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NSA-Skandal: Zeig mir, wie du spielst und ich spekuliere, wer du bist

Ach, dein Shepard war schwul? Interessant!

Die Geheimdienste haben uns also beim Spielen über die Schulter geschaut. Dank Snowden ist auch dieser Albtraum enthüllt: Durch Angry Birds wissen die NSA und GCHQ jetzt, dass ich ne Lusche in Ballistik bin und viel zu viel Zeit mit meinem neuen Smartphone vertändele.

Aber ernsthaft: Beliebte Spiele-Apps als trojanisches Pferd zu missbrauchen, um die persönlichen Infos der Nutzer abzufischen, ist leider keine Spezialität der Geheimdienste. Man darf davon ausgehen, dass ein Großteil der Betreiber von Onlinespielen oder kostenlosen Smartphone-Apps werberelevante Daten sammeln und sie verkaufen. Meist sichern sich die Unternehmen per AGB ab und kommunizieren ihre Einkommensquelle offen - manchmal tun sie das aber auch nicht (siehe im Fall 'Brightest Flashlight'). Wenn man die Berechtigungen seiner diversen Apps unter die Lupe nimmt, bekommt man leicht ein unschönes Ziehen in der Bauchgegend. Aber auf die Programme verzichten? Möchte man auch nicht. Gläsern zu sein, ist der Preis unserer schönen neuen Welt.

Neugierige NSA: Jetzt wissen sie Bescheid über mein Alter, Geschlecht, Handymodell und mein mangelndes Talent, Vögel per Zwille in grüne Schweine zu schießen.

Kann man es den Geheimdiensten verdenken, dass sie bei so einem Datenschatz Gelüste entwickeln? Umgekehrt dürften sich die Hersteller dieser Programme jetzt doppelt ärgern: Einerseits hat die NSA ihre Apps als Hintertür missbraucht und sorgt nun für schlechte Presse, andererseits haben die Behörden die Betreiber um ihren theoretischen Erlös aus den gewonnenen Daten betrogen. Mal sehen, wie schnell da jetzt die Firmenanwälte aufmarschieren.

Doch auch von anderer Seite droht Gefahr: Man mag gar nicht drüber nachdenken, was Spione alles über uns erfahren könnten, wenn sie unser Spielverhalten beobachten! Und damit meine ich nicht, wie viele Stunden jemand während der Arbeitszeit an seinem Smartphone daddelt. In immer mehr Titeln werden wir mit moralischen Dilemmata konfrontiert oder freuen uns über eine gigantische Spielwelt, die uns völlige Handlungsfreiheit lässt. Was aber, wenn jemand unser Verhalten während dieser Zeit beobachtet und psychologische Profile auf dieser Basis erstellt? Das sollten sich nicht nur eine Handvoll 'Lets-play-Videoblogger' durch den Kopf gehen lassen, sondern wir alle.

Homo Ludens unterm Mikroskop

Erinnert sich noch jemand an Psycho Mantis' Kommentare in Metal Gear Solid, wenn bestimmte Spielstände gefunden wurden? Was damals ein nettes Gimmick war, nimmt mit dem Datenhunger der Werbewirtschaft und Geheimdienste beunruhigende Dimensionen an: Knutschte mein männlicher Commander Shepard mit Steve Cortez herum oder das weibliche Pendant mit Samantha Traynor? Wie geht der Bewerber auf einen Managerposten mit Geld um? Gibt er Hunderte Euro für Social-Games aus oder führt reihenweise Städte in SimCity in den Bankrott? Wie steht es um sein logisches Denken? Die Statistiken diverser Strategiespiele liefern Antworten! Und was würde der Vertreter meiner Autoversicherung über die Tausenden Massenkarambolagen in GTA V oder Need for Speed denken? Nicht relevant? Oder schaut er bei der nächsten Delle im Kotflügel genauer hin?

Überhaupt: Wie krank kann der Kollege gewesen sein, wenn er seinen Todesritter oder Dämonenjäger während der zwei Wochen Auszeit nicht eine Minute vernachlässigt hat? Und dann diese Sehnenscheidenentzündung? Hat er sich wohl beim exzessiven Klicken auf Monster geholt. Die Krankenversicherung und den Arbeitgeber wird das interessieren! Gleich mal nach anderen Spielerprofilen suchen. Schon interessant, was man daraus ablesen kann.

Welcher Kamerad Shepard am Abend ins Schlafzimmer begleitet, könnte interessante Rückschlüsse über die Spieler zulassen. Oder auch nicht.

Hat der Typ jetzt nicht auch eine Freundin? Die Dutzenden Pinnwand-Einträge auf Facebook zu Candy Crush Saga sprechen Bände. Vielleicht sollte man die Frau warnen: wer mit Begeisterung unschuldige Bürger in The Elder Scrolls: Skyrim meuchelt und am Ende sogar noch Dutzende Waisenkinder erschlägt, bei dem stimmt doch was nicht, oder? Der pöbelt bestimmt auch gegen Kids in Xbox Live oder im Playstation Network! Den laden wir nicht mehr zum Essen ein!

Natürlich betrachte ich das jetzt alles mit reichlich Augenzwinkern. Ob nun Rückschlüsse aus dem individuellen Spielverhalten tatsächlich relevant sind oder in Wahrheit so viel Aussagekraft besitzen wie Omas Kaffeesatz, kann ich als Laie kaum beurteilen. Aber nicht erst seit Edward Snowden wissen wir: Was technisch möglich ist, wird auch genutzt. Vielleicht sollte ich mich in Zukunft ein bisschen mehr an die Verkehrsregeln halten, wenn ich durch Los Santos kurve. Sicher ist sicher.

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Frank Erik Walter Avatar

Frank Erik Walter

Freier Redakteur

Tagsüber arbeitet Frank als freier Journalist. Nachts jagt er seit 2010 flüchtige MMOs für Eurogamer.de und die MMO PRO. Skittles und Tetris sind sein Kryptonit.

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