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Erstkontakt: Star Wars: TIE Fighter

Wer wird denn da gleich böse werden?

Das hier war lange überfällig. Und damit meine ich nicht, dass LucasArts' TIE Fighter in dieser Rubrik endlich mal zur Sprache kommt, sondern die Tatsache, dass ich diese persönliche Bildungslücke in meiner Spieler-Vita schließe. Seinerzeit - 1994 - hatte ich keinen PC, weil ich immer noch darauf wartete, dass die Welt den Commodore Amiga als das erkannte, was er war (die beste Spielemaschine ALLER ZEITEN natürlich!).

Klar wurde ich belächelt, weil ich immer noch Wing Commander für das beste Weltraumspiel überhaupt hielt, während mir gleichzeitig der zweite und mittlerweile sogar der dritte Teil von Chris Roberts Weltraum-Oper wegen meiner nicht allein taschengeldbedingten Commodore-Treue durch die Lappen ging. Überhaupt sagten seit einer ganzen Weile alle, die es besser wussten, dass die Star-Wars-Sims, die mit X-Wing ihren Anfang nahmen, mittlerweile den "State of the Art" darstellten. Ich Amigakind hörte nicht wirklich hin. Was hätte es auch gebracht?

Während der Einsatzbesprechung solltet ihr gut aufpassen. Ernst gemeinter Rat.

Nun also, mit nur 20 Jahren Verspätung, mein Erstkontakt mit TIE Fighter, an das offenbar die meisten Spielefreunde dieser Zeit die schönsten Erinnerungen hegen. Das schien mir schon ehedem verdächtig. In meinem jugendlichen Idealismus konnte ich mir nicht vorstellen, wie jemand jemals die Bösen spielen wollte. Wollte denn niemand die Welt retten, gegen eine niederschmetternde Übermacht bestehen und am Ende das Mädchen im Arm halten? Ich hatte das Rüstzeug damals nicht, es zu verstehen, die Rebellenpropaganda (lies: Episode 4 bis 6) hatte ihre Spuren hinterlassen und mit gerade 16 Jahren lag mir der Protest gegen welches System auch immer ohnehin buchstäblich im Blut.

Bei genauerem Hinsehen und vor aktuellem Spielekontext ist TIE Fighter aber geradezu visionär., eben weil es die Pinsel, mit denen es seine Figuren und Konflikte nicht eben nur entweder in den weißen oder schwarzen Eimer tunkt, sondern weil es sich für Grauzonen interessiert. Als Pilot des titelspendenden TIE Fighters (die ohnehin schon immer cooler aussahen als alles, was die Rebellen auffuhren) macht man eigentlich nur seinen Job. Und der hat mit beiläufigem Völkermord, willkürlicher Militärgewalt oder blitzfingrigen alten Männern mit dem Hautbild einer geschmolzenen Kerze so gut wie gar nichts zu tun. Im Gegenteil, man fühlt sich fast wie ein intergalaktischer Blauhelm, wenn man Terrorangriffe der Rebellen abwehrt, Konflikte zwischen verfeindeten Völkern durch Militärpräsenz in gesündere Bahnen lenkt und geheime Waffenfabriken hochgehen lässt. Es ist alles eine Frage der Perspektive.

Totally Games und LucasArts gelang das Kunststück, einer in den Filmen stets eintönigen, geradezu monolithischen Bedrohung durch skrupellose Weltraumnazis - gemein waren sie ja, aber diese Uniformen... - interessante Facetten zu verleihen. Fast wird das Imperium zu einer glaubwürdigen, irgendwann aus den Fugen geratenen Gesellschaft, deren Abdriften ins Totalitäre nicht in einem Handstreich geschah - ganz gleich, was euch Episode 3 so plump zu erzählen versuchte. Es vollzog sich schleichend, ebenso wie in den meisten realen Fällen der Menschheitsgeschichte. Jeder einzelne dreht nur ein bisschen an einer kleinen Stellschraube und begibt sich so in unmerklichen Babyschritten in Komplizenschaft. Egal, ob man nun den Anführern einer neutralen Partei Geleitschutz gibt oder einen altgedienten Admiral am Überlaufen zu den Rebellen hindert. Erzählerisch hat TIE Fighter damit mehr für das Universum getan als die meisten anderen Einzelwerke dieses Kanons.

In einer hitzigen Schlacht sein Ziel unter dem Fadenkreuz zu halten, ist besonders im zerbrechlichen Standard-TIE ein aufregender Ritt.

Das beste an der Sache: Es spielt sich immer noch ziemlich gut. Wer bei GOG.com ordert, bekommt nicht nur das 1994er Original, sondern auch die überarbeitete 1998er-Version mit besserer Grafik (und meiner Meinung nach etwas weniger guter CD-Musik statt der dynamischen iMuse-Midi-Klänge, aber es war halt die Zeit der CD-ROM). Dafür gibt's aber wunderbare Sprachausgabe und deutlich stärkere Grafik, sogar richtige Texturen, anstatt Gouraud-Schattierungen auf den Polygonen. Die Jahre, die es auf dem Buckel hat, sind nicht zu übersehen, aber die schön authentisch nachvollzogenen Raumschiffmodelle bringen einem auch heute noch die zeitweise ausgesetzte Liebe zu diesem Universum lebhaft in Erinnerung.

Frisch aus Elite: Dangerous und dem Arena Commander von Star Citizen kommend, muss man sich natürlich erst einmal wieder daran gewöhnen, dass TIE Fighter und der Rest des Geschwaders sich wie Flugzeuge im Weltraum steuern, anstatt mit multidirektionalen Schubdüsen die vollen sechs Freiheitsgrade zu genießen. Dann aber entfalten sich spannende und schnelle Dogfights unterm pixeligen Sternenhimmel, bei denen man mit schwitzigen Fingern versucht, an seinem Ziel dranzubleiben. Sein verhältnismäßig simples Flugmodell - egal, wie viele Achsen der genutzte Stick hat, Rotation ist leider nur möglich, wenn man nicht steuert - macht TIE Fighter durch sein Missionsdesign wieder wett.

Fernab der Zielmarkerverliebheit und Tutorialitis heutiger Spiele müsst ihr euch zwischen den vielen Fronten dieser Weltraumschlachten selbst einen Überblick verschaffen. Abzüglich einiger klarer Befehle nimmt euch niemand die Entscheidung ab, wie die aktuellen primären oder sekundären Missionsziele zu erreichen sind. Tatsächlich sind einige nur zu absolvieren, wenn ihr Entscheidungsstärke und Initiative beweist. Es ist vielleicht nicht das spannendste Beispiel, aber immerhin ein treffendes: Eine Eskorte schloss ich erst erfolgreich ab, nachdem ich den zu beschützenden Schiffen per Funkbefehl bedeutete, noch mit dem Abflug zum Ziel zu warten, bis ich den Weg freigeräumt hatte. Derartige Freiheiten kennen viele missionsbasierte Spiele heutzutage gar nicht mehr.

Müsst ihr längere Distanzen überbrücken, hilft eine bis zu vierfache Zeitbeschleunigung.

Insofern ja: ein Klassiker damals wie heute und mit Leichtigkeit auch ohne überbordenden Star-Wars-Bonus und Nostalgiebrille ein lohnender Kauf. Es läuft dank GOG.coms einmal mehr tadelloser Arbeit auch wunderbar. Allerdings solltet ihr in der Grafikkartensteuerung schon dringend das 4:3-Format erzwingen und es dem Spiel nicht übelnehmen, dass "Alt+Tab" nicht funktioniert.

Im heutigen Spielekontext mutet das Szenario beinahe visionär an, nicht einmal in einem rebellisch-pubertären Versuch, mit spielerischem Gutmenschentum zu brechen, sondern weil Totally Games besser wusste als George Lucas, dass es zu wirklich jeder Geschichte zwei Seiten gibt. Ich hatte damals nicht nur keinen PC, ich hatte auch keine Ahnung. Fast bin ich froh, es erst heute mit den ersten grauen Haaren zu erleben (die ich ganz bestimmt noch nicht habe, oh nein). Ich bezweifle, ich hätte es zu seinem Erscheinen gebührend zu schätzen gewusst. Und noch etwas hat der verspätete Genuss von TIE Fighter geschafft: Ich habe schlagartig wieder Lust auf Krieg der Sterne. Das gelang nicht einmal dem zugegebenermaßen gelungenen Teaser von Episode 7.

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TIE Fighter

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Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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