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Braucht Metal Gear Solid 5 eine Ego-Perspektive?

Sinnig oder nicht: der FPS-Modus ist beste Werbung für PC-Spielkultur.

Nach Grand Theft Auto 5 hat Metal Gear Solid 5: Ground Zeroes nun also auch einen First-Person-Modus. Konamis extravaganter Schleicher bekam die Ego-Sicht aber nicht von Haus aus mit auf den Weg, sondern von einem findigen Modder namens "Pao", der die Kameraperspektive der PC-Version aus der Betrachterperspektive direkt auf Snakes Schultern verschob. Den Effekt hat man in der HD-Version von Rockstars Open-World-Spiel bereits erlebt: Alles sieht größer aus, man wähnt sich noch tiefer in die Welt eingetaucht. Aber es verändert auch grundlegend die Art, wie man spielt.

Im Selbstversuch wird schnell klar: Mit der FPS-Mod fühle ich mich mehr Snake als ein Nokia 3310. Doch wo ich sonst fast jede Mission aus Ground Zeroes beinahe blind spielen konnte, bricht mir das niedrigere, schmalere Blickfeld regelmäßig das Genick. Das wird besonders in der Mission, in der man ein ehemaliges Sniper-Spotter-Team ausschalten soll, schmerzhafte Gewissheit. Weil ich nicht länger mit einem einfachen Schwenk der Kamera um Häuserecken und Hindernisse herumschauen kann, muss ich anders vorgehen. Ran an die Kante, kurz lauschen, ob dahinter jemand patrouilliert. Dann, wenn Snake sich angelehnt hat, per Zieltaste aus der Deckung lunzen. Kamera hoch, Bereich scannen und bestenfalls ein paar Gegner markieren.

Aktuell gibt es noch LOD- und Animationsprobleme bei den Waffen.

Im schlimmsten Fall merkt ihr: "Das hier ist eine Sackgasse, ich kehre besser um", oder ihr erblickt das Gesträuch, durch das ihr beinahe unsichtbar kriechen könnt, sobald ihr euch den den Dreck geworfen habt. Aber vielleicht hättet ihr das auch schon vorher wissen können? Aussichtspunkte sind auf einmal euer höchstes Gut. Von hier aus habt ihr einen guten Blick auf die Gesamtsituation, könnt euer Fernglas rausholen, Routen ausspähen und so viele Feinde wie möglich auf eurem HUD durchscheinen lassen. Anschließend bewegt ihr euch gleich sichereren Fußes durch die Anlage. Die neue Perspektive stupst MGS wieder deutlich in Richtung der ersten zwei Drittel der "Tactical Espionage Action", die damals den Titel so treffend zierte. Ganz die Schlange im Gras beobachtet man, analysiert die Lage und plant dann das weitere Vorgehen. Zwo, eins, Risiko!

"Es ist beachtlich, wie gut das Spiel immer noch funktioniert, obwohl es mit der erhöhten, übersichtlicheren Perspektive im Sinn entworfen wurde."

Es ist beachtlich, wie gut das Spiel auf diese Weise immer noch funktioniert, obwohl es mit der erhöhten, übersichtlicheren Perspektive im Sinn entworfen wurde, die so oft das chronisch schmalere Blickfeld von Videospielfiguren kompensiert. Was sich zu Beginn nicht gerade intuitiv anfühlt, wird mit zunehmender Gewöhnung zur zweiten Natur und Ground Zeroes ein deutlich längeres, mehr Konzentration und Effizienz einfordernderes Spiel. Letzten Endes ist vor allem der Stimmungsgewinn beachtlich. Gerade, wenn man Ambitionen hat, möglichst unentdeckt und gewaltfrei durch die verschiedenen Szenarien zu kommen, die einem dieser ansonsten etwas schlank geratene Vorgeschmack auf The Phantom Pain vorsetzt. Manchmal schlägt einem das Herz bis zum Hals, wenn man droht, die Übersicht zu verlieren.

Allerdings stößt die Mod auch stellenweise an ihre Grenzen. Gerade die Laufanimationen unterliegen spürbar den Regeln einer voll animierten dreidimensionalen Figur, die anders als die schwebenden Waffen üblicher First-Person-Shooter immer ganze Schritte geht. Millimeter aus einer Deckung hervorzutreten, um haarscharf an ihr vorbeizuschießen, ist eine fummelige Angelegenheit. Und wann immer Snake mit der Umgebung interagieren soll, gibt es natürlich keine Ersatzanimationen, die die aktuelle Handlung aus der ersten Person erfahrbar machen würde. Ihr seht nicht, was Snake gerade macht, sondern leitet es aus euren Tastendrücken und dem Spielkontext ab. Besonders, wenn es um das automatische Deckungssystem geht, das sich oft nicht entscheiden kann, ob es an einem Hindernis vorbei oder darüber hinweg schießen soll, kann das zum Problem werden.

Noch wichtiger als im normalen MGS5: Das Auskundschaften des Lagers.

Aber dennoch: Unterm Strich imponieren die Initiative und das schiere Entwicklertalent dieses Modders. Metal Gear Solid 5 brauchte keinen Ego-Modus. Jetzt hat es trotzdem einen bekommen und es würde mich nicht wundern, wenn Kojima selbst das Spiel bereits auf diese Weise ausprobiert hätte und sich überlegt, ob und wie sich vergleichbare Funktionalität - wenn schon nicht für The Phantom Pain, dann zumindest für künftige Projekte - umsetzen ließe.

Chapeau, also. Die FPS-Mod verändert nachhaltig, wie man MGS erlebt. Sie könnte kaum weiter weg von dem sein, was ihr Name andeutet, und ist eine schöne Erinnerung daran, dass Spiele am PC selten innerhalb der Grenzen bleiben, die ihnen ihre Entwickler auferlegt haben. Das jüngste, prominenteste Beispiel der kreativen, gesunden, gar heilsamen Macht leidenschaftlicher Communitys.

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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