass auch nur ein Cent für die Anschaffung fällig wird? Wohl nur jene Spielernaturen, die nicht für mindestens 100 Spielstunden zurecht als Anfänger behandelt werden wollen, bevor sich die Spielmechanik nach weiteren Wochen gänzlich erschließt und man durch die kaum überschaubare Anzahl der Helden trotzdem erst am Anfang steht.

Für ein lockeres kurzes Reinschnuppern mit schnellen Erfolgen und Getränk in der Hand wurde Dota 2 gewiss nicht geschaffen. Die steilen Klippen der Lernkurve erlauben kaum lockere Daddelfreude, außer man besitzt eine gesunde Kaltschnäuzigkeit anderen Spielern gegenüber, die einen oft und gerne wissen lassen, wie niedrig man sich innerhalb der Spielfähigkeiten-Rangliste befindet, sobald man auch nur einen kleinen Fehler macht.

Lässt man sich jedoch darauf ein, bekommt man ein Spiel, welches so viel Spieltiefe und kompetitiven Spielspaß mitbringt, wie wenige andere zuvor. Die Lernkurve ist zwar steil, aber dennoch unterhaltsam. Das Lernen und Entdecken der Möglichkeiten von Items und Helden ist wiederum ein ganz eigener Reiz. Potenziell glorreich ist zudem die inhaltliche Zukunft des Spiels, nicht zuletzt dank der starken Community-Bindung und dem Steam Workshop. Valve hat mit Dota 2 ein Spiel erschaffen, welches für die nächsten Jahre Millionen von Spielern völlig zurecht und enorm erfüllend an sich binden wird.

10 / 10

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In diesem artikel

Dota 2

PC, Mac

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Über den Autor

Olaf Szymanski

Contributor

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