Skip to main content
Wenn du auf einen Link klickst und etwas kaufst, können wir eine kleine Provision erhalten. Zu unseren Richtlinien.

Assassin's Creed: Unity und Frauen - Anschreien hilft nicht

Der Streit um weibliche Assassinen offenbart die wahren Probleme der Debatte.

Wie wichtig ist es wirklich, dass wir weibliche Assassinen in Assassin's Creed: Unity spielen können? Diese Frage beschäftigte mich die vergangenen Tage ständig. Alles begann mit der unüberlegten Antwort des Directors Alex Amancio auf die Frage, ob auch Frauen im Koop-Modus des Titels vertreten seien. "Es verdoppelt die Animationen, die Stimmen, all diese Dinge und auch die Zahl der visuellen Assets", äußerte er sich in einem Interview.

Natürlich reagierten viele Leute nicht gerade freundlich auf diese Aussage. Verständlich, muss ich zugeben. Es braucht nicht viel Vorstellungskraft, um diesen Satz in den falschen Hals zu kriegen. "Frauen sind uns nicht wichtig. Es bedeutet zusätzliche Arbeit, die uns für weibliche Figuren zu schade ist." So hörte es sich wahrscheinlich für die meisten an, die prompt zur Tastatur griffen und in Foren, auf Blogs oder Twitter ihre Anschuldigungen hinterließen.

Dementsprechend musste sich Amancio schnell korrigieren. "Ich denke, die Verwirrung startete mit dem Koop-Modus, in dem es so aussah, als wäre es ein Avatar, aber das ist die Figur nicht. In Unity spielt ihr einen Charakter namens Arno und im Koop-Modus spielt ihr auch Arno. Jeder ist Arno.", verbesserte er seinen Standpunkt wenig später.

Wieso hat sich niemand bei Watch Dogs beschwert?

Auch wenn ich glaube, dass seine ursprüngliche Antwort noch immer der Hauptgrund für die Entscheidung ist, ergibt die neue Erklärung Sinn. Schließlich beklagte sich auch niemand bei Watch Dogs, obwohl man das gleiche Prinzip im Multiplayer-Modus verwendete. Wenn ich Arno spiele und jeder meiner Kumpanen ebenfalls, würde es mich meiner Immersion berauben, plötzlich eine weibliche Figur neben mir zu sehen.

"Aber das reicht uns nicht". "Dafür gibt es keine Ausrede". "Frauen müssen im Spiel repräsentiert werden, und zwar durch spielbare Figuren. Komme, was wolle!" So in der Art lese ich weiterhin Vorwürfe und Forderungen, die sich an Ubisoft oder die Entwickler richten.

Meine Gegenfrage dazu lautet: Wirklich?

Ich bin mir der Tatsache bewusst, in was für ein Hornissennest ich mich damit wage. Dennoch halte ich es für fragwürdig, auf Teufel komm raus Frauen in ein Spiel einzubauen. Denn was wir eigentlich wollen, sind gute Charaktere. Obwohl Videospiele auch auf männlicher Seite viel zu selten ins Schwarze treffen, sieht es für Frauen wesentlich schlechter aus. Ich will richtige Figuren sehen, die ihre eigene Persönlichkeit haben und mir dadurch in Erinnerung bleiben. Frauen in Videospielen sollen nicht bloß zu einem Item auf der Checkliste versauern, die wie Achievements in jedes Spiel eingebaut werden müssen. Dadurch erwirken wir nur das Gegenteil: Langweilige Copy-Paste-Ableger männlicher Körperhüllen, deren Persönlichkeitsbeschreibung auf eine Visitenkarte passt.

"Frauen sollten nicht nur einen Punkt auf einer Checkliste erfüllen, sondern ein integraler Bestandteil der Erfahrung sein, die über langweilige Charakteroutfits hinausgeht."

Einige boykottieren nun Assassin's Creed: Unity. Haben die gleichen Personen auch Liberations unterstützt?

So starke Nötigungen, wie ich sie in den letzten Tagen immer wieder lesen durfte, bringen das Studio nicht dazu, plötzlich einen glaubhaften Charakter als Protagonist einzubauen. Eher schmeißen sie eine Tokenfigur hinterher, um die Schreihälse zu beruhigen. Ich möchte nicht, dass Frauen in Videospielen zum schwarzen oder schwulen Sidekick der Film-/TV-Industrie werden, die nur da sind, um eine gewisse Demographie zu besänftigen.

Außerdem untergräbt dieses Verhalten den Fortschritt, den Ubisoft vor allem mit Assassin's Creed geleistet hat. Nicht nur eine Frau übernahm die Hauptrolle in einem Ableger, fast jeder Protagonist fällt durch seine Herkunft aus dem üblichen Rahmen normaler Hauptcharaktere. Es scheint mir, als ob dieser Faktor keine Rolle spielt. Warum regt man sich auf, dass keine Frauen in Assassin's Creed: Unity spielbar sind, aber niemand beschwert sich über einen fehlenden schwarzen Charakter? Wir sollten uns lieber allgemein Diversität in allen Formen wünschen und uns nicht auf einen Teil davon beschränken.

Um noch einmal meine vorherige Frage aufzugreifen: Sollte man immer Frauen fordern? Nein. Denn manchmal passt es nicht, wie bei South Park: Der Stab der Wahrheit. Auch dort forderten viele einen weiblichen spielbaren Charakter, obwohl die Handlung dadurch nicht länger funktionieren würde. Selbst die Möglichkeit des Crossdressings war nicht genug. In solchen Fällen wirken derartige Forderungen dumm und unüberlegt, wenn man dadurch sogar die Glaubhaftigkeit der Geschichte gefährdet.

Stattdessen sollten wir unseren Wunsch nach einer besseren Auswahl unterschiedlicher Charaktere äußern. Es besteht ein großer Unterschied zwischen lautstarken Anschuldigungen, die ausschließlich eine Agenda verfolgen, und der generellen Bitte, mehr an alle Spielergruppen zu denken und für Vielfalt zu sorgen. Perfekt illustriert in einem wunderbaren Comic.

"Es besteht ein großer Unterschied zwischen lautstarken Anschuldigungen, die ausschließlich eine Agenda verfolgen, und der generellen Bitte, mehr an alle Spielergruppen zu denken und für Vielfalt zu sorgen."

Ist die Frauenquote wichtiger als die Qualität der vertretenen Figuren?

Ubisoft hat sich in diesem Bezug als eine der bisher aufmerksamsten Firmen erwiesen. Nicht nur bei Assassin's Creed. Child of Light lässt euch als kleines Mädchen spielen, mit Aisha Tyler repräsentiert eine Frau die Firma auf Veranstaltungen und durch die Gruppe Frag Dolls möchte man mehr Frauen von Spielen überzeugen. Darüber hinaus verhilft deren Cadette Academy vielen Anwerberinnen zum Einstieg in die Industrie. Ubisoft nun wegen Unity an den Pranger zu stellen, halte ich daher für unangebracht.

Erst recht, wenn sich die Erklärungen logisch anhören. Natürlich hätte das Team gerne mehr Vielfalt in der Charakterauswahl geboten. Wenn aber ein strikter Zeitplan nicht jedes Feature erlaubt, müssen Dinge gekürzt werden. Und bevor spielerische Elemente fallen, verschwinden eben Dinge wie Charakteroptionen, die das Gameplay faktisch nicht beeinflussen. Hier bin ich ehrlich: Gebt mir lieber ein funktionierendes Spiel mit ausgearbeiteten Spielelementen, bevor diese für ein paar Charaktermodelle leiden müssen. Denn so nobel die Agenda auch ist: Wenn ich dafür ein schlechteres Spiel erhalte, ist es das nicht wert. Außerdem werden die Möglichkeiten sicherlich im nächsten Teil zurückkehren, sobald das Team besser mit der neuen Engine vertraut ist.

Worum wir in der Zwischenzeit bitten sollten, sind weibliche Figuren, die einen wirklichen Unterschied bewirken. Gebt uns neue Jades, Auroras und Avelines. Ja, auch sonstige Vielfalt ist super und gern gesehen. Aber nur, wenn es Sinn ergibt und es die Ressourcen hergeben. Frauen sollten nicht nur einen Punkt auf einer Checkliste erfüllen, sondern ein integraler Bestandteil der Erfahrung sein, die über langweilige Charakteroutfits hinausgeht. Ebenso darf man nicht vergessen, dass auch sie nur einen Teil der Diversität in Spielen ausmachen. Wir wollen schließlich von allem mehr. Es ist sicherlich ein weiter Weg, bis wir das Ziel erreichen. Aber jemanden anschreien, der bisher bei der Reise geholfen hat, ist keinesfalls die beste Methode.

Read this next