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Tropico 5: Wenn der Diktator unter den Sims den großen Erneuerer gibt

Vetternwirtschaft unter Palmen.

Tropico ist ein wahrhaft eigenes Biest. Erfährt ein bislang Ahnungsloser im Fahrstuhl zwischen Buchhaltung und Personalabteilung durch einen Kollegen von Haemimonts Titel, er muss sich einfach wie ein Scherz anhören. Als hätte das MAD Magazin Sim City aufs Korn genommen, um sich über die Megalomanie landläufiger Computerspieler lustig zu machen.

Und doch steckt dahinter ein durchaus ernstzunehmendes Spiel. Eine Vollblutsimulation mit einem bösem Sinn für Humor und großohrigen, zahnlückigen Beraterporträts. An den multikulturellen Stereotypen könnte man echt und ehrlich Anstoß nehmen, bekäme nicht jeder in gleichem Maße sein Fett weg. Auch die Prämisse - einmal selbst Diktator sein - ist je nach geopolitischer Lage nicht gerade unproblematisch. Doch Haemimont, aus Sofia, Bulgarien, weiß, dass sich Tyrannen am besten aushalten lassen, wenn man sich über sie lustig macht.

Teil fünf setzt folgerichtig nahtlos da an, wo der vierte aufhörte. Noch immer herrscht ihr über eine vage lateinamerikanische Insel und zieht mit meist satirisch überzeichneten Mitteln eure eigene Diktatur hoch. Die darf sich sogar durchaus auch zum Ziel setzen, ihre Bürger glücklich und zufrieden zu halten. Im Ablauf hat sich aber einiges geändert. Nicht nur sind bestimmte Gebäude jetzt an die Erforschung gewisser Technologien gebunden - keine Mine, ohne die Schaufel zu erforschen -, es wird neuerdings auch in Epochen gedacht. Der Vorgänger versteifte sich auf die Zeit des Kalten Krieges ab den frühen Fünfzigerjahren und stellte den Eiertanz eines Kleinstaats zwischen den verfeindeten Ideologien der UDSSR und USA in den Vordergrund. Anno 2014 beginnt ihr dagegen als Verwalter eines Kolonialstaats und arbeitet euch über die Zeit der Weltkriege und den anschließenden Kalten Krieg bis in die Neuzeit vor.

Die überarbeitete Engine rückt eure Untertanen in angenehm tropisches Licht.

Streckenweise bleibt ihr dabei dennoch verschiedenen Gönnern oder Herrschern ergeben. Zumindest vordergründig. Zu Beginn arbeitet ihr mit verschiedenen Erlassen und Entwicklungen auf die Unabhängigkeit von der Krone hin. Gleichzeitig müsst ihr aber auch vorsichtig sein, euer von der nicht näher spezifizierten Kolonialmacht ausgegebenes Mandat nicht zu verlieren. Man fühlt sich fast ein bisschen intrigant, hinter dem Rücken des königlichen Botschafters mit einem komplett vertrauenswürdigen Geheimdienstler eigene Pläne zu schmieden, während die Krone ein ums andere Mal eure Herrschaftsperiode ausdehnt.

"Wer sein Regierungsviertel als Altstadtkern belassen will, hat die Mittel dazu."

Diese Ränkespiele und der neue übersichtliche Technikbaum wären schon an und für sich eine schöne Neuerung, die Epochen tun aber auch etwas für eure Stadtentwicklung. Nicht nur kommen mit jeder Ära zahlreiche neue Gebäude hinzu, die alten werden auch modernisiert. Ob ihr hingegen bereits bestehende Anlagen auf den Stand der Zeit bringt, bleibt euch überlassen. Wer sein Regierungsviertel also als Altstadtkern belassen will, während sich die angehende Metropole an ihren Rändern erneuert, der hat die Mittel dazu. So will Haemimont für organisch-authentische Stadtentwicklung sorgen. In den drei Stunden, die ich Tropico 5 bei Hersteller Kalypso anspielte, zeigte sich das noch nicht, aber das sagt eher etwas über meine konfuse Bauweise aus.

Ebenfalls neu ist das Dynastie-Feature. Euer persönlicher Diktator zeugt automatisch eheliche Nachkommen oder erkennt auf Wunsch - oops - uneheliche an. Wie euer eigener El Presidente verfügen auch sie über Charakterwerte. Setzt sie als Diplomaten, Manager, Generäle oder als euren Nachfolger ein - vollkommen verfassungskonform und basisdemokratisch natürlich. Analog dazu ist das Schweizer Bankkonto, das vorher wenig mehr als ein Punktezähler war, jetzt deutlich wichtiger. Mit dem hier gebunkerten Zaster steigert ihr ihre natürlichen Talente. So könnten sich eure Sprösslinge als wichtige Ressource erweisen. Auch hier wird der Langzeittest zeigen, inwieweit das Weiterreichen des Zepters motiviert. Eine ansprechende Idee, die dem Ganzen eine zusätzliche, nett glitzernde Facette verleiht, ist es allemal.

Modernisierungen von Gebäuden sollen für ein organisches Stadtbild sorgen.

Schon lustig, dass es bis zum fünften Tropico gedauert hat, aber mittlerweile bestimmt ihr mit der Unabhängigkeitserklärung auch erstmals eine Verfassung, die ihr nur alle 60 Monate ändern dürft. Bestimmt darüber, wer wählen darf, urteilt über Trennung von Staat und Kirche und ob sich das Militär aus Wehrpflichtigen oder aus einer Berufsarmee bestehen soll. Wiederum: Auch hier wird der Härtetest mit einer länger spielbaren Fassung die letztendlichen Möglichkeiten aufzeigen. In einem Spiel wie diesem ist es aber eine ebenso logische wie konsequente Weiterentwicklung. Eine unerwartete Leihgabe aus dem Echtzeitstrategiesegment sorgt unterdessen für einen verhältnismäßig neuen Aspekt in Tropico: Eine Art Kriegsnebel verschleiert Gebiete der Insel, in die ihr noch nicht vorgedrungen seid. Das ergibt insofern Sinn, als dass man sich Bodenschätze nicht einfach so per Menüfunktion anzeigen lassen kann. Stattdessen muss man jetzt Milizen in fremde Territorien schicken, um etwa neue Rohstoffminen zu entdecken.

Dazu gibt es die üblichen Verbesserungen im Kleinen. Die Grafik sieht nun farbenfroher, kontrastreicher und einladender aus, der Almanach ist deutlich detaillierter und hilfreicher, weil er die Zyklen transparenter aufdröselt. Zusätzlich hat man deutlich mehr Kontrolle darüber, was wohin exportiert wird. Wer den Markt im Auge behält, nutzt besonders lukrative Handelsrouten aus. Den Mehrspielermodus, der gegeneinander wie auch kooperativ funktionieren soll, konnte ich leider ebenfalls noch nicht ausprobieren. Definitiv der Punkt, auf den ich mich mit am meisten freue.

Hobbydiktatoren sehen: Auf dem politisch herrlich unkorrekten Eiland hat sich einiges geändert. Eindeutig mehr, als es beim Schritt von der dritten zur vierten Amtszeit der Fall war. In nur drei Stunden war für mich allerdings noch nicht abzusehen, wie gut und feste all die Neuerungen greifen. Andererseits wäre es auch bedenklich gewesen, hätten sich die Zyklen derart schnell entblättert. Auf dem Papier stellen sie zumindest reizvolle, frische und vor allem sinnige Systeme dar, die ich zur Veröffentlichung Ende dieses Monats mit großer Freude auf die Probe stellen werde. Es ist eindeutig zu lange her, dass ich das letzte Mal die „Lex Alejandro Bohnanza" ausrief und alles nach meiner Pfeife tanzte.

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