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Ultima Forever: Quest for the Avatar - Test

Die Schande.

Letzte Woche kaufte ich mir nach längerer iOS-Abstinenz ein iPad für zwei Dinge: Airplay und Ultima Forever. Ersteres funktioniert wunderbar und ist zum Glück den Preis der Anschaffung allein schon wert. Gut so, denn Ultima Forever tut wirklich nichts, aber auch gar nichts, um seinen Teil zur Freude an dem neuen Spielzeug beizutragen.

In meiner ersten Tirade räumte ich noch die Möglichkeit ein, dass dieses Spiel vielleicht gut und sogar ein würdiges Ultima 4 im Geiste werden könnte. Jetzt, ein iPad-Wochenende später sind alle Hoffnungen zerschlagen, und zwar in jeder Hinsicht. Resümieren wir kurz in ein paar Worten, was Ultima 4 auszeichnete. In einer Welt voller RPGs, in denen in ausschließlich darum ging, den Dungeon zu säubern und dem Boss eins drüber zu geben, versuchte Garriott nach drei eigenen Spielen besagten Musters, ambitionierter zu werden und das "Rollenspiel" in das RPG einzubringen. Der Spieler wurde bei allem, was er tat, beobachtet und von der Spielwelt dafür bewertet. Monstertöten war ein Teil davon - kein kleiner -, aber das eigentliche Ziel war es, die acht Tugenden wie Ehre, Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und so weiter aufrechtzuerhalten, indem er gemäß dieser spielt.

Lord British ist weg. Ist halt so. Er wird schon wissen, warum.

Einem flüchtenden Gegner in den Rücken zu schlagen, wäre nicht ehrenhaft, einem Bettler kein Gold zu geben nicht barmherzig, unzählige solcher Dinge zogen sich durch das Spiel. Kurz, der Spieler sollte zu einer Personifikation und einem Vorbild in einer korrumpierten Welt werden und dafür reichte es nicht, dem bösen Oberzauberer den Schädel einzuschlagen. Die Mechaniken waren nicht übertrieben kompliziert und eine Min-Max-Spielweise unter Ausnutzung aller Ecken und Kanten durchaus möglich, aber trotzdem war es das erste seiner Art und es ging sogar trotz aller Einschränkungen weiter als die meisten Spiele es heute tun. Selbst ein Bioware zwängt seine Moral in ein simples Schwarz-Weiß-Raster, Ultima 4 war in den 80ern flexibler.

Das mit den 80ern ist auch ein wenig das Problem, will man es heute spielen. Das ist alles schon ganz schön hässlich und umständlich und es hilft wenig, das schönzureden. Ein Remake im Geiste in modernem 'Look and Feel' wäre immer noch ein sehr zeitgemäßer Titel. Ultima Forever ist nichts davon. Es ist eines der Prä-Ultima-Spiele, in dem ihr den Dungeon säubert und den Monstern eins überdrescht. Dabei werden nach einem zwar nicht willkürlichen aber zumindest schwachsinnigen Schlüssel Punkte für die Tugenden vergeben, aber das macht es noch nicht zu einem Ultima 4. Auch die bei NPCs in Städten beliebig aufpoppenden Fragen, wie er sich in einer Gewissensherausforderung verhalten soll, reichen dafür nicht. Nicht der Typ, der einen Geldbeutel fand, und nun überlegt, ob er den ehrlichen Finder gibt oder lieber seiner Familie Essen kauft, soll geprüft werden, sondern der Spieler. Er muss den Geldbeutel finden und überlegen, was zu tun ist. Alles andere ist nur eines der New-Age-"Was würdest Du tun?"-Fragebücher der 80er und prätentiöser Pferdemist. Nicht, dass es davon in Ultima Forever sonst zu wenig geben würde.

Inhaltlich liegt es also weit neben der Spur und ist ein Verrat an all den Tugenden, die das Spiel Ultima 4 der Spielewelt vermitteln wollte, da fällt der Wechsel zu Lady British noch nicht mal groß ins Gewicht und auch nicht, dass sie ihre Brüste auf dem App-Logo im Appshop heraushängen lässt. Das muss man wahrscheinlich heutzutage bringen, damit einer in einer Welt voller Schlumpf-Apps draufklickt. Der Verrat an dem Spieler geht im Grunde noch tiefer als der an dem Ultima-Fan. Es ist Pay-to-Win von der übelsten Sorte.

Gute Frage. Ich weiß auch nicht, ob Britannia diese Seuche überleben wird. Ich bin mir zwar nicht sicher, ob wir das Gleiche meinen, aber das spielt eigentlich keine Rolle.

Das Spiel an sich gibt als banale Billig-Diablo-Variante fernab jeglicher auch nur halbwegs komplexer Spieltaktiken schon nicht viel her. Klickt wie blöde auf den Gegner und hofft, dass er zuerst stirbt. Es gibt ein paar Specials für einen besseren Angriff, aber sie haben strategisch keinen großen Einfluss. Ihr benutzt sie, weil sie etwas mehr Schaden machen, und das tumbe Tippen schneller vorüberzieht. Dungeons sind dabei eine Variante des schlechten Sex in seiner übelsten Form. Rein, ein paar Minuten rumgestochert und wieder raus. Es vergeht Zeit, aber in dieser passiert nichts, außer, dass man auf irgendeine Form von Spaß wartet. Es spielt auch keine Rolle, ob ihr das allein oder in einer Gruppe von bis zu vier Leidenden tut, es gibt kein sinnvolles, ergänzendes Zusammenspiel. Jeder tippt auf den Gegnern rum und irgendwann ist halt gut. Es hört auf und ihr werdet in die derangierte Welt dessen, was mal Britannia war, zurückgeschubst.

Damit das Elend der Dungeons sich schneller bewältigen lässt, braucht ihr bessere Ausrüstung, die mehr Schaden verursacht. Logisch und üblich. Diese liegt in Kisten, die ihr den Dungeons und Städten findet. Immer noch nicht ungewöhnlich. Um jedoch eine Kiste zu öffnen, braucht ihr Schlüssel und hier beginnt das Grauen. Bronzene Schlüssel geben euch Schrott, silberne Brauchbares und goldenen die guten Sachen. Auch ok. Bronze-Schlüssel findet ihr häufig, 18 davon könnt ihr gegen sechs silberne eintauschen, goldene muss man kaufen. Bis hierhin wäre es vertretbar. Die ersten Probleme tauchen beim Reparieren der sich erstaunlich schnell abnutzenden Items auf - aller Items, auch der, die ihr mit goldenen Schlüsseln erspielt habt. Das geht nur mit silbernen, die ihr für so triviale Dinge vergeuden sollt. Wagt ihr es gar, auf die Schnell-Option zu klicken, weil dann nicht jedes einzelne Item vorgekramt werden muss, seid ihr Gold-Schlüssel los. Das ist auch der Fall, wenn ihr so gewichtige Dinge tun wollt, wie irgendeinen der gesperrten Zauber-Slots freizuschalten und es ist nicht so, dass ihr davon generell genügend hättet. Die ganze Struktur ist wie ein schlechter Basar darauf ausgelegt, euch hinterrücks und möglichst zügig eurer Gold-Schlüssel zu erleichtern, damit ihr für absurde Summen neue kauft. Durch die Reparatur-Not seid ihr irgendwann wahrscheinlich sogar versucht, die recht preiswerten Silber-Schlüssel zu holen, um nicht an jeder Truhe vorbeizuwandern. Aber eigentlich ist es eh egal. Alles, was passiert, sobald ihr die guten Waffen und Rüstungen habt, ist, dass ihr eure Zeit länger in einem Dungeon verbringt, bevor es in den nächsten geht. Da dieser ungefähr den gleichen Spaß-Faktor bietet, ist es bei genauer Betrachtung der Lage eigentlich eh alles egal.

"Hey, FIFA 14 für iOS ist da! Willst Du nicht ein Team managen? - JA/NEIN". Ähh, ist das jetzt so eine der neuen Tugend-Fragen?

Und diese Pracht läuft nicht mal rund und flüssig.

Ein paar weitere Dinge bieten sich zum Nachtreten an, als würde es bisher hierher nicht schon reichen. Das Spiel leistet sich ein paar Sätze, die für jeden Ultima-Spieler ein direkter, bildschöner und unglaublich präziser Suckerpunch direkt in die Magengrube sind. "Ok, die Tugenden leveln mich hoch, verstanden." Das sind die Worte des Avatars, nachdem die Tugenden erklärt wurden. Und er hat recht. In diesem Spiel ist es genau das und damit eine perfekte Kurzzusammenfassung für alles, was hier inhaltlich komplett neben der Spur läuft. Ultima 8 und 9 können sich glücklich schätzen, sie wurden gerade abgelöst, und zwar mit einer Gründlichkeit, die nie jemand für möglich hielt. Wenig später kommt dann die erste FIFA-14-Einblendung. "Hey, FIFA 14 für iOS ist da! Willst Du nicht ein Team managen? - JA/NEIN". Ähh, ist das jetzt so eine der neuen Tugend-Fragen oder doch nur In-Game-Werbung ...? Es ist so schamlos, dass ich mir diese Frage in meiner Verwirrung wirklich kurz stellte. Aber ja, 'türlich, während ich gerade die Fortsetzung einer der Rollenspiel-Legenden schlechthin spiele, möchte ich vielleicht wirklich nach fünf Minuten ein Fußball-Team managen. Ehrlich gesagt fragt mich nach 50 und ich sage vielleicht ja. Aber meine Chance hatte ich ja nicht verpasst, denn das Spiel stellt mir dieser Frage ein paar Minuten nach jedem, einzelnen Neustart.

Als würde es das noch brauchen, ist das Spiel auch technisch unterirdisch. Die handgezeichneten Grafiken sind dabei gar nicht mal so übel, die Musik ganz ok, aber warum diese "Pracht" auf meinem iPad-Mini nicht über eine ganz knapp zweistellige Framerate kommt, ist mehr als unklar bei einem Gerät, das ohne Murren Infinity Blade 2 darstellen kann. Selbst auf einem iPad 4 wird es nur minimal besser und sogar bei einer wirklich guten Internet-Verbindung schlagt ihr euch konstant mit einem monströsen Lag herum. Selbst in der kleinen Vierer-Party kommt es immer wieder vor, dass die anderen Spieler herumhüpfen. Es gibt unglaublich viele Spiele dieser Art auf Mobile-Geräten und damit keine Entschuldigung, dass Ultima Forever so läuft, wie es das zwei Monate nach dem Release immer noch tut.

Inhaltlich liegt es also weit neben der Spur und ist ein Verrat an all den Tugenden, die das Spiel Ultima 4 der Spielewelt vermitteln wollte, da fällt der Wechsel zu Lady British noch nicht mal groß ins Gewicht

Die Karte von Britannia ist das, was dem Grundgedanken noch am Nächsten kommt.

Als Ultima-Fan der zweiten Generation, der mit eben genau Ultima 4 zu der Serie fand, kann ich nicht über meinen Schatten springen und sehe auch keine Veranlassung, das zu tun. Ich bin zu zivilisiert, als dass ich den Entwicklern irgendwas Schlechtes wünsche - im Gegenteil, ich hoffe, dass sie Projekte finden, die sie hocherhobenen Hauptes präsentieren können -, aber das Spiel Ultima Forever hasse ich mit Inbrunst. Es wurde mit großen Worten angekündigt, alle Zweifel wurden adressiert und für nichtig erklärt und es war am Ende alles Bullshit. Ultima Forever ist ein Verrat an der Serie. Es ist ein Verrat an den guten Konzepten, die es für Free-2-Play gibt. Es ist ein schlechtes, unglaublich langweiliges und inhaltsloses Spiel und es ist technisch auf keinem Level, der seine miserable Performance rechtfertigt. Es gehört vom Antlitz des Planeten getilgt und sollte das nicht möglich sein, dann wenigstens auf den letzten Platz in Apples "die umsatzstärksten Apps" verbannt. Letzteres liegt in eurer Hand. Und Richard Garriott wünsche ich alles Gute für sein Avatar-Projekt. Lord British, ihr seid scheinbar wirklich unsere letzte Hoffnung.

1 / 10

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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