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Es geht voran, das Ende ist nah - Wasteland 2

Die Beta, die inzwischen fast euer Geld wert ist.

Es macht Fortschritte, das lässt sich nicht leugnen. Seit meinem letzten Ausflug in die zu diesem Zeitpunkt ausgesprochen ungastlichen Wastelands hat sich eine ganze Menge getan. In erster Linie ist es der Gesamteindruck, der inzwischen weit mehr in Richtung von etwas geht, das zumindest nicht nur an ein frühes Beta-Projekt gemahnt. Die Figuren, ihre Umgebung und vor allem die Menüs erstrahlen mit weit mehr Details oder befinden sich in einem Zustand, bei dem man nicht mehr glaubt, hastig eingefügte Platzhalter vor sich zu haben. Wasteland 2 wirkt vielleicht nicht fertig, aber man bekommt einen sehr guten Eindruck davon, wie es am Ende wohl aussehen wird.

Nicht zu schwer, nicht zu hart und schon gar nicht automatisch

Die meisten Änderungen spielten sich aber hinter den Kulissen ab. In erster Linie wären das natürlich eine Tonne von Patches für alle möglichen Problemchen bis Katastrophen, in die der Spieler unverschuldet stolpern konnte. Die aktuelle Version scheint keine mit ihr kompatiblen Spielstände mehr zu fressen - nur die, die vor dem letzten Patch erstellt wurden. Habt ihr schon eine geliebte Party gehabt, gibt es eine hohe Chance, dass sie durch das Update unbrauchbar wurde. Ein Teil des Preises dafür, dass man etwas zu nah an der Entwicklung dran ist, um vor solchen Dingen gefeit zu sein.

Auf der Karte gibt es nun immer wieder Zufallskämpfe gegen Räuber und mutierte Monster.

Der Schwierigkeitsgrad wurde angepasst, wenn auch nicht in dem Sinne, wie er noch zum Ende des letzten Jahres gehandhabt wurde. Es gibt nach wie vor keine automatische Heilung, egal wo im Spiel. Stattdessen aber verdient der einfache Schwierigkeitsgrad nun wirklich seinen Namen insoweit, als dass euch Kämpfe fast nicht mehr groß berühren. Eure eigene Truppe schießt zu gut und der Gegner zu schlecht, als dass ihr oft in Gefahr geraten würdet, solange ihr euch zwischen den Gefechten brav um die Heilung und eure Munitionsversorgung kümmert. Auch der normale Härtegrad wurde zumindest gefühlt wesentlich abgemildert und dürfte die ideale Version für das normale Survival-Spiel sein, ohne sich dem Frust willkürlich übermächtiger Feinde auf dem höchsten Level auszusetzen. Nichts gegen eine gute Herausforderung, aber konstant den Eindruck zu haben, dass alle Gegner automatisch maximalen Schaden verursachen, statt zu würfeln, während man selbst nur selten die Höchstwerte landet... das ist ohne Frage schwierig, aber zumindest in meinen Augen weder fair noch besonders motivierend.

Es gibt aber auch so noch mehr als genug Ecken und Kanten, an denen Fargos InXile-Truppe in den nächsten Monaten gerne feilen darf. Die Wegfindungsroutinen der eignen Leute sind mitunter schon fragwürdig. Vor allem in Gebieten mit gefährlichen Umwelteinflüssen - explodierende Riesenpilze zum Beispiel - solltet ihr euch nie darauf verlassen, dass sie schon wissen, wo es langgeht. An genau diesen Pilzen bleiben sie immer gerne hängen, bis das Hindernis ihre Lebensenergie dezimierte und sie dann über die Reste ihres Beinahe-Untergangs weiterkonnten. Auch mehrfaches „Nu aber weg da!"-Geklicke motivierte sie nicht sonderlich in solchen Momenten. Die Intelligenz der NPCs wurde dagegen verbessert und so reagieren sie nicht immer ideal, aber doch entsprechend ihres Charakters, wenn sie mal sauer oder verängstigt sind und so euch die Kontrolle für ein paar Runden entzogen wird.

Die Menüs wirken nun längst nicht mehr so Beta-Platzhalter-lastig wie noch vor Kurzem.

Dazu hätte ich gerne bei aller Old-Schooligkeit ein paar Komfortfunktionen, was die Inventarverwaltung angeht. Insbesondere das umständliche Handhaben der Munition ergibt keinen Sinn. Wenn ein Charakter Muni für seine Waffe im Rucksack hat und er nachladen soll, dann sollte ich nicht erst in das Gepäck gehen müssen, um die Patronen noch einmal extra auszurüsten. Viel Geklicke für nichts.

Humor über die Landschaft verteilt

Sieht man mal von solchen immer noch vorhandenen Unannehmlichkeiten ab, ist das Spiel jetzt doch in einem Zustand, in dem man sich schon durchaus auf alles einlassen kann, was es bietet. Es ist ein netter Touch, dass eure Entscheidungen durchaus weitreichend Konsequenzen haben können, was schon bei der Rettung der ersten beiden Gebiet, die ihr besucht, eine Rolle spielt. Es ist wohl möglich, beide Notrufe erfolgreich zu beantworten und sowohl eine von Killertomaten überrannte Farm zu retten wie auch den Angriff von Wüstenpunks auf ein Wasserreservoire zurückzuwerfen. Ich habe es jedoch noch nicht geschafft und so sah ich mich entweder einem wüsten und bissigen Dschungel gegenüber oder den rauchenden Ruinen der anderen Siedlung.

Bei aller Old-Schooligkeit hätte ich doch gerne ein paar Komfortfunktionen.

Mit der Schrotflinte in die Richtung halten kann auch für eure Kameraden hinter dem Killer-Karnickel gefährlich werden.

Trefft ihr dagegen mal auf ein paar lebende Gestalten, ist es faszinierend, wie viel Arbeit in die Dialoge floss. Große Verzweigungen gibt es hier eher selten, aber der Redefluss an sich und die Masse an Information, die ihr so über die Welt und ihre Bewohner herausholen könnt, ist nach allen Maßstäben ausufernd. Vieles davon dient wirklich nur der Würze, es liegt also an euch, ob ihr Wert auf solchen Smalltalk legt. Es ist schade, dass das Spiel in seinen im Ticker mitlaufenden Beschreibungen von Kampfhandlungen, Objekten und Situationen viel trockenen Humor einfließen lässt, in den Gesprächen darauf aber oft verzichtet. Man erwischt sich oft, ziellos eigentlich unbenutzbare und so nach harter Powergamer-Logik unnütze Dinge anzuklicken, weil eben der Text diesen morbiden Charme mitbringt. Bei vielen der Figuren jedoch begann ich bald, schnell zu klicken, es liest sich einfach oft zu banal.

Habt ihr den Notizblock zur Hand?

Was die eigentliche große Handlung angeht... Ihr seid Sheriffs in der atomaren Postapokalypse. Reicht doch, oder? Hoffentlich, denn zumindest die ersten Stunden seid ihr mit den Aufgaben solcher mehr als ausgelastet und das Spiel lässt sich auch alle Zeit der Welt, etwas konkreter zu werden, worum es geht. Erst langsam geht es nach einem halben Dutzend Gebieten los, zumindest etwas mehr Fahrt aufzunehmen. Ich hoffe ernsthaft, dass hier große Epik langsam aufgebaut wird und das alles zu interessanteren Dingen führt, denn bisher sind es Sachen, die ich mir selbst schon für Rollenspielrunden ausdachte. Von einem solchen Team erwarte ich mehr, als in den ersten sieben oder acht Stunden zu sehen war. Es ist nicht schlecht, es nur so... normal.

Was die eigentliche große Handlung angeht... Ihr seid Sheriffs in der atomaren Postapokalypse. Reicht doch, oder?

Übersichtlich: Die grüne Grenze zeigt, wie weit ihr gehen und danach noch schießen könnt. Die Gelbe, wie weit ihr maximal in dieser Runde laufen könnt und der rote Kreis die Reichweite eurer Waffe vom aktuellen Standort aus.

Der Ablauf in den Quests jedoch gehört zu der wiederentdeckten Maulfaulheit der Rollenspiele auf dem PC. Lest gefälligst mit, was euch gesagt wird, macht euch auch mal ein paar Notizen und denkt auch mal nach. Es gibt keine Quest-Markierungen, wer also alles wegklickt, steht oft sehr ratlos herum, was genau eigentlich gerade getan werden sollte. Das Quest-Journal ist mehr eine Art Merkzettelchen kürzester Art, ansonsten seid ihr nach wie vor auf euch allein gestellt. Das dürfte sich wohl auch nicht mehr bis zur halbwegs fertigen Veröffentlichung ändern und es ist auch genau so, wie man es gerne haben wollte. Die Illusion von Freiheit in einem Spiel, selbst wenn es am Ende dann doch nicht so viel davon gibt, wie mancher gerne gesehen hätte, ist halt glaubwürdiger, wenn man seinen eigenen Weg selbst finden muss.

Die Charaktermodelle sind inzwischen richtig ansehlich. Schade, dass man aus Gründen der Übersichtlichkeit viel zu selten so nah herangeht.

Wasteland 2 bewegt sich zwar nicht übertrieben zügig, aber doch stetig auf das zu, was den Backern versprochen wurde. Es spielt sich ein wenig bockig an manchen Stellen, ein wenig umständlich an anderen, aber das kann man ja auch Teil des bezahlten Spaßes an dieser Stelle nennen, wenn man möchte. Ansonsten habt ihr hier ein umfangreiches, oft gut geschriebenes, inzwischen deutlich besser durchdachtes Rollenspiel, das noch seine letzten Schritte in Richtung Politur und Balance nehmen muss. Wer sich jedoch nicht im Klaren ist, was ich jetzt mit positiv altmodisch im Sinne der 80er und 90er meine, der sei gewarnt. Selbst wenn alles fertigpoliert ist, dann glänzt das nicht Next-Gen-ig. Wird es nie, soll es nie sein, gut so. Wer für genau dieses Zeitgefühl bezahlt hat, der kann sich freuen: Wasteland 2 ist auf dem Weg zu etwas, das vor 15 Jahren in einer hübschen Box im Regal gestanden hätte. Der größte Unterschied ist wohl, dass ihr dabei sein „dürft" - wenn ihr zahlt -, wie es dorthin kommt, und dass die sicher immer noch am Ende vorhandenen kleinen Bugs heutzutage leicht mit Patches behoben werden können. Das ist vielleicht das Modernste an der gebotenen Spielerfahrung und ich bin vor allem bei Letzterem froh, dass es möglich ist. Weil ich trotz aller Sympathie für das Projekt befürchte, dass es nötig sein wird.

In diesem artikel

Wasteland 2

PS4, Xbox One, PC, Mac

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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