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Flappy Bird: Drei Theorien, was los ist, und fünf Lehren, die man aus dem Erfolg ziehen kann.

Schließlich wollen alle auf Platz 1.

Flappy Bird gibt es nicht mehr. Oder vielmehr: Es gibt wohl so um die 50 Millionen Flappy Birds, die noch übrig sind, aber es kommen keine neuen Flattervögel dazu. Das Spiel ist gestern Abend aus den Stores von Google und Apple verschwunden. Für alle, die es verpasst haben - den Zahlen nach waren das wohl nicht zu viele -, in dem Video unten noch mal ein kleiner Ausschnitt, der so ziemlich alles zeigt. Oder hier ein relativ schlechter Klon, der verdeutlicht, worum es geht. Ihr startet, versucht, durch Tippen auf dem Screen den Vogel durch die Säulen aus Super Mario zu manövrieren, und werdet schnell dabei sterben, weil es saumäßig schwierig ist. Eine Runde Flappy Bird dauert selten länger als 10 bis 20 Sekunden.

Das Spiel selbst ist eine dieser kleinen, netten Ideen, die in der weiten Store-Welt herumflattern. Es nimmt sich Elemente aus anderen Spielen, mischt sie für sich neu ab und es ergibt sich etwas unkompliziert Frisches, das für ein Weilchen Freude bringt. Vielleicht ist es der brutale Schwierigkeitsgrad, der den Erfolg ausmachte, vielleicht der Retro-Look, vielleicht alles zusammen. Die Geschichte drumherum liest sich eh wie ein Indie-Märchen. Ein einfaches Spiel, das nichts kostet, nur ein paar wirklich sehr unaufdringliche Werbebanner bereithält, von einem einzigen Mann geschrieben wurde, geht durch die Decke und wird zum riesigen Hit.

Ich halt das nicht mehr aus!

Jetzt ist es aus dem Store verschwunden und der Entwickler sagt auch, warum: „ I cannot take this anymore " - „Ich halt das nicht mehr aus". Was denn so genau? Die wild geschätzt 50.000 Dollar , die das Spiel an Werbeeinnahmen täglich generiert? Selbst wenn es nur ein Fünftel ist, wäre das jeden Tag die Summe, von der die meisten Ein-Mann-/Frau-Indie-Mini-Game-Entwicklungen im Laufe der Lebenszeit so manchen Kleinspiels träumen. Ist es, dass Teile des Internets ihm den Erfolg neiden und teilweise eher seltsame Dinge schreiben? Wie zum Beispiel, dass der Erfolg des Spiel gekauft oder erschummelt sei? Ich kenne ein paar Marketing-Agenturen, die dafür töten würden, wenn es denn so einfach wäre. Es sieht mehr nach einem „It just went viral"-Erfolg aus. Bedenklicher sind mal wieder die obligatorischen Maulhelden, die dem Entwickler den Tod wünschen oder sogar drohen, ihn umzubringen, weil sein Spiel so schwierig ist und sie so dermaßen frustriert. Mal wieder: Kann nicht mal jemand diese gestressten Zwölfjährigen mit Twitter-Accounts einfangen? Die Krönung des Wahnsinns dürfte dieses Video sein, das, obwohl es ein Fake ist - Huzlers ist eine relativ geschmacksbefreite Scherzseite -, einer zartbesaiteten Seele schon nahe gehen kann, wenn man es zum ersten Mal und ohne den Kontext zu hören bekommt.

(Weil es grad auf Huzzlers erschien, noch ein kleiner Bonus, der natürlich ebenfalls nicht wahr ist. Classy, Huzlers, real class act...)

'Du löschst es besser nicht oder ich bring Dich um!'

Nguyen Ha Dong sagt in einem der letzten Postings - bevor er das Telefon und anscheinend auch seinen Internet-Anschluss abschaltete -, dass es nichts mit einem Rechtsstreit zu tun hat und er weiterhin Spiele schreiben wird. Ich sehe zwei Möglichkeiten, was der Grund für den Rückzug aus dem Store war. Vielleicht ist Nguyen Ha Dong wirklich eine eher introvertierte Seele, die nicht genau weiß, was sie mit der Popularität anfangen soll, weder wenn sie ihre positive noch ihre negative Seite zeigt. Vielleicht ist er jemand, der nicht möchte, dass über ihn gesprochen wird, im Guten wie im Schlechten. Ich bin mir in diesem Falle nicht so sicher, ob der Rückzug dann überhaupt noch nötig war. Ein Hype wie der von Flappy Bird kommt, geht dann mit Youtube-Videos wie diesem nach oben und flaut ein wenig später wieder ab. Dieses Abflauen wäre auf jeden Fall weniger schmerzhaft gewesen als besagte Zwölfjährige, die nun noch mal richtig auf Twitter aufdrehten. Lose übersetzt und um ein paar F...-Wörter bereinigt liest sich die Liebe zu dem Entwickler dann ungefähr so: „Du bist 'ne Pussy und Dein Spiel ist eh Schrott, aber trotzdem bist Du 'ne Pussy. Bring Dich um!". Etwas proaktiver: „Du Arsch, ich bring Dich um, wenn ich es muss! Stell Dein Spiel wieder auf den Markt oder ich muss Dich besuchen kommen.". Einer noch: „Du löschst es besser nicht oder ich bring Dich um!". Ich frage mich manchmal, wo das alles mit dem Internet schieflief und was wir an diesem Punkt dagegen hätten tun können.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt...

Die zweite Möglichkeit ist etwas anderes und jetzt bin ich die böse, spekulative Stimme des Netzes - natürlich ohne Kraftausdrücke und Morddrohungen. Nehmen wir einmal an, Nguyen Ha Dong wusste sehr genau, dass der Hype am Abflauen war. Er hatte einen monströsen Erfolg hingelegt, der sich nicht mehr toppen ließ. Oder doch? Wie wäre es wohl, wenn man sagt, dass es das Spiel noch für 22 Stunden gibt und danach nicht mehr? Es würde sich wie ein Lauffeuer durch das Netz verbreiten, alle großen Magazine würden noch mal drauf einsteigen und jeder, der noch kein Flappy Bird hat, würde es sich aus Neugier herunterladen. Bäm, noch mal zehn Millionen oder so mehr an Flappys unterwegs. Der Witz ist ja schließlich, dass das Spiel nur aus dem Store verschwindet, aber nicht von den Geräten. Wer es hat und mag, spielt es weiterhin und generiert immer noch die Werbeumsätze. Ist es also ein großer PR-Trick, um den Flatterviechern den großen, letzten Push zu geben?

Werden wir noch sinistrer in den Spekulationen: Es steckt doch ein Rechtsstreit dahinter, oder, um genauer zu sein, die Angst vor diesem. Es gibt ein paar Debatten im Netz, die Flappy Bird mit ein paar ähnlichen Titeln vergleichen, und auch wenn gewisse Spielelemente anders funktionieren, ist eine gewisse Verwandtschaft nicht von der Hand zu weisen. Einer dieser Entwickler hätte durchaus klagen können und mit einer gewissen Chance sogar Recht in der einen oder anderen Form bekommen.

Eine populäre Theorie sind natürlich die grünen Mario-Säulen.

Eine populäre Theorie sind natürlich die grünen Mario-Säulen. Nguyen Ha Dong mag sie gerne eine liebevolle Reminiszenz an seine Jugend nennen, eine gewisse Rechtsabteilung würde das sicher anders sehen. Dass Nintendo direkt involviert ist, glaube ich persönlich nicht, will aber nicht ausschließen, dass sie irgendwann doch aktiv geworden wären. Oder vielleicht gab es ja schon etwas in der Richtung, das Dementi Nintendos klingt recht halbherzig . Wenn diese Sorge besteht, ist es natürlich nur konsequent, schnell das Spiel verschwinden zu lassen, bevor es zu einer Löschung aus dem Store und von den Geräten kommt, die technisch möglich ist, egal ob der User das möchte oder nicht. Dann würden die jetzt noch weiter fröhlich generierten Werbeeinnahmen von einem Tag auf den anderen versickern. Es ist natürlich nur eine Theorie, aber bei einem Projekt, das ganz offensichtlich ohne die Erwartung an den großen Erfolg geschrieben wurde und ohne die Vorsicht, die man dann walten lassen sollte, halte ich eine solche Notbremse nicht für undenkbar.

Aber wie gesagt, das sind nur lose, weitestgehend unbegründete Vermutungen. Vielleicht ist Nguyen Ha Dong wirklich nur des Erfolgs und der Internet-Hater überdrüssig. Vor allem Letzterer. Soll ja vorkommen.


Meine App soll auch ein Flappy Bird werden!

Es ist jedoch genau dieser Erfolg, den sich so ziemlich jeder andere App-Entwickler wünscht und der anscheinend einer Handvoll Glücklicher und weit mehr durchorganisierten Großanbietern - King.com, EA, Gameloft und anderen - vorbehalten ist. Der Einsteiger mit seinem Kleinspiel dreht sich da oft im Kreis und um die Plätze 57.000 bis 48.000, wo man über jeden Download glücklich ist. Was also kann man aus dem Erfolg von Flappy Bird lernen?

Fünf Lehren, die man aus Flappy Bird ziehen kann:

Leicht zu lernen! Viele App-Spiele erfordern eine gewisse Einspielzeit, die deutlich über zwei oder drei Minuten liegt. Für einen PC-Rollenspieler, der diese Zeit normalerweise in Stunden rechnet, klingt auch das lächerlich. Aber viele App-Spieler, die das Ganze als kurzfristigen Zeitvertreib betrachten - mit dem sie dann doch am Ende Stunden und Tage verbringen -, wollen einfach loslegen und nicht drüber nachdenken, wie etwas funktionieren könnte. Flappy Bird bot genau das. Zweimal getippt, einmal gecrasht und schon wusste man, wie es geht. Noch viel schneller kann man kaum in ein Spiel kommen.

Es muss ja nicht mal so sein, dass später nicht mehr Komplexität dazukommt - was hier nicht der Fall ist -, aber der Einstieg muss simpel und offensichtlich sein, sonst gibt es eine gute Chance, dass eine hohe Prozentzahl an Spielern zur nächsten App weiterwandert.

Schwer zu meistern! Flappy Bird oder Jetpack Joyride wurden nicht erfolgreich, obwohl sie hammerhart sind, sondern genau deswegen. Es ist ein Kick für ein paar Sekunden. Flappy Bird dreht das Adrenalin sofort hoch. Es gibt keine langweilige Phase, die sich in jeder Runde wiederholt, es sind ein paar Dutzend Tipper - wenn man Glück oder sehr viel Übung hat -, dann gibt es einen Score und eine halbe Sekunde später geht es von vorn los. „Keine Gnade in den paar Sekunden" ist das Motto, das die Spieler immer wieder zurückkehren lässt. Selbst ein Score von 10 ist hier schon was zum Angeben, und diesen zu knacken, das dauert nur Sekunden im Versuch, aber vielleicht Wochen, bis es gelingt. Wäre es einfach und würde das Spiel deswegen ewig und drei Tage mit monströs hohen Scores in einer einzigen Runde laufen, würde viel schneller Desinteresse einsetzen.

Es ist umsonst! Nicht nur billig.

Es ist umsonst! Nicht nur billig. Das machen andere Mini-Apps und nehmen 79 Cent nach dem Motto „Was man hat, hat man". Das ist nicht viel Geld und viele der Spiele sind es sicher auch wert, aber in einer Umgebung, wo es so viel Zeugs gratis gibt, kann das eine ganz schön hohe Hürde sein. Flappy Bird dagegen lädt man runter, spielt es, freut sich oder auch nicht und ist anschließend nicht ärmer. Niemand ärgert sich, Geld ausgegeben zu haben, wenn es einem nicht zusagt; jeder freut sich extra, der es gerne spielt. Und letztere Gruppe tut sich auch viel leichter dabei, es weiterzuempfehlen, weil sie nicht dazusagen muss: „Du, die 80 Cent ist es wirklich wert". Ein „Probiere es doch mal, kostet ja nichts" ist da in der Regel viel wirksamer. Vor allem sollte man scheinbar nicht der Versuchung des Free-2-play erliegen. Die Werbeeinnahmen sind höher, wenn einer das Spiel spielt und nicht, wenn er es deinstalliert, weil er es ohne ständiges Füttern nicht spielen kann und deshalb lieber zum nächsten Kandidaten wandert.

Dezente Werbung! Flappy Bird zeigt euch beim Spielen selbst keine Werbung, nur auf dem Todes- und Restart-Screen. Da eine Runde nur Sekunden dauert, sind diese Bildschirme oft genug zu sehen, aber es ist nicht so, dass das Spiel ausgebremst wird. So schnell ihr tippen könnt, startet eine neue Runde, die Werbung hat euch kaum gestreift. Der Werbemarkt dahinter ist kompliziert und da es auch darauf ankommt, ob und wie oft eine eingeblendete Werbung angetippt wird, dürften das nicht die lohnendsten Banner sein, die ihr da zu sehen bekommt. Aber bei 50 Millionen theoretischen Spielern macht das Kleinvieh sicher eine ganze Menge Mist. Mehr jedenfalls als bei einem Spiel, dessen Werbung so penetrant ist, dass man es nicht mehr spielt.

Go viral! Jetzt kommt der schwierige Teil. Der zufällige. Und der wichtigste. Die anderen vier Punkte lassen sich planen. Sie lassen sich entwerfen, entwickeln und austesten. Nichts davon ist am Ende viel wert, wenn niemand das Spiel mit diesen schönen Eigenschaften kennt. Der saubere Weg ist wohl der, den Flappy Bird nahm, da es unwahrscheinlich ist, dass der Macher genug Ressourcen hatte, um den anderen zu wählen. Dieser setzt nämlich voraus, dass man sich im Ranking nach oben kauft. Wie man Tweet-Follower und Facebook-Likes kaufen kann, kann man auch Leute anheuern, das eigene Spiel zu laden - hier ein Beispiel von der Firma Trademob mit ihrem Produkt Smartboost . Ist eine Variante, wenn man das Startkapital hat. Was man davon halten mag, überlasse ich jedem selbst, auf Venturebeat erfahrt ihr bei Interesse mehr dazu.

Die andere und deutlich effizientere Variante ist es, jemanden wie PewDiePie auf Youtube zu haben, der das Spiel seinen 22 Millionen Followern vorstellt, von denen sich immerhin 9 Millionen das Video anschauen. Zusammen mit dem genannten Punkt 3 - mach es umsonst - hat man dann schon mal einen guten Ausgangspunkt, denn viele der Zuschauer werden neugierig sein und einen Blick riskieren. Kostet ja nichts. Ohne solche Publicity wird es schwer sein, diese Größenordnung zu erreichen. Ohne virale Social-Flüsterei ist es für ein Spiel dieser Art fast unmöglich. Und selbst damit klappt es nicht immer. Ist schon eine wilde Store-Welt da draußen.

Abschließend kann man schön sehen, dass die Klone von Flappy Bird schon längst unterwegs sind und fröhlich viele dieser Regeln ignorieren. Die Kollegen aus England haben sich ausführlicher dieser Fehlversuche angenommen, die grundsätzlich zumindest die „Sei umsonst"-Regel ignorieren. Manche wollen gleich Geld, andere löschen ihre penetrante Werbung gegen eine Einmalzahlung und wieder andere gehen die In-App-Kaufroute und berechnen Geld für Extraleben. Ich denke nicht, dass auch nur einem von ihnen das gleiche Schicksal wie dem großen Vorbild beschieden sein wird.

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