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Legend of Grimrock 2 - Test

Größer, schöner, besser… als alles seit 35 Jahren.

Die Fortsetzung geht ins Freie. Ihr habt eine große Oberwelt und viele kleine Dungeons, sonst bleibt aber alles beim neuen Alten.

Ich hoffe, ich habe mich geirrt. Dachten wir eigentlich alle noch, dass Almost Human in die Fußstapfen von FTL treten würde, schließlich wurden nicht ohne Grund jede Menge Vergleiche zwischen Legend of Grimrock und Dungeon Master angestellt, möchte ich nun, dass sie mehr in die Richtung von Westwood gehen. Die starteten ihre Dungeon-Ausflüge mit Eye of the Beholder, einem reinen Dungeon-Crawler. Dann polierten sie ihr Spiel und verließen den Dungeon zumindest für einen Teil des Weges, ohne dabei die Mechaniken zu ändern, und nannten es Eye of the Beholder 2. Nun, ratet doch mal, was bei Legend of Grimrock 2 so passiert... Sicher, ich könnte auch sagen, dass es Dungeon Master 2 ähnelt, das hatte auch ein paar Außenareale, aber wenn man den Vergleich fortsetzt, hieße es, dass nach Grimrock 2 der Weg von Almost Human enden würde. Ich warte lieber auf ihr erstes RTS-Spiel, das alles umkrempelt, sie furchtbar reich macht und sie erst danach langsam verblassen lässt.

So oder so, es war nicht zu erwarten, dass dieser zweite Teil alles auf den Kopf stellen würde. Tut er auch nicht. Fangt ihr an zu spielen, müsst ihr euch erst einmal entscheiden, wie gestört ihr seid. Ich entschied mich für "mittelschwer". Das heißt, dass ich bei den Schwierigkeitsgraden für die Monster den mittleren wählte, mir aufbürdete, meine Karte selbst zu zeichnen, aber die Heilkristalle in Ruhe ließ. Wenn ihr nämlich ganz lebensmüde seid, dürft ihr jeden der eh schon nicht so häufigen blauen Kristalle zum Heilen und Speichern nur ein einziges Mal benutzen. Nightmare-Modus im Kasten-Dungeon quasi. Dass die eigene Viererparty von Hand konfiguriert wird, ist natürlich Ehrensache. Vor allem, weil meine Truppe aus dem ersten Teil nicht mehr existiert und ich sie also nicht importieren kann. Was schade ist, denn auch wenn die Ausrüstung auf der Strecke bleibt, ein paar der Stats hätte ich schon gerne übernommen.

Kein Dungeon ohne Spinnen. Ich bin langsam echt am Überlegen, ob ich einen Bonus-Wertungspunkt für das erste RPG ohne Spinnen ausrufen sollte...

Nun denn auf, tapfere, edle Recken, die ihr mal wieder kommentarlos in Ketten liegt. Ja, es beginnt wie schon zuvor, nur dass die vier diesmal im Bauch eines Schiffes vor sich hin vegetieren und als Einzige den unsanften Schiffbruch auf einer scheinbar verlassenen Insel überleben. Nackt, ohne Waffen und Vorräte geht es los.

Es dauert keine fünf Minuten, bis die Routine einsetzt, was ich in diesem Falle nicht negativ meine. Ein paar Stöcke sind die ersten Schlagwaffen, ein paar Fetzen Stoff die erste "Rüstung", das Fleisch der ersten erlegten (erstaunlich bissigen) Riesenschildkröten der erste Snack. Das Abenteuer mag unter offenem Himmel beginnen, aber der Strand könnte genauso gut eine Decke haben und Dungeon heißen. Das Quadrat als Einteilung der Welt blieb natürlich erhalten und es fühlt sich dank der fließenden Bewegungen vielleicht nicht zeitgemäß, aber doch natürlich an. Der Nostalgiker in mir würde sich immer noch das schrittweise Umschalten wünschen, aber zum einen ist der eh nicht rational und vor allem würde es wohl mit den Bewegungen der Monster kollidieren.

Die Gegner nämlich, sobald sie erst einmal in eurem Umfeld sind, haben ein nun noch etwas aktiveres Eigenleben insoweit, als dass sie schnell auf euch losgehen. Grimrock 2 bleibt also ein Echtzeitsystem. Eure Angriffe erfolgen so schnell, wie ihr sie anklicken könnt, danach laden sie sich auf. Gleiches gilt für die Monster und so entsteht ein natürlicher Kampffluss, der schnell in ein wenig Hektik ausarten kann, sobald euch Gruppen von Feinden einkesseln. Die Aufstellung der Helden ist unverändert: zwei vorn, zwei hinten. Die hintere Gruppe wird nur attackiert, wenn die Gegner Waffen mit entsprechender Reichweite haben, die vorderen Helden tot sind oder vor allem wenn euch die Feinde einkesseln. Was sie nach wie vor gerne und schnell tun.

Ihr könnt euch jederzeit umsehen, wobei das Interface dann ausgeblendet wird.

Gut also, dass die wichtigste Änderung das Arsenal betrifft. Es gibt nun Feuerwaffen. Alte Vorderlader passen zum ja irgendwie karibikartigen Setting. Wer jetzt Angst hat, dass das Spiel zu einem Shooter verkommt, kann beruhigt sein. Das Nachladen der Dinger geht scheinbar endlos vonstatten, sie haben eine sehr begrenzte Anzahl an Schüssen und selbst die erreichen sie nur selten, ohne nicht vorher auseinanderzufallen und für ein Weilchen blockiert zu sein. Außerdem schießen die Helden auch gerne mal daneben, selbst wenn die das Schusswaffentalent haben. Der Ausgleich für so viel Aufwand ist die Schadenswirkung, wenn sie mal treffen. Man kann sich förmlich vorstellen, wie sich drei Helden zu meinem Alchemisten umdrehen, nachdem es donnerte, das Monster pulverisiert verschwand und der Rauch sich lichtete. Von wegen er sei nur zum Heilen da. Mach erst mal so viel Schaden, Krieger!

Das eigenhändige Kartographieren stellte sich jedoch schnell als echte Logistikherausforderung heraus. Einfach das erste Blatt mit Level 1 zu betiteln und für jeden neuen Level umzublättern, das reicht einfach nicht mehr. Es ist fast eine offene Welt. Nicht so weitläufig und über weite Teile beliebig, wie es die alten und neuen Might & Magics sind, mehr ein komplexer, verschachtelter und über viele Wege verknüpfter Super-Dungeon, der Zuwegung zu den ganzen Unterdungeons bietet. Nehmt euch auf jeden Fall viel Zeit und Papier, um dieses Monster zu bewältigen. Es belohnt euch dafür mit erstaunlich viel Variation im Laufe der langen Spielzeit - keine Sorge, es wird im Verlaufe des Spiels "Fantasy-mäßiger" und weniger karibisch - und auch die Dungeons innerhalb der Welt ähneln sich nicht grundsätzlich. Alte Minen, Tempel, Höhlenanlagen, es ist alles dabei, was man nur so crawlen kann.

Das Interface hat sich seit dem ersten Teil kaum verändert, das war aber auch nicht nötig.

Wenn man hart ist, kann man natürlich sagen, dass es am Ende alles nur eine andere Tapete für den gleichen Spielablauf ist und die Handlung, sofern sie sich überhaupt mal zeigt, tut wenig, um das zu relativieren. Sie bleibt insoweit nicht ganz so sehr im Hintergrund, wie es beim ersten Grimrock der Fall war, indem sie mehr kleine Geschichten andeutet oder auch mal in Form von Eintragungen, Briefen und anderen Dingen erzählt. Die eigene Handlung bleibt aber erneut lange Zeit eine des schieren Überlebens, Kämpfens und Inventarmanagements. Es bleibt halt ein Dungeon-Crawler im Herzen, dichte Erzählstrukturen findet ihr woanders. Auch kann es sich nicht ganz einer gewissen Routine erwehren. Nach und nach beginnen euch Hinweise auf Monster und Fallen ins Blut überzugehen und gerade ab der Mitte säuberte meine Truppe wie eine gut geölte Maschine ganze Areale, ohne auf Überraschungen zu stoßen. Keine Sorge, es zog auch oft genug gut an und mehr als einmal endete es im TPK - fantastisch, wofür es alles Wiki-Einträge gibt -, aber nichtsdestotrotz, es war nicht den ganzen Weg über nur Aufregung und Abenteuer.

Dafür gibt es wieder Puzzles, und sie sind nun teilweise deutlich verschachtelter, als es zuvor der Fall war. Dort waren es zwar auch schon kleine Ketten, die schließlich zu einem Ziel führten, hier geht es noch mal weiter und mehr als einmal hatte ich schon fast den Start einer Lösung vergessen, bevor ich auf ihr letztes Element stieß. Mehr als einmal steckte ich auch leicht gefrustet fest, aber das gehört nun mal zum Genre, zumal die wirklich fiesen Gehirnverrenker oftmals zu optionalen Bereichen und Schätzen führen, sodass euch Grimrock 2 nie zu brutal ausbremst. Trotzdem und erneut, nehmt euch Zeit und bringt etwas Geduld mit, ihr werdet beides dringend brauchen, selbst wenn es nie unfair wurde. Am Ende waren es knapp 30 Stunden, die ich brauchte, und ich bin sehr, sehr sicher, dass ich keineswegs alle Geheimnisse entdeckt habe. Wahrscheinlich nicht mal ansatzweise. Und schließlich ist da ja noch der erneut mitgelieferte Editor, der euch im Laufe der Zeit mit kostenlosem Nachschub versorgen wird.

Das Ding sieht einfach mal richtig gut aus!

Grimrock 2 könnte auch für alle weniger old-schooligen, selbstgefälligen und erfahreneren Dungeon-Meister ein ganz guter Einstieg sein. Nicht, weil es einfach wäre - was es nicht ist, selbst auf "leicht" und mit Automapping nimmt euch das Spiel die Puzzle-Arbeit nicht ab -, sondern weil es einfach so dermaßen fantastisch gut aussieht. Dagegen wirkt Might & Magic X geradezu schäbig. Viele Umgebungsdetails lassen jede der Umgebungen lebendig werden, Ausleuchtung, Artdesign und sogar ein fließender Tag-Nacht-Wechsel verwandeln ein eigentlich per Definition eher biederes Genre in diesem Falle in ein fast schon modernes Kunstwerk. Es immer so erfrischend zu sehen, dass das überstrapazierte "old-school" nicht immer mit der nicht weniger überstrapazieren "pixel-art" gleichgesetzt werden muss. Einen Dämpfer gibt es aber auf jeden Fall: Eine deutsche Version gibt es derzeit noch nicht. Ihr solltet also zumindest ein paar Englischkenntnisse parat haben, selbst wenn die Story es nur selten erfordert. Es ist schon besser zu wissen, welchen Trank man seinen Helden grade kippen lässt.

Legend of Grimrock 2 ist trotz der Oberwelt kein Quantensprung der Innovation gegenüber seinem Vorgänger. Es feiert sich als Fortsetzung, als wäre es 1991 und es selbst ein Beholder: größer, schöner und ziemlich genau das gleiche Spiel, wie zuvor... Nun, ich nehme an, es hat sich seitdem nicht so viel verändert. Egal, Grimrock 2 ist ein Traum für jeden Dungeon-Fan, vor allem, wenn er sich auch mal über ein wenig vom hier so grafisch hinreißend gestalteten blauen Himmel freut, während er auf dem Weg, um eines der cleveren Rätsel zu lösen, in die nächste fies gesetzte Falle tapst. Die Fortsetzung setzt behutsam an vielen Ecken an, verändert minimal die Dynamiken, zieht ein wenig die Balance gerade und dank des einfachen Schwierigkeitsgrads kann auch (fast) jeder einen Zugang zu den Dungeons finden, wenn er nur möchte. Ich würde so weit gehen und sagen: Legend of Grimrock 2 ist das beste Spiel seiner kleinen, definierten, storylosen, fallenreichen Nische seit den Tagen von Akalabeth. Zwischen da und heute liegen ja nur 35 Jahre des schrittweisen Rastergehens.

Und jetzt ziehe ich lieber den Kopf ein, um den Dungeon-Master-Fanatikern das Zielen zu erschweren. Die haben irgendwie immer ein paar Steine dabei.

9 / 10

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