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SEGA Mega Drive / Genesis Collected Works (Buch) - Rezension

Als Technik sich nicht um Kühlung kümmern musste, wagte man zu designen.

Als ich vor einer Weile schrieb "Mein Mega Drive ist geiler als Deine ganze NextGen!" war ich wohl nicht der einzige, der so dachte. Nun, vielleicht der Einzige, der das in so wenig wohlfeile Worte fasste, denn "SEGA Mega Drive / Genesis Collected Works" aus dem kleinen englischen Readonlymemory Verlag, der seine Bücher durch Kickstarter ins Leben ruft, ist eine weit elaborierter ausformulierte Liebeserklärung.

Schwarz war schon immer die Nicht-Farbe des Mega Drive, das Buch hält sich daran.

"The SEGA Genesis altered the course of the global video game industry. Not only did it bring me endless hours of entertainment, it gave us the opportunity to go really big. To move from making little games in our bedrooms to making blockbusters that everyone talked about. It's no exaggeration, that the Genesis changed my life." (David Perry, Game Designer, aus dem Vorwort)

Nach dem schon sehr hübschen "Sensible Software" legt man nun noch einmal ordentlich nach. Und zwar wirklich "ordentlich!". War Sensible ein Gesellenstück, dann liefert Redonlymemory hier ein Meisterstück ab. Das wird schon beim haptischen Eindruck deutlich. Diesmal wurde ordentlich Hardcover gebunden, das Cover zieren ein paar gestanzte Linien, die ein Mega Drive stilisiert und gegen das Licht nachzeichnen und abrunden, tut das Ganze ein neckischer, roter Punkt: "Power: On." Es macht Spaß, dieses Buch in die Hand zu nehmen.

"I went location hunting in Europe in order to create authentic race stages for OutRun. I hired a car and toured several countries, collecting ideas. One of the stages was inspired by the medieval walled city of Rothenburg, located on the Romantic Road in southern Germany. It was a very beautiful location and left a lasting impression on me. For that reason, the Rothenburg course is my favourite." (Yu Suzuki, Game Designer)

Das Buch deckt eine Episode der Videospielewelt ab und das ist keine kleine Ambition, mit der man an so ein Projekt herangeht. Ihr findet im ersten Teil eine Reihe von traumhaft inszenierten Bildern der Hardware, die ganz offensichtlich mit viel Sorgfalt so bearbeitet wurden, dass sie das Idealbild der Konsole wiedergeben. So, wie man es sich vorstellte, dass sie auch der Packung kommen würde, nur natürlich niemals tat. Die alte, vertraute Technik so zu sehen hat etwas ganz Eigenes, das einem klar macht, wie unterschiedlich die Design-Ansprüche zwischen den damaligen Konkurrenten Sega und Nintendo waren. Setzen Letztere bei 8- und 16Bit auf Büro-Beige mit kleinen Farbakzenten, wählte Sega einen futuristischen und doch fast zeitlosen Ansatz, der spannend von heutzutage völlig archaischen Elementen wie dem analogen Schieberegler für die Lautstärke durchbrochen wird. Es wird auch klar, wie langweilig und herzlos die aktuelle Konsolengeneration gestaltet wurde.

"1. Metallic Stage... A gleaming, gold plated landscape with a Southeast Asian feel. 2. CG Style Stage... The background consists of a blue sky and green hills, rendered in a CG style never seen before." (Sonic The Hedgehog design document 1990, Naoto Oshima)

Schöne Bilder zu inszenieren, ist eine Sache, vor allem aber geizt das Buch nicht mit Einblicken hinter die Kulissen. Ihr findet die technischen Zeichnungen und Pläne auf großformatigen Seiten zum Aufklappen, dazu Eindrücke aus den Spezifikationsunterlagen. Konzeptzeichnungen geben einen Eindruck der wilden Kreativjahre, als Virtual Reality für ein System mit kaum 10 Megahertz angedacht wurde. Aber was ist eine Konsole ohne Spiele. Statt einfach nur die Cover abzudrucken, machte man sich die Mühe die Titel von den Coverartworks zu trennen und lässt beide separat für sich sprechen. Einige dieser Artworks sind pures 80/90er-Gold: Das überraschend düstere Altered Beast, das komplett in 70s-Sci-Fi-Wahnsinn abtauchende Space Harrier II, das legendär peinlich-epische Streets of Rage 2, jedes dieser Bilder erzählt eine kleine Geschichte zu einem kleinen, vergessenen Spiel und lässt es für ein paar Sekunden wieder aufleben. Auch hier wurde einer kleinen Auswahl das große Aufklapp-Doppelbild gegönnt, es folgen Konzept-Papier zu bekannten Titeln wie Sonic oder Gunstar Heroes, Charakter-Konzepte und schließlich über 800 Pixel-Figuren, Hintergründe und Level aus einer ganzen Spielegeneration.

"There was a rumour that Nintendo was going to release the Super Famicom, so towards the end of the design process my manager asked me to consider doubling the graphic memory capacity to dramatically improve the console's performance. I had to redesign the way timing worked - the memory access cycle - and minimize the additional circuit size and number of IC pins needed. I managed to increase the graphic memory capacity but it resulted in only a very incremental performance improvement, for example, increasing the number of display characters. This was, when I hit the brick wall. I learned the painful lesson that designers need to imagine all the eventualities that may appear later in the process, and so must design in a way that makes it easy to change the design later." (Masami Ishikawa, Hardware Designer)

Das Buch schließt mit einer Reihe von eigens geführten Interviews, aus denen auch einige der Zitate hier stammen. Es sind ein paar kurze Ein- und Rückblicke, deren Informationsgehalt leider zu wünschen übrig lässt. Es gibt wenig zu kritisieren, aber hier hatte ich mir mehr Tiefgang gewünscht gerade auf Seiten der technischen Entwicklung der Konsole.

Nun, irgendwas ist ja immer. Aber es ist in diesem Falle denkbar wenig. "SEGA Mega Drive / Genesis Collected Works" ist eine hinreißend gestaltete Liebeserklärung an ein immer noch irgendwie aufregendes Stück Technik. Wenn ihr ihr zu einer Konsole in eurem Leben nur ein Buch durchschmökern solltet, dann lasst es für das SEGA Mega Drive dieses sein.

("SEGA Mega Drive / Genesis Collected Works" erschien im Readonlymemory Verlag, Autor Keith Stuart. Preis: £35,00 + £7,00 Versand (ca. 55 Euro inkl. Versand))

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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