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Gods Will Be Watching - Test

Zufall ist der einzige Ausweg aus dem No-Win des Lebens.

8-Bit-Minimalismus kombiniert mit wirren Spielmechaniken macht kein gutes Survival-Spiel. Aber ein sehr, sehr interessantes.

Lasst mich versuchen zu beschreiben, was ich von Gods will be Watching erhoffte: eine Art Little Computer People, nur mit Rätseln, Handlung, moralisch schwierigen Situationen und vielen möglichen Wegen, all das zu überstehen.

Was ich bekam, war in etwa dieses: eine Art Little Computer People, nur mit Rätseln, Handlung, moralisch schwierigen Situationen und vielen möglichen Wegen, all das zu überstehen.

Ich bin ganz schön enttäuscht.

Das Problem dürfte zum einen meine Vorstellung dessen sein, was Little Computer People in meiner Erinnerung als unabhängige KI, die nicht gleich durchschaubaren Mustern und Logik folgt, leisten konnte. Um es kurz zu machen: nicht allzu viel. Zum anderen ist es das, was die KI in diesem nun sehr viel jüngeren Werk leistet und wie sie es versucht zu verschleiern, dass sie sehr simplen Abläufen folgt, statt ein Netzwerk aus Abhängigkeiten zwischen instabilen Radikalen in einem immer wärmer werdenden Reagenzglas zu simulieren. Letzteres mag ein wenig zu viel verlangt sein, aber es ist leider das, was nötig gewesen wäre.

Survival erfordert mitunter drastische Maßnahmen.

In sieben Kapiteln werdet ihr immer in eine Situation gesetzt, in der ihr am Leben bleiben sollt und die eine ganz Menge an Variationen bietet, das nicht zu tun. Ich beschränke mich auf möglichst wenig konkrete Beschreibungen, um nicht zu viel zu spoilern - ein Großteil des Spaßes kommt daher, eine Situation kennenzulernen und zu erkunden -, aber alle laufen nach ähnlichen Mustern ab. Es trifft also alles auf sie weitestgehend genauso zu. Im ersten Kapitel geht es um eine Geiselnahme. Ihr habt auf der rechten Seite die Space-Polizei, die sich nähert. Links habt ihr einen Computer, der gehackt werden muss, was Zeit kostet. In der Mitte hocken ein paar Geiseln, die die Polizisten in Schach halten, ein Kämpfer, der auf die Cops schießen kann, und ihr, die ihr all das steuert. Mehr oder weniger. Tut ihr nichts, nähert sich die Ordnungsmacht unaufhörlich und es gibt ein Game-over, bevor eure Aufgabe erfüllt wurde. Um das zu verhindern, könnt ihr auf die Cops schießen (lassen), was sie etwas zurücktreibt. Das jedoch beunruhigt die Geiseln, die in ihrer Verzweiflung dann vielleicht einen Aufstand wagen. Ignoriert ihr die Geiseln, fühlen sie sich zu sicher und versuchen andere Dummheiten. Ihr könnt eine freilassen, um die Polizei etwas abzuhalten, oder mit den Cops verhandeln.

Es gibt auch noch ein paar mehr Möglichkeiten und in der Masse dieser Optionen liegt die Schwierigkeit. Die Situation ist so fragil, dass die allermeisten Dinge, die ihr tut, am Ende zu eurem Ableben führen, wenn auch nur langsam. Es ist möglich, relativ schnell die Muster und Zusammenhänge zu erkennen und auch, dass die logisch besten Wege euch gar nicht offenstehen. Ihr könnt euch nicht mit den Geiseln praktisch "anfreunden", um sie ruhigzustellen, und ihr könnt sie nicht so in Angst und Schrecken versetzen, dass die nur panisch allen Anweisungen folgen. Ihre Muster verändern sich durch eure Aktionen nicht wirklich, sondern nur für den nächsten Spielzug, um dann wieder in die ursprünglichen Parametern zurückzufallen. Es gibt Entscheidungen und Konsequenzen, aber die Nachhaltigkeit der Auswirkungen dieser beiden findet sich hier nicht.

Dass die Geiseln oft mal einen Rappel kriegen, obwohl doch alles im Griff sein sollte ist frustrierend. Wenn auch sicher nicht ganz unrealistisch.

Was ihr stattdessen tut, ist einen vom Start bis Ende gleichbleibenden Drahtseilakt abzulaufen. Statt nach und nach die Situation unter eure Kontrolle zu bringen, müsst ihr in jeder Runde gegen die gleichen Chancen antreten. Es ist so und so wahrscheinlich, dass die Stimmung einer Geisel sich so oder so entwickelt, und das durch einen scheinbar zu hoch eingestellten Wert für Extremverhalten, dass ihr am Ende oft vom Zufall unter die Erde gebracht werdet. Ja, es ist möglich, dass eine sich eben scheinbar noch völlig rational verhaltende Person, die keine Gesten für Stress zeigt, durchdreht und flüchtet. Wenn eine eurer Geiseln das tut, müsst ihr entscheiden, ob ihr schießt oder sie laufen lasst. Das passiert jedoch so oft, dass das vorherige Taktieren oft genug einfach keine Rolle mehr spielt. Ich hatte schon im dritten Anlauf durch dieses erste Szenario den Eindruck, eine gute Balance gefunden und eine echte Chance zu haben, all das zu überleben. Wenn denn nicht zwei Geiseln scheinbar aus dem Nichts und ohne den Zusammenhang einer sichtbaren äußern oder einer von mir ausgelösten Aktion einen Strich durch die Rechnung gemacht hätten. Bei der nächsten Runde waren es wieder zwei. Danach probierte ich einen radikalen Ansatz und war nur freundlich. Danach versuchte ich es mit Empathielosigkeit. Dann endlich verstand ich, dass ich einfach den Mittelweg, den sich die Entwickler dachten, gehen muss und das Beste hoffen sollte. Das klappte dann auch einen weiteren Anlauf später.

Das zweite Szenario untermalt wieder sehr schön, dass hier die Regler der Reaktionsvariablen nicht mit Entscheidungen und Konsequenzen gesteuert werden, sondern zu starren Regeln unterliegen. Euer Charakter wird gefangengenommen und gefoltert. Ihr könnt bei den Fragen die Wahrheit sagen. Lügen auftischen, abwarten oder euch widerspenstig verhalten. Lügen werden euch mit einer nur sehr geringen Wahrscheinlichkeit abgekauft, sind aber nötig, um Erfolg zu haben. Wer gar nichts sagt, wird garantiert sterben. Also scheint der logische Weg zu sein, bei den scheinbar unwichtigen Dingen alles zu gestehen und so dann Vertrauen aufzubauen, um Lügen zu verkaufen. Das wäre ein echtes Spiel mit der Psychologie der Situation. Das Einzige, was jedoch möglich ist, ist es, bei einer Frage Folter zu erdulden und dann unter Schmerzen die dadurch etwas glaubwürdiger gewordene Lüge zu verkaufen. Das ist auch keine sichere Sache, aber spielt zumindest in die richtige Richtung. Danach jedoch wird bei der nächsten Frage der Wahrscheinlichkeitszähler wieder auf 10 Prozent Chance zurückgesetzt und alles beginnt von vorn, als wäre es die erste Frage. Das ist zwar besser kalkulierbar als das erste Szenario, durch die Unwahrscheinlichkeit die Lügen an den Mann zu bringen und die Unfähigkeit diese Chance dauerhaft zu bessern, beraubt sich das Szenario vieler möglicher Taktiken.

Das Spiel mit dem extremen Zufall geht in einem Szenario sogar so weit, dass ich überzeugt bin, dass mitunter der rettende Endpunkt des Weges, den ihr erreichen müsst, bevor euch die Ressourcen ausgehen, keineswegs immer im Bereich des Machbaren liegt. Die Karte wird zufällig generiert, der Endpunkt auch und wenn man das Ganze als Kobayashi Maru begreifen möchte, hat es irgendwo auch einen Sinn. Als Spiel, das man gewinnen kann, nur alle paar Runden, wenn die Karte glücklich ausgewürfelt wurde. Die Frage ist, ob ihr euch diesem Experiment unterziehen wollt. Einer seltsamen Variation des No-Win-Szenarios, das eben Manchmal doch einen Win bietet, weil die Geschichte ja noch weitergeht.

Dieses Szenario spielt in erster Linie gegen die Zeit. Ihr müsst eine Heilung finden und werdet häufig ganz, ganz kurz vor dem Ende fast erfolgreich sein. 'Fast' bringt rein gar nichts.

Der immer noch mit Abstand beste Abschnitt ist der aus dem Ludum-Dare-Wettbewerb bekannte am Lagerfeuer. Das elegante, rundenbasierte Survival-Spiel mit fünf Aktionen pro Einheit wurde noch ein wenig poliert. Auch wenn es teilweise die gleichen Schwächen hat, zeigt es die Idee, den Zustand der Truppe über ihre Gesten und Bewegungen abzulesen und so zu entscheiden, wo es am ehesten brennen könnte und Prioritäten zu setzen, notfalls auch harte Opfer zu bringen, in seiner immer noch besten Form. Auch hier gibt es den Zufall, der euch einen Strich durch die Rechnung macht, aber er wirkt glaubwürdiger durch den Zeitablauf. Je länger eine Stresssituation dauert, desto eher bricht etwas auseinander und nach zwei Wochen in einer tödlichen Eiswüste kann es schon mal Momente der Schwäche geben. Auch diesen Abschnitt wollte ich eigentlich nicht ein Dutzend Mal spielen, bis der Zufall entschied, dass diesmal die vorsichtige und durchdachte Balance wirklich zum Ziel führen würde. Und was anderes war es nicht. Zufall. Ich fand genug Ressourcen, keiner drehte dieses Mal durch, hätte genauso gut komplett anders laufen können. Ihr könnte ein Szenario immer wieder identisch spielen - vorausgesetzt, ihr nutzt nicht nur Extreme -, die Chancen stehen gut, dass ihr irgendwann mit fast jeder Taktik zu Erfolg kommt. Nicht, weil ihr gelernt habt, weil ihr die richtige Schlüsse aus Verhaltensmustern zieht und euer Verhalten anpasst. Einfach nur aus Zufall.

Wie schon angedeutet, man kann jetzt darüber diskutieren, ob echtes No-Win und eben nicht nur die übliche scheinbar ausweglose Situation ein Spielelement sein kann. Situationen, aus denen man eben nur mit etwas Glück herauskommt. Gute schwere Spiele zeichnen sich dadurch aus, dass das eben nicht der Fall ist. Tut der Spieler das Richtige, entweder durch Nachdenken oder Reaktionen, gewinnt er. Hat er wenigstens die richtige Taktik, bringt ein einzelner "Würfelwurf" ihn nicht aus dem Konzept. Hier jedoch verläuft die Grenze so hart gezogen, dass selbst wenn ihr alles richtig macht, am Ende auch noch das Glück passen muss. Ich hatte oft weder Spaß daran noch Verständnis dafür. Jeder einzelne von euch mag das anders sehen. Sagt nicht, dass ihr nicht gewarnt wurdet.

Der Grund, warum ich mich dann doch bis zu einem befriedigenden Ende durchbiss - schaut euch das Spiel wirklich bis ganz zum Schluss an! -, waren die Figuren, ihre Geschichten und ihr Universum. Völlig zu Recht entstanden sie aus dem Themenansatz "Minimalismus" und gehen perfekt darin auf. So wie eine wunderschöne Wüstenblume mit einem Minimum an allem auskommt, was sie gedeihen lässt, verstehen hier wenige Sätze, kleine Gesten und viele Andeutungen über eine große Welt jenseits der paar Pixel viel mehr zu erzählen, als so manch plauderlastiges Adventure das vermag. Ihr müsst bereit sein, euch dem ebenfalls natürlich sehr minimalistischen Stil der Figuren hinzugeben, aber sie geben euch dann viel zurück, wenn ihr das schafft.

Die größte Stärke des Spiels könnte sein Moral-System sein. Es funktioniert ganz einfach: Was haltet ihr für richtig? Schließlich tun alle nur, was sie für richtig halten. Was also werdet ihr tun?

Auch schätze ich seine Moral insoweit, als dass es keine gibt. Mass Effect versuchte etwas Halbherziges mit seinem System aus Nett und Konsequent. In Gods will be Watching bleibt nur "konsequent" und "zu feige, deshalb tot". Moral ist ein Luxus, der Preis heißt in einen Szenario, an dem sich alles so nah an der in jeder Sekunde lauernden Katastrophe bewegt, Untergang. Und das Spiel zieht es konsequent durch. Wer jeden retten will, wer immer nett sein möchte, wird lange warten müssen, bis der Zufall ihm auch nur einen Erfolg schenkt. Es sind unangenehme Situationen, brutale und tödliche Ausgangslagen. Das Spiel schreckt vor keiner Sekunde davor zurück und ihr solltet es auch nicht.

Am Ende jedoch geht es um Zufälle. Ich gebe zu, dass logische Verhaltensweisen auch in Gods will be Watching schneller in allen Szenarien Erfolg haben werden, als wenn ihr nur wie tausend Affen in die Tasten haut und auf Shakespeare hofft. Es bleibt jedoch immer das Zufallselement, und das bringt uns zurück zum No-Win-Szenario. Möchtet ihr ein Spiel, in dem ihr gefühlt alles richtig macht und doch sterbt, zum einen weil das im Leben manchmal eben so ist, zum anderen, weil aus Entscheidungen keine nachhaltigen Konsequenzen entstehen, die eure Chancen verbessern?

Dies ist kein Spiel, das man spielen sollte. Man sollte es studieren. Aus seinen leider etwas mageren Erfolgen lässt sich lernen. Dem psychologischen Ansatz, der weit über "benutze Handy mit Katze" oder ein Quick-Time-Event hinausgeht. Der eben nicht durchdeklinierten, sondern die Fantasie anregenden Handlung. Dass ein - oder in diesem Falle eher tausend - Schritt weg vom Fotorealismus ein Gewinn für die Ausdruckskraft von Figuren sein kann. Aber eben auch aus seinen Fehlern, wie der zu brutalen Balance, die sich vom Zufall den Takt vorgeben lässt. Dass Konsequenzen auch nachhallen müssen und nicht nur ein kleiner, scheinbar zu fester Faktor sein dürfen, wenn man diese Richtung einschlägt.

Diese Wertung gibt nur bedingt wieder, was ich über das Spiel denke. Sie repräsentiert, was ich von Gods will be Watching als faires, unterhaltsames Spiel halte, und das ist es, was die Masse der Käufer wohl suchen dürfte. Als Experiment und Lehrstunde ist es unendlich mal mehr wert.

Wir bedanken uns bei gog.com für das Testmuster.

5 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Gods Will be Watching

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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