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Early Access - Wenn ein Segen zur Seuche wird

Früh rein, früh wieder raus. Was passieren muss, damit Early Access sein Potenzial abruft.

Minecraft ist ohne Zweifel eines der aufregendsten und einflussreichsten Spiele der letzten Dekade. Nicht nur inhaltlich prägte der kreative Sandkasten ungezählte Titel, die nach ihm kamen und immer noch kommen. Immer mehr wird jedoch auch das Geschäftsmodell, ein Spiel schon während der Entwicklung zu kaufen und dafür Zugang zu frühen Versionen zu bekommen, von anderen Studios adoptiert. Gegen diese Mischung aus Crowdfunding - ein gewisser Stille-Post-Effekt und ein ordentlicher Vertrauensvorschuss sind auch hier unabdingbar - und Vorbesteller-Initiative ist im Grunde nichts einzuwenden.

Wieso auch? Die Spieler bringen sich in die Entwicklung ein, die Studios bekommen wertvolles Feedback und umschiffen effektiv die so gefährliche Betriebsblindheit. Und nicht zuletzt verdienen sie so schon an ihrem Spiel, bevor es überhaupt fertig ist. Ein Vertriebsmodell, das dem 21. Jahrhundert wie auf den Leib geschneidert scheint, weil es den Dialog hochhält und seit 30 Jahren eingefahrene Geschäftspraktiken in einer gewaltigen Umwälzung aufweicht. Alles super also? Irgendwie nicht, denn das von Steam nur "Early Access" getaufte "Jetzt kaufen, später Spaß haben" wird gerade zur echten Enthusiasmusbremse. Das Modell läuft Gefahr, sich selbst abzuschaffen.

Man muss gar nicht großartig nach dem Problem suchen. Egal, ob man den Steam Store nach meistverkauften Titeln sortiert oder auf "Neuerscheinungen" klickt, von den ersten Einträgen ist grundsätzlich eine gute Portion noch weit davon entfernt, ein genießbares Produkt zu sein. Und hier muss sich Valve schlicht die Frage gefallen lassen, ob ihr Spiele-Kaufhaus überhaupt eine angebrachte Plattform für Inhalte ist, die eine einzige Baustelle sind. Die Antwort kann in der Form eigentlich nur "nein" lauten. Sicher: Kickstarter hat bewiesen, dass die Leute gerne Spiele mit einem frühen Kauf unterstützen, wenn sie ihren Geschmack treffen. Und die versprochene Alpha-Teilnahme macht einen großen Teil des Reizes aus. Aber Kickstarter ist auch ganz klar eine Crowdfunding-Plattform, Steam ist ein Geschäft.

Und es hat 'Bumm' gemacht: Minecrafts Erfolg begründete das Modell Early Access.

Klar, die Spiele sind entsprechend deklariert, aber reicht das? Wirklich? Spieleentwicklung ist ein fließender Prozess. Wer sich einen Early-Access-Titel in den Warenkorb legt, weil ihm ein Freund davon vorgeschwärmt hat, hat keine Garantie, dass ihm das Spiel ein oder zwei Patches später auch immer noch gefällt. Man muss nicht erst auf Wasteland 2 schauen, das mit 45 Euro nicht komplett günstig ist, um zu sehen, dass ein einziger Balance-Patch ein Projekt im Handumdrehen so gut wie ungenießbar machen kann. Und während man mit inXiles Vollpreis-Cohones vermutlich einen kleinen Hund erschlagen könnte - insofern Respekt! Wenn sich EA, Ubisoft oder Activision das in der Form leisten würden, das Internetz würde sie in der Luft zerreißen -, ist es in der Form alles andere als cool. Ist trotzdem passiert.

Ganz abgesehen von der Diskussion, ob es in Ordnung ist, auf einem Verkaufs-Portal gutes Geld für Alphas zu bezahlen, wo Spielehersteller vor wenigen Monaten für deutlich ausgereiftere Betas in der Regel nichts weiter haben wollten als eure Anwesenheit: Das Preisschild suggeriert in vielen Fällen auch ein inhaltlich deutlich ausgereifteres Produkt, als man sich letztlich auf die Platte holt. Was also tun? Die Optimallösung wäre wohl, wenn es ein separates Steam gäbe, dass sich nur mit Early Access befasst und so eine strikte Trennung fertiger und in der Entstehung befindlicher Spiele erwirken würde. Im nächsten Schritt wäre es wünschenswert, wenn die Alpha- und Beta-Teilnahmen kostenlos wären. Denjenigen, die das Spiel schon im Early-Access überzeugt, könnte man immer noch die Möglichkeit geben, es schon in dieser Phase zu kaufen. So riskiert niemand, dass ein bereits bezahltes Spiel eine Richtung einschlägt, die man nicht begrüßt.

Gehen wir davon aus, dass eine derartige rigorose Trennung nie geschieht, gibt es immer noch Möglichkeiten, zumindest etwas Ordnung auf Steam einkehren zu lassen. Dabei würde es schon helfen, wenn Steam dieser unheilvollen Vermischung von Vollpreis- und Alpha-Titeln endlich einen Riegel vorschiebt. Stattdessen tut es mit Early-Access-Banner und Warntext auf der Shopseite des Spiels aber nur das absolute Minimum und stellt diese vielfach nur als ein Gerippe ihrer selbst existierenden Titel in dasselbe Regal wie den ganzen Rest. Dass ich keinen Einfluss darauf habe, ob ich die Early Access Spiele überhaupt unter die Nase gerieben bekomme, ist aber in höchstem Maße bedenklich. Warum darf ich in meinen Einstellungen nicht zumindest einen Haken setzen, ob sich diese Projekte weiterhin unter die fertigen mischen dürfen, oder ob sie in einem ausgesonderten Reiter abgestellt werden? Wie wäre es, wenn sie erst auftauchen, nachdem sie sich eine Weile in den Topsellern gehalten haben? Es sind viele Lösungen denkbar, um Early Access in eine fairere, sauberere Angelegenheit zu verwandeln.

"Nicht alle Entwickler verstehen, warum Minecraft trotz früher Alpha-Phase so erfolgreich war - und schießen sich so oft selbst in den Fuß.

Die Schwächen beginnen beim Konzept: überflüssige Klicks und mit der Zeit immer hässlichere Spielwelt bremsen Godus seit Tag eins.

Und dann haben wir noch nicht einmal darüber gesprochen, dass lange nicht alle Entwickler verstehen, warum Minecraft trotz früher Alpha-Phase so erfolgreich war - und sich so oft selbst in den Fuß schießen. Das zeigt sich schlicht in der Verfassung, in der viele Titel zur Verfügung gestellt werden. Viele denken, es reiche, das Spiel klar als Early Access zu markieren, und rein vom moralischen Standpunkt her stimmt das vielleicht. Aber letzten Endes hängt nicht weniger als der weitere Erfolg ihres Spiels daran, ob die veröffentlichte Version ihre Käufer davon überzeugt, dass ihr Titel irgendwann mal tatsächlich Spaß macht. Das erste Bisschen Spielzeug, das man seinem Kunden hinstellt, muss schon für sich einen Reiz ausüben. Dann bleiben die Spieler dabei und halten einiges aus, was an Update-Wirren und Balance-Probleme auf sie zukommen mag. Das war in Minecraft so und wird jetzt auch wieder in der DayZ Standalone so sein. Auch hier ist wieder Valve gefragt: Wenn sie den Entwicklern etwas weniger Instant-Rampenlicht in Aussicht stellen würden, die Zahl der von überhasteten Bezahl-Alphas würde vermutlich auf ein überschaubares Maß zusammenschmelzen, während die Eldritches, Starbounds und DayZs immer noch ihren Platz an der Sonne fänden.

Und es wäre wirklich nicht schade um Spiele wie The War Z, das nebenbei das Problem hatte, ein schamloser Clone von DayZ zu sein. Unterm Strich lag hier aber schlicht der Hund im Spiel selbst begraben. Auch mit dem überschaubaren Talent dieses Teams wäre irgendwann vielleicht mal etwas Ertragbares entstanden, hätte man durch seinen bemitleidenswerten Zustand nicht alle Spieler fortgeekelt. Und erinnert sich noch irgendjemand an Godus? Über Peter Molyneux' neues Gottspiel redet niemand mehr. Das miserable Interface und der Mangel an mittel- bis langfristigen Spielzielen warfen die Frage auf, ob überhaupt jemand bei 22Cans den Titel spielte, bevor sie ihn auf Steam hochluden. Jegliche Vorfreude und folglich auch die Art und Intensität, wie im Netz über das Spiel geredet wird, wurden im Keim erstickt. Dass seit Anfang Oktober kein Content-Update mehr kam, lässt auf das fertige Produkt nicht gerade hoffen. Selbst wenn Version 1.4 doch noch den Spaß ins Spiel bringen sollte: Die Räder des Hype-Trains haben Sprünge bekommen und setzen jetzt dermaßen Rost an, dass es gut sein kann, dass er nie wieder in Fahrt kommt.

Es gibt noch zahllose andere Early-Access-Titel, die man hier aufführen könnte, aber am Ende steht die Erkenntnis: sofern die Alpha-Version nicht in irgendeiner Weise deutlich macht, warum es sich mal um ein interessantes und irgendwo auch einzigartiges Spiel handeln wird, ist ein solcher bezahlter Alpha-Test nicht nur unfair dem Käufer gegenüber, sondern schadet auch dem Spiel. Wo ein paar Bilder oder Proof-of-Concept-Videos den Enthusiasmus aller Interessierten vermutlich so lange hochgehalten hätten, bis etwas schmerzfrei Spielbares vorliegt, zeigen einige in Aussicht früher Verkäufe dem Kunden ihr Projekt von seiner hässlichsten Seite. Die Katastrophe ist vorprogrammiert.

Ja, von wegen!

So wie es ist, ist das Modell Early Access ist selbst gewissermaßen noch in einer Art Alpha gefangen. Seltsam fehl am Platz und gefährlich überschwemmt läuft es gerade Gefahr, als Vorfreudekiller und Qualitätssenker zum Schimpfwort zu geraten. Dabei ist die Idee dahinter einfach zu kostbar, um sie derart leichtfertig aufs Spiel zu setzen wie im Moment. Wenn es so weitergeht, verschwindet dieser Trend genau so plötzlich wieder, wie er entstand: Womöglich sogar mit nur einem einzigen Spiel, das für vergleichbaren Aufruhr sorgt wie seinerzeit Minecraft. Nur dieses Mal eben auf die schlechte Art, weil es viel verspricht, fantastisch aussieht und dann am Ende vielleicht einfach nicht zu Stande kommt. Ein Prozess muss her, der die Spreu vom Weizen trennt, dann kann diese Demokratisierung der Spielentwicklung auch weiterhin kleinen Entwicklern mit großen Ideen Wege eröffnen, die vorher nicht da waren.

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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