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Das Dark Souls der Adventures, jetzt in modern: realMyst Masterpiece Edition

Das größte Rätsel bleibt jedoch ungelöst.

Es gibt Spiele, die verschwinden einfach nicht. Sie stellen sich als so zeitlos und spannend heraus, sie schaffen es, immer wieder ein paar neue Spieler in ihren Bann zu ziehen und auch die alten noch einmal zurückzulocken. Nicht einmal nur aus den üblichen Motiven der Nostalgie und Sehnsucht nach einer anderen, mitunter vermeintlich besseren Zeit, sondern weil sie etwas zu bieten haben, das sonst nur schwer zu finden ist. Ein Beispiel dafür ist sicher Myst. Das Spiel scheint einfach nicht zu versinken, nicht in den Resterampen ominöser Abandonware-Seiten zu versauern, seine außerweltliche Stimmung fasziniert bis heute. Selbst wenn jetzt schon eine Weile kein neuer Teil mehr erschien, was nach dem relativ finalen Ende von Myst V: End of Ages auch nicht wirklich erstaunt: Das Original wird immer noch so geliebt, dass gerade schon wieder eine neue Ausgabe erschien und euch nun sage und schreibe vier Versionen ermöglichen, in eine ganz eigene Spielwelt einzutauchen.

Der Uhrenturm. In der neuesten Fassung kann man es mit den optionalen Lichteffekten ganz schön übertreiben. (Myst Masterpiece Edition)
realMyst
realMyst Masterpiece Edition

In gewisser Weise ist diese das Dark Souls unter den Adventures, selbst wenn es nicht annähernd so tödlich ausfällt. Der Schwierigkeitsgrad jedoch bewegt sich heute immer noch in einer ganz eigenen Liga und begründete mit seiner Art euch Aufgaben zu stellen das eigene Genre der "Myst-Adventures". Statt einer linearen Handlung zu folgen und mehr oder weniger schlüssige Realwelt-Lösungen für nacheinander folgende Ereignisse zu finden, müsst ihr seltsame Maschinen entschlüsseln. Nicht nur ihre Funktionsweise bleibt oft genug lange Zeit rätselhaft, auch ihr Sinn und ihre Zusammenhänge mit anderen Apparaturen lassen sich nicht auf den ersten Blick erkennen.

Das Spielprinzip basiert darauf, Hinweise zu entdecken, die die vormaligen Bewohner an Stellen und auf Arten hinterließen, von denen man glauben kann, dass sie für denjenigen wirklich recht offensichtlich waren, nur halt für niemand anderes. Es ist nicht einmal so, dass sie diese Erinnerungen wirklich versteckten, es ist mehr so als würdet ihr etwas notieren, das ihr später braucht und nie daran denkt, dass es mal für jemand anders wichtig sein könnte. Das ist mitunter dermaßen kryptisch, dass ihr abwechselnd immer wieder am Spiel und eurem Verstand zweifeln werdet.

"Find the blue pages."

Achenar

Das wahrhaft Kryptische und der Grund für meinen Dark-Souls-Vergleich ist die Story selbst. Die Mythologie hinter den Inseln und Zeitaltern der Myst-Serie ist schon klar strukturiert aufgeschrieben extrem verwoben und verschachtelt - wenn auch nicht ganz so komplex, wie es zunächst den Anschein hat -, ihre Erzählweise macht es nicht gerade einfacher. Myst und seine Insel selbst ist frei von Lebewesen, die mit euch normal kommunizieren. Die Interaktion erfolgt über die sehr raren Verbindungsbücher, aus denen heraus euch die verschwundenen Bewohner per Videobotschaft essentielle Teile der Handlung zukommen lassen. Den Rest reimt ihr euch aus den zahlreichen Einträgen normaler, über die Insel verstreuter Bücher zusammen. Was dann noch bleibt, ist eben das Mysterium dieses Spiels. Es ist so mystisch, dass es bis heute Debatten und Diskussionen zu Details gibt.

Vom Uhrenturm einmal um 180 Grad gedreht, der Blick zurück zum Tempel. Inzwischen kam etwas Vegetation dazu, die älteren Fassungen wirken mit dem glatten Boden und den hohen Bäumen unwirklich. (Myst Masterpiece Edition)
realMyst
realMyst Masterpiece Edition

"Find the red pages."

Sirrus

Das ursprüngliche Myst war eine Mischung aus Rendern und Photoshop. Ursprünglich gab es kein vollständiges 3D-Modell der Insel mit allen Einzelheiten, sondern mehr ein Grobraster. Die dann gezeigten Bilder wurden mit Details gerendert und anschließend per Photoshop aufgehübscht. Trotz gerade mal 256 Farben hat das Ergebnis zu seiner Zeit jeden überzeugt, der sphärische und zeitlose Soundtrack - auch geeignet für fast jede andere Form der Meditation - tat sein Übriges dazu und selbst wenn sicher nicht jeder der vielen, vielen Käufer die Geheimnisse der Insel löste, in ihren Bann wurden sie alle geschlagen. Wie schon gesagt, müsst ihr euch heute nicht mit 256 Farben zufriedengeben, ihr habt nun insgesamt vier Versionen zur Auswahl:

Myst (1993)

Wenn ihr es authentisch und hardcore mögt, dann holt euch das Original. Es ist relativ leicht zu finden, ob nun auf PC oder PlayStation, für etwa 20 Euro findet ihr Originalkartons mit einer CD-ROM, die euer schönes, neues Windows 7 oder 8 in den Wahnsinn treiben dürfte. Habt ihr es dann doch zum Laufen bewegt, werdet ihr mit einem Blick zurück in die Anfangstage der CD-Technologie am PC belohnt. Renderbildchen in 256 Farben, eine minimalistische Auflösung und Briefmarken-Videos, die bis nah an die Grenze der Unkenntlichkeit komprimiert wurden. Gelaufen wird ausschließlich Schrittweise, da es damals noch keine Möglichkeit gab eine 3D-Engine mit solcher Optik zum Laufen zu bringen. Das gestaltet die Größe und den Aufbau der Insel verwirrender als er eigentlich ist.

Myst Masterpiece Edition (2000)

Deutlich leichter lässt sich die Masterpiece Edition zum Laufen bringen und sie belohnt euch mit deutlich mehr Farbtiefe, hübscheren Videos und sogar komplett neu gerenderten Animationen. Das wahre Highlight ist jedoch der neu gemasterte Soundtrack, der jetzt deutlich voller klingt als zuvor. Als leichtes Sakrileg empfinden Vertreter der reinen Lehre jedoch die dezente Hilfefunktion für die Rätsel. Davon abgesehen bekommt ihr jedoch die Originalerfahrung mit umschaltenden Bildern und dem Umfang des Originals. Wer es authentisch möchte, das ist eure Fassung.

Das Raumschiff. Selbst auf kurze Distanzen sieht man noch die massive Nebelwand von realMyst, die sich mit der Masterpiece nun drastisch lichtete.(Myst Masterpiece Edition)
realMyst
realMyst Masterpiece Edition

realMyst (2000)

Auch in 2000 schließlich wurde die Insel greifbar, zumindest im Rahmen einer 3D-Engine. Keine sonderlich dolle, aber haben die teilweise ganz schönen Sprünge der Urfassung noch verwirrt und auch ein wenig verschleiert, dass die Insel nicht gerade groß ist, bekommt ihr hier einen deutlich fassbareren Eindruck der Räumlichkeiten. Was jedoch schnell auffällt, ist die unterirdische Performance der Engine, wenn ihr nicht die alternative Variante wählt, die immer noch schrittweise umschaltet, sondern wirklich frei herumlaufen wollt. Auf einem durchaus modernen PC ging es bei einer 1080p-Auflösung immer wieder mal auf drei Frames pro Sekunde runter und beschleunigte dann auf sehr instabile 30. Das war für eine andere Generation optimiert - wenn überhaupt - heute jedoch ist es auch dank der nicht ganz ausgereiften Steuerung eher ein Fall für Sammler.

Die wichtigste inhaltliche Erweiterung war das Rime-Age, eine kleine zusätzliche Insel mit einer Handvoll kleinerer Rätsel. Nicht weltbewegend, aber die Myst-Mystiker streiten bis heute, wie das ganz genau in den Kosmos passt - das es passt, da scheint man sich einig - und insoweit nicht essentiell, aber man nimmt es gerne mit. Der Myst-Schöpfer Robyn Miller war seinerzeit überigens nicht zufrieden mit realMyst: "Als ein Remake ist es orientierungslos, nur eine offensichtliche Vermarktung und nicht das, was wir uns als Vision für Myst vorgestellt hatten."

realMyst Masterpiece Edition

Zum 20-jährigen Jubiläum der Reihe erscheint nun eine Neuauflage von realMyst und die nahm sich die allseits für solche Projekte sehr beliebte Unity-Engine. Gute Wahl, denn die läuft hier nicht nur generell stabil, sondern erlaubt auch eine Reihe Grafikspielereien wie Bloom oder vielfaches Antialiasing. Das Ergebnis ist vorzeigbar. Sattes Grün im Gras, die Gebäude wirken ohne den Nebel unwirklicher - die Stimmung wirkt durch dieses kleine Mehr an „Normalität" noch surrealer - und die Frameraten bleiben stabil hoch. Die Steuerung wurde angepasst und es spielt sich fast wie ein Shooter. Nur, dass es halt nichts zu shootern gibt, sondern nach wie vor die 20 Jahre alten Rätsel. Inhaltlich behielt man Rime bei, ansonsten ist das Myst, wie ihr es seit Anbeginn der CD-ROM kennt. Die Videos wurden mal wieder ein wenig aufpoliert, an der Handlung verändert das nichts. Diese bleibt kryptisch und auf ihre ganz eigene Art spannend.

Mit der realMyst Masterpiece Edition hat es Myst wieder einmal geschafft, technisch frisch (genug) zu bleiben. Das Rätselkonzept hat sich schon zuvor als zeitloses „Liebe-es-oder-hasse-es" herausgestellt, es spaltet in dieser nun (fast) modernen Fassung, wie es das schon immer getan hat. Wenn ihr es nicht kennt, dann versucht es. Es ist ein jetzt wieder einmal aktuelles, leicht und frisch erlebbares Stück Spielegeschichte und dann wisst auch ihr , auf welcher Seite ihr steht. Was ich nie ganz verstanden habe und das auch nach all den Jahren nicht so richtig, was das größte Rätsel ist: Warum es für lange Zeit - bis zum ersten Sims - das meistverkaufte Spiel überhaupt war. Ich mag es als Spiel, ich liebe seine Stimmung aber, das Ding ist ein Buch mit sieben Siegeln. Die Rätsel sind verschroben, die Lösungen logisch um drei Ecken gedacht und es erfordert eigene Notizen und eine Menge Kombinationsgabe. Es gab seitdem schwerere Spiele dieser Art, aber Myst war schon nicht ohne. Das Ding ist nach allen normalen Maßstäben hardcore. Warum hat Mitte der 90er jeder ausgerechnet das gespielt?

Wir bedanken uns bei gog.com für die realMyst Masterpiece Edition.

In diesem artikel

Myst

iOS, PSP, PC, Nintendo 3DS, Nintendo DS

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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