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Enemy Front - Test

Manchmal muss man sich entscheiden, will man wenigstens eine Sache richtig hinbekommen.

Der Auftakt rettet es ein wenig, dann endet der gut gedachte und schlecht gemachte Stealth-Shooter immer mehr im miesen Leveldesign.

Einen wirklich guten Shooter zu entwickeln ist nicht leicht. Ein gutes Stealth-Spiel legt man auch nicht einfach mal eben so hin. Beides zu kombinieren, sodass wirklich zwei legitime Spielweisen entstehen, ist also in gewisser Weise die Königsklasse, an die sich nicht jedes Studio wagen sollte. CI ist leider (noch) keines von diesen Häusern, die sich daran versuchen sollten, und Enemy Front der nicht ganz traurige, aber doch deutliche Beweise dessen.

Im mit acht Stunden normal ausdauernden Spiel erlebt ihr theoretisch die Wandlung eines gestrandeten Kriegsreporters zum Widerstandskämpfer gegen die Nazis und mischt so in einer Reihe von entscheidenden Momenten des Kriegs mit. Nicht an den großen Frontschlachten, sondern hinter den Linien. In Frankreichs besetzen Landstrichen, bei Anschlägen auf wichtige Waffenfabriken und sogar in der Hölle des Warschauer Ghettoaufstandes geht es gegen den ewigen Feind, der für die, davon abgesehen, ungeschnittene deutsche Version auf verfassungsfeindliche Symbole verzichtet. Es ist leider keine glaubwürdige oder jenseits der Orte interessante Handlung, die Figuren bleiben plump und so eindimensional wie einsilbig.

Zumindest gibt es mal stellenweise nicht nur Schlammbraun und Matschdunkel als Frabe des Krieges.

Für einen Shooter, auch einen Stealth-Shooter, muss das jetzt kein Drama sein, auch Wolfenstein bot nicht gerade geistig Stimulierendes. Nur dummerweise lässt sich der Vergleich fortführen. Wie es auch in Wolfenstein: The New Order weit wichtiger war, mit einem dicken MG auf alles zu halten, was das Regime des Weges schickte, ist es euch in Enemy Front weit leichter und meist sinnvoller, den Reporter gleich eines Blazkowicz zu spielen und Stealth einfach Stealth sein zu lassen. Indem ihr selbst auf dem hohen Schwierigkeitsgrad mit einer halbwegs sicheren Zielhand an Stick oder Maus dank schneller Regeneration, viel Deckung und ausgesucht dämlicher Feinde keine Probleme habt, auch größere Stellung im Alleingang auszuheben, beraubt sich das Spiel gleich mal der Hälfte seiner Prämisse. Ihr spielt keinen Reporter, ihr spielt Arnold in Commando. Womit das Schleichen auch gleich ad acta sein dürfte.

In der Theorie, die aus diesen Gründen selten angewendet wird, bieten die relativ großen Areale - im Sinne von "Es gibt auch links und rechts einen Weg entlang der offensichtlichen Route direkter Zerstörung" - Möglichkeiten, die Wachen von hinten leise aus dem Weg zu räumen oder gleich zu umgehen. Schattenspiele kennt Enemy Front leider nicht, aber zumindest ist der Indikator, wann ihr gesehen werdet, zuverlässig und auch hilfreich. Die netteste Idee in diesem Zusammenhang sind laute Umgebungsgeräusche. Wer auf den Rhythmus einer Schießübung achtet oder auf ein vorbeidonnerndes Flugzeug wartet, kann dieses Geräusch nutzen, um den Lärm des eigenen Schusses zu verdecken. Die Idee sollte in Zukunft in jedem Stealth-Spiel genutzt werden, Sound als derartiges Spielelement gibt es leider noch viel zu selten.

Beim Schleichen zeigt euch die grundsätzlich überforderte KI oft den Rücken...

Also ja, das Schleichen geht, es fühlt sich dank eher rudimentärer Gegnerkennzeichnungen nie zu leicht an und die Umgebung lässt ein wenig Taktik zu. Zu diesem Zweck baute man ein paar Fallen ein, wie ein Laster an einem Hang, den man in eine MG-Stellung kullern lassen kann, oder verdächtig viele Dinge allerorten, die schlecht gesichert herumhängen und nur darauf warten, eine arme Wache zu erschlagen. Mit ein wenig Überlegung und Umsicht kann man so ganz gut den Feind dezimieren und er glaubt immer noch nicht an einen Angriff, sondern dass die Vorschriften zur Sicherheit am Arbeitsplatz überarbeitet werden sollten.

Aber warum die ganze Mühe? Die KI verdirbt einem einfach alles. Die beste Vorgehensweise ist folgende und funktioniert in fast jeder Situation: Stellt euch zu Beginn einer Begegnung direkt hin, achtet darauf, dass ihr links und rechts eine Deckung bereit habt, und schießt. Entweder in die Luft oder auf das erste Ziel. Jetzt kommen die dummen Deutschen angerannt und bieten perfekte, freistehende Zielscheiben. So seid ihr schon mal das erste halbe Dutzend los und die restlichen hüpfen oft genug von Deckung zu Deckung oder schauen neugierig aus dieser hervor, dass es selbst leicht angeheitert nach dem 4:0 gegen Portugal kein Problem war, sie zu erledigen. Im schlimmsten Falle flüchtet ihr ein paar Meter, hockt euch in Deckung und dank der großen Level ist es mit genug Abstand überhaupt kein Problem, von den Wachen vergessen zu werden. Sobald sie nach ein paar Sekunden wieder ihre Bahnen ziehen, startet ihr einen neuen Angriff.

...beim Schießen die breite Front.

Als wäre das nicht genug: Um sowohl die Stealth-Option obsolet zu machen und das Spiel auch als Shooter aus der Spitzenklasse auszuschließen, fühlt sich der Rest eher mau an. Zeigte Wolfenstein: The New Order gerade erst, wie sich ordentliches Großwaffenfeedback anfühlen muss, fehlt dieses praktisch in Enemy Front. Es gibt keine Illusion von Gewicht und Kraft. Es fühlt sich schlicht langweilig an. Das Trefferverhalten bei den Freund und Feind fällt in die Kategorie "Halt drauf und guck, was passiert". Manchmal habt ihr einen Feind hinter einer löcherigen Deckung klar im Blickfeld, aber könnt ihn nicht treffen, weil dem Spiel nicht danach ist. Gleichzeitig treffen die Feinde auf fast beliebige Distanzen, sobald sie euch noch nicht aus dem Blickfeld verloren haben. Die Bewegungen der Helden dagegen wirken behäbig und plump. Nur das Rutschen nach einem Sprint funktioniert gut, aber das rettet auch nicht mehr so viel. Enemy Front spielt sich schlicht und ergreifend nicht angenehm.

Technisch steht zwar überall ganz groß CryEngine drauf, aber eine Engine ist auch nur ein Werkzeug und wenn man Cryteks Leistungen damit vergleicht und dann Enemy Front, wird das deutlich. Natürlich ist der Vergleich irgendwo unfair und das Spiel sieht von Zeit zu Zeit auch mal insgesamt ordentlich aus. Vor allem etwas weitläufigere Außenbereiche, allen voran das auch im Vorfeld gern präsentierte grüne Frankreich, machen auf dem PC was her. Nicht viel, aber immerhin. Man darf halt nie zu genau auf Texturen in der Nähe und schon gar nicht auf die erzpeinlich animierten NPCs achten. Dann sieht es auch wie ein gutes Spiel vor fünf Jahren. Auf der 360 gilt dies mit Abzügen bei der Auflösung und Framerate auch, zu einem Problem wird Letztere aber derzeit auf der PS3. Hier beginnt das Spiel deutlich häufiger, leicht zu ruckeln. Ist alles noch im Rahmen, wenn die eigene Toleranz solchen Dingen gegenüber hoch genug ist, aber Ästheten finden genug zum Kritteln.

Die breite Waffenauswahl ist nett, aber eigentlich reicht grundsätzlich ein MG und ein Stein zum Verstecken. Sie werden schon kommen, um es euch leichter zu machen.

Enemy Front ist ambitioniert. Es hat ein paar Ideen, die meisten davon sogar ganz gut. Der Umfang stimmt, die Technik ist keine Katastrophe. Wenn es sich jetzt noch auf eine Sache konzentriert hätte, dann wäre es vielleicht was geworden. Wenn es seine Energie nicht für das letztlich überflüssige Stealth verwendete und sich ganz dem Schießen hingäbe, eine KI über dem Niveau von Serious Sam hätte, dazu noch ein gutes Spielgefühl beim Ballern, dann ja. Vielleicht hätte es auch geklappt, wenn es komplett auf Schleichen ausgelegt worden wäre. So hängt es in der Luft. Die hübsch angedeutete, letztlich jedoch schwache Handlung konterkariert sich selbst mit dem übermächtigen Helden, der Stealth einfach nicht nötig hat. Es bleiben am Ende ein paar nicht ganz gewöhnliche Handlungsorte, denen es alleine aber nicht gelingt, einen durch und durch belanglosen, oft ärgerlichen Shooter aufzuwerten. Wer zu viel möchte, steht manchmal am Ende mit leeren Händen da.

4 / 10

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