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Enemy Front - auch im Zweiten Weltkrieg schien ab und an die Sonne

Kaum zu glauben, aber wahr.

Ich gehöre ja zu der Sorte Spieler, die dem WWII-Shooter nach seinem Niedergang keine Träne hinterherweinten. Der Zweite Weltkrieg hatte der Spielwelt schon deutlich länger seinen Stempel aufgedrückt als die reale Vorlage der echten, und wer das nicht deprimierend fand, der hängt sich vermutlich auch Armeeerinnerungsstücke an die Wohnzimmerwand. Klar ist es befriedigend, kathartisch beinahe, die prototypische "Böse Armee" kompanieweise auszuradieren. Der Preis dafür aber war Uniformität in Gangart und Gestaltung.

Nicht nur fragte man sich unweigerlich, wie oft man noch die Strände der Normandie stürmen sollte. Auch visuell war es mit der Zeit ein echtes Trauerspiel. Bevor die Unreal-Engine 3 Videospiele von oben bis unten in einen unterkühlten stahlblauen Schleier hüllte, waren Grau-, Braun- und Schlammgrüntöne der dominierende Look der seinerzeit größten Sparte Ballerspiel und irgendwann hatte man einfach die Nase gestrichen voll davon. Enemy Front von City Interactive (Sniper: Ghost Warrior) macht nun direkt im ersten von uns angespielten Level alles besser. Wir sind als Kriegsberichterstatter Robert Hawkins hinter feindlichen Linien unterwegs und pirschen durch die saftigste Windmühlen- und Wiesenlandschaft diesseits von Fable.

Enemy Front erscheint für 360, PS3 und PC - dafür aber zum Nicht-ganz-Vollpreis von knapp 40 Euro.

Dass hier die CryEngine am Werk ist, merkt man direkt, auch wenn das Alienware-Notebook, auf dem uns der Titel zum Anspielen vorlag, vermutlich nicht bis ins Maximum der Grafikeinstellungen vorzudringen vermochte. Trotzdem sieht der Titel einfach einladend aus und verführt zum Verweilen. Das tut auch dem Spielablauf gut, der anders als andere Shooter eher schlauchiger Natur mehr Flexibilität ermöglichen soll. Es lohnt sich, aus der Ferne die Umgebung auszuloten, Patrouillen auszumachen und sie so auf Radar und dem Head-up-Display zu markieren. Dies gewährt einem, die Situation treffend zu erfassen und sein Vorgehen fließend zwischen Schleichen, Fernangriffen oder Sturmangriffen zu variieren.

Dabei liegt es bei euch, ob ihr euch daran stört, dass die Haudrauftaktik eine ebenso machbare ist, wie die Leisetreter- und Scharfschützenvariante. Meine Meinung: Wenn einem das Spiel alle drei Möglichkeiten anbietet, sollten auch alle davon machbar sein. Natürlich ist der Stealth-Weg kniffliger auszugucken, durchzuführen und dauert in der Regel länger. Aber er fühlt sich bei Gelingen auch ungleich befriedigender an. Großen Anteil daran hat, dass ihr bei vorsichtiger Vorgehensweise häufiger Gelegenheit zu Sabotageakten habt. Wer sich an die auszuradierende feindliche Stellung vorsichtig und lautlos herantastet, hat alle Zeit der Welt, mit dem Lösen einer Baumstammlawine auf den passenden Moment zu warten, in dem gleich zwei oder drei Feinde von Mutter Naturs Rache überrollt werden. Ich finde den Tausch gelungen, denn für mich gleicht es fast einem Game-over, in einem guten Stealth-Level doch noch entdeckt zu werden und die lauten Waffen sprechen zu lassen. Wem trotzdem noch die Spannung flöten geht, weil er meint, es stünde so nichts auf dem Spiel, der stellt das Spiel einfach einen Schwierigkeitsgrad höher. Zumindest so meine erste Einschätzung nach dem kurzen Erstkontakt. Ob die KI das dann auch hergibt, muss sich im Test zeigen.

"Es liegt bei euch, ob ihr euch daran stört, dass die Haudrauftaktik eine ebenso machbare ist, wie die Leisetreter- und Scharfschützenvariante."

Ebenfalls noch zeigen muss sich, ob die Szenarien allesamt so einladend bleiben. Gefiel das satte Grün mit seinem Bach, einer Feldsteinbrücke und zahlreichen Scheunen zum Verstecken noch ausnehmend gut, war der zweite gespielte Level an einem verschneiten Flussverlauf schon deutlich geradliniger und auch visuell buchstäblich unterkühlter. Doch auch hier war noch im Kleinen die Möglichkeit zum eleganten Spielen gegeben, wenn man sich zwischen Kistenstapeln, Verladerampen und Lagerhäusern auf Nazijagd macht und im Kleinen die richtige Vorgehensweise wählen muss.

Mit dem Scharfschützengewehr ist auch die aus Sniper bekannte Kill-Zeitlupe wieder dabei.

Als der dritte probierte Level dann in die Aufstände im Warschauer Ghetto führte, setzte die Kriegsmüdigkeit bei mir dann aber doch auf einmal wieder ansatzlos ein. Da waren sie wieder, all die Schattierungen von Schutt und Asche, die Stellungskämpfe und Korridorabschnitte, die man die ganzen Jahre über nicht vermisste. Als ich vor dem Kampf im Schritttempo durch die Basis der Widerständler spaziere, soll mir das die Schrecken des Krieges vor Augen führen und eine dichte Atmosphäre erzeugen. Nennt mich realitätsfern, aber mir gefiel die Stimmung besser, als ich noch das Heu riechen konnte.

Vom Spielgefühl her gab sich unterdessen keiner der Abschnitte eine Blöße. Auch hier macht sich wieder die CryEngine bemerkbar, denn die Waffen haben ein gutes Gewicht und das Zielen und Abdrücken in Enemy Front sind ein gutes Beispiel dafür, warum Videospiele dem Ballern an sich so ergeben sind. Und wenn man sich aus dem Sprint mit der Duckentaste schlitternd hinwerfen kann, ist für mich die Shooter-Welt sowieso in bester Ordnung. Die Pflicht wäre somit augenscheinlich erfüllt. Im Juni sehen wir dann, wie es um die Kür steht.

In diesem artikel

Enemy Front

PS3, Xbox 360, PC

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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