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Fantasia: Music Evolved - Test

Wie man Kinect richtig einsetzt.

Kinect ist doch zu was gut: Ein interessantes Musikspiel, das sich lediglich ein wenig zu sehr an zu vergängliche Pop-Stücke anschmiegt.

Ist es wirklich so schwer, ein passendes Konzept für Kinect zu finden? Harmonix scheint kein Problem damit zu haben. Nach diversen Dance-Central-Spielen beweist das Studio erneut Verständnis für den schwarzen Kamerabrocken.

Mit Fantasia: Music Evolved bestand die Aufgabe darin, die Faszination des alten Disney-Klassikers in ein passendes Spielgewand zu kleiden. Daher entschied man sich für eine gelassenere Spielweise, die den Fluss der Stücke niemals unterbricht. Versagen könnt ihr in Fantasia nicht. Der Song läuft weiter, egal wie ungeschickt ihr euren Körper einsetzt. Punkte sind außerhalb weniger Erfolge ebenso irrelevant. Ihr erhaltet nach jeder Performance zwar die gewohnte Wertung, doch interessiert es letztendlich nicht, ob es nun fünf Noten - das Äquivalent zu Sternen aus Rock Band - oder weniger sind. Vor allem liegt der Schwierigkeitsgrad so tief im Keller, ich schaffte jeden Song im ersten Versuch mit fünf Noten.

Leider müsst ihr jeden Song erst im Story-Modus spielen, bevor ihr ihn separat in eurer Bibliothek anwählen dürft.

Aber was genau macht man eigentlich die gesamte Zeit? Dirigieren. Eure bunte Silhouette steht am unteren Bildschirmrand, während am Sternenhimmel verschiedene Symbole erscheinen. Pfeile müssen mit einer Hand nachgezogen werden und Kreise verlangen einen kleinen Schlag zur Kamera. Ansonsten existieren zusätzliche Stellen, an denen ihr eine ausgeführte Position halten oder eine Linie nachziehen müsst. Alles ziemlich simpel. Leider hält euch das Spiel zunächst für einen Idioten und führt jedes Element in einem schmerzhaft langsamen Tempo ein.

Sobald ihr endlich frei auf die Songliste zugreifen dürft, zeigt sich die wahre Faszination. Auch wenn Fantasia: Music Evolved kein Tanzspiel ist, lässt man sich leicht zu choreografischen Bewegungen hinreißen. Pfeile erscheinen in passender Reihenfolge und Anordnung, sodass schnell ein Fluss aus den eigenen Armschwüngen entsteht. Man fühlt sich wie der Zauberlehrling. Eine spielerisch glorreiche Umsetzung.

Farben markieren den aktuell dominanten Remix. Dieser beeinflusst auch die angezeigten Noten.

Doch die Performance endet nicht mit den anstrengenden Verrenkungen. Erreicht ihr eine bestimmte Punktzahl im Song, öffnet sich ein neuer Pfad. Plötzlich könnt ihr an vorgegebenen Stellen einzelne Instrumente der Originalfassung oder des Remixes auswählen. Beim zweiten Durchgang schaltet ihr sogar einen dritten Remix frei. Alle dürft ihr kunterbunt untereinander mischen. Hört die 9. Sinfonie von Dvorak als 8-Bit-Version oder gespielt von einer Jazzband. Manche Remixe grenzen vor allem bei klassischen Stücken sicherlich an musikalischer Blasphemie, jedoch ist das Experimentieren ihrer Zusammensetzung großer Spaß. Warum man allerdings jeden Song zweimal spielen muss, um beide Remixe zu erhalten, erschließt sich mir nicht ganz. Immerhin möchte ich Bohemian Rhapsody sofort mit einer Metal-Version vermischen und nicht erst im zweiten Anlauf die Möglichkeit erhalten.

Zur Auflockerung dürft ihr im Story-Modus malerische Welten mit kleineren Überraschungen entdecken. Ihr dirigiert unter Wasser beispielsweise den Klang verschiedener Muscheln. Diese Stellen erinnern mehr an die unglaublich schönen Animationen der filmischen Vorlage. Eine Schande, dass Harmonix beide Spielteile nicht zusammenfügen konnte. Songs konzentrieren sich immer auf die Klangmanipulation, während ihr innerhalb der Welten auch optische Veränderungen erzeugt.

Die audiovisuelle Kombination bleibt aus, wodurch man sich stets in die Rolle des Zauberlehrlings versetzt fühlt, allerdings nie die exakt gleiche Magie des Originals verspürt. Wirklich stören tut es nicht. Dafür ist man zu sehr mit der zukünftigen Entstehung des nächsten Muskelkaters beschäftigt. Eine verpasste Chance bleibt es dennoch.

Das hippe Design des Zauberlehrlings. Erzwungener geht es kaum.

Was mich persönlich wesentlich mehr aufregt, ist die zum Teil grauenhafte Musikwahl. Woran denkt man, wenn der Begriff Fantasia fällt? Bach, Beethoven, Schubert, Tschaikowski. Komponisten klassischer Musik eben. Nicht Nicki Minaj, Lady Gaga oder Drake. Die haben dort absolut nichts verloren. Ich verstehe, dass Harmonix dem Titel eine gewisse Markttauglichkeit einflößen musste. Aber bitte nicht so. Schließlich befinden sich mehrere positive Beispiele für moderne Stücke auf dem 33 Songs umfassenden Soundtrack. Rocket Man, Enjoy the Silence oder Royals passen wunderbar zur hypnotischen Visualisierung. Knapp ein Drittel der Tracks wäre dagegen besser in Dance Central geblieben, wo ich Mozarts Eine kleine Nachtmusik ebenso ungern gesehen hätte. Ein Soundtrack sollte zum Spiel passen und nicht bloß dazu dienen, die größtmögliche Käuferschicht abzugreifen.

Genau diese erzwungene Markttauglichkeit raubt Fantasia: Music Evolved ein wenig die Seele. Traurig, da sich die restliche Aufmachung stark am magischen Gefühl des Klassikers orientiert. Besonders die spielerische Umsetzung kann ich bis auf kleinere Fehler in der langatmigen Freischaltung nur loben. Einzig eine geschicktere audiovisuelle Zusammensetzung hätte die Erfahrung verbessern können. Und als Kinect-Titel darf man zudem froh sein, dass die eigenen Armbewegungen problemlos erkannt werden.

Sich extra dafür die blockige Kamera zu kaufen, das geht einen Schritt zu weit. Doch wer das NSA-Traumspielzeug schon im Wohnzimmer hat und mit vereinzelten Totalausfällen der Songliste leben kann, den erwartet hier ein gutes Musikspiel.

7 / 10

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Fantasia: Music Evolved

Xbox One, Xbox 360

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Björn Balg

Freier Redakteur

Freier Autor und wahrscheinlich der letzte Mensch ohne einen Facebook-Account. Liebt Trash und verbringt zu viel Zeit mit dem Ansehen von Katzenvideos.

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