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Mad Max: Fury Road (2015)

Es ist das Ende der Welt. Mach das Beste draus!

Regie: George Miller
Buch: George Miller, Brendan McCarthy, Nick Lathouris
Darsteller: Tom Hardy, Charlize Theron, Nicholas Hoult, Hugh Keays-Byrne

100-Millionen-Dollar-Exploitation

Nachdem der Film schon seit Ewigkeiten im Kasten ist, dann aber nie rauskommen wollte, befürchtete man schon das Schlimmste. Was war da schiefgelaufen? Hatte sich Altmeister George Miller bei der Neuauflage der Reihe, die ihn bekannt und Mel Gibson zum Weltstar machte, verhoben? Die ersten Bewegtbilder letztes Jahr stimmten dann plötzlich versöhnlich. Der blanke Wahnsinn einer perfekt eingefangenen, wilden Jagd durch die Wüste der Zivilisation, auf zweieinhalb Minuten verdichtet, ließ nur einen Schluss zu: Das hier wird entweder großartiges, verrücktes Actionkino oder unfreiwilliger Camp-Quatsch, der die Geduld strapaziert. Nun, Ersteres ist der Fall, und von etwaigen Problemen in der Produktion ist ebenfalls nichts zu spüren. Das hier ist - bis hierhin - der Actionfilm des Jahres!

Den Film in den Serienkanon einzuordnen, ist unterdessen nicht ganz einfach. Unsere Welt ist nicht einmal mehr eine verblassende Erinnerung. Nur die Autos und das Benzin, die die Reste der Menschheit im australischen Outback am Leben halten, erinnern noch vage daran, was mal war. Und selbst das nur noch entfernt, wenn die Karossen schon mal aus zwei aufeinander geschweißten Cadillacs bestehen. Jede dieser stählernen Bestien ist ein handgefertigtes Unikat, das problemlos auch in einem neuen Twisted Metal Platz fände, sieht dabei aber ebenso jahrzehntealt und verbraucht aus wie ihre mit Tumoren übersäten Fahrer. Was für eine Freak-Show dieser Weltuntergang doch ist. Wir sind rein vom Verfall her definitiv "jenseits der Donnerkuppel", Max (Tom Hardy) aber ist noch recht jung, der Verlust seiner Familie kann nicht allzu lange her sein.

Nehmen wir es also als Neustart, der sich nicht mit Origin-Fragen aufhält. Max streift in seinem V8 ein wenig ziellos durch die Wüste, als er von einer Bande beinahe stammartig vorgehender Wegelagerer gefangen genommen wird. Seine Blutgruppe ist 0 negativ, weshalb er für die von Krebsgeschwüren gebeutelten Endzeitkinder ein universeller Spender ist, ein lebender Transfusionsbeutel. Herrscher über diesen Stamm ist "Immortan Joe" (Hugh Keays-Byrne, der schon den Bösewicht Toecutter im ersten Teil spielte). Während Max halb stranguliert seinem neuen Job als permanente Lebenssaftkonserve nachgeht, schickt Immortan Joe seinen besten General los, Imperator Furiosa (wie kommt Miller bloß auf diese Namen, Charlize Theron?), um mit einem Tanklaster Sprit- und Munitionsnachschub von verbündeten Siedlungen abzuholen. Er ahnt nicht, dass Furiosa heimlich seinen Privat-Harem im Schlepptau hat und die jungen Frauen befreien will.

Was auf die 15 Minuten Exposition folgt, sind gut 105 weitere, in denen es nicht nur kaum Plot, sondern auch kaum eine Atempause gibt. Es ist ein irrsinniger Ritt durch Dreck, Sand und Wirbelstürme scharfkantigen Blechs. Noch dazu überwiegend mit praktischen Effekten und unter todesmutigem Einsatz dutzender Stunt-Leute entstanden. Es ist schwer zu beschreiben, warum das alles so gut funktioniert, wie Max und Furiosa hier auf der Flucht von Feinden zu Verbündeten werden. Erklärungsversuche müssen unweigerlich bei der Optik beginnen: Fury Road ist ein auf eine eklige Art visuell unglaublich einnehmender Film. Der Oscar-prämierte Kameramann John Seale (Der Englische Patient) findet selbst im Tod dieser Welt noch reichlich farbenfroher Schönheit, während die Operette rücksichtsloser Zerstörung tatsächlich sehr an die Verfolgungsszenen aus den Originalen erinnert.

So trüb und desaturiert wie hier sieht der Film nicht aus. Tatsächlich ist es eine recht farbstarke Apokalypse, über die Immortan Joe - der freundliche Herr mit dem schönen Lächeln - herrscht.

Doch auch inhaltlich stimmt's. Die wenigen Figuren - allen voran das Rudel ätherischer Schönheiten, die Furiosa aus der Brutmaschinensklaverei zu retten versucht - versprühen genug Persönlichkeit, dass man um jede einzelne bangt. Und wenngleich es ein Film voller starker Frauenrollen ist, muss man in einigen Szenen wirklich schwer schlucken. So sehr ich Tom Hardy verehre, muss ich beinahe zugeben, dass er der schwächste Part in diesem nihilistischen Road-Movie ist. Er spielt wie immer gut, hat Präsenz und Intensität, aber er nuschelt auch viele seiner wenigen Textzeilen, als spielte er noch immer Bane. Zu keinem Zeitpunkt ist Hardy ein Problem des Films. Aber während im Vergleich zu den Originalen alles etwas größer, schöner und kaputter ist und vor allem Charlize Theron hier abliefert, als gäbe es kein Morgen, überstrahlt Mel Gibsons Leinwand-Charisma auch Fury Road noch ein bisschen zu sehr. Der Brite vermag es nicht dem Charakter seinen eigenen Stempel aufzudrücken.

Nein, tatsächlich ist es Therons Film, die mit Armprothese und kahlrasiertem Schädel einen überzeugenden und vor allem fähigen Killer auf der Suche nach Vergebung spielt. Es gibt ein, zwei Einstellungen, in denen sie mit einem einzigen Blick Intensität und Drama erzeugt, das zwei Seiten bestens geschriebener Dialog nicht hergegeben hätten. Sie hat mit Leichtigkeit die besten Momente in einem Film, der deutlich mehr echte Gefühlsmomente hat, als ich einem Actioner zugetraut hätte, in dem ein an Bungie-Seilen fixierter Freak auf einer rasenden Boxenwand eine doppelhalsige E-Gitarren-Flammenwerfer-Kombination spielt.

Mit Fury Road geht ein feuchter Jungentraum in Erfüllung. So intensiv, einfallsreich und irre hypnotisch flogen schon lange nicht mehr Trümmer durch die Luft. Ehrliche, verflixt gut gemachte und nach Benzin stinkende Action, wie sie die (oft zu Unrecht belächelte) Furious-Reihe noch nicht hinbekam. Was für eine wundervolle, kraftvolle und betörend hässliche Überraschung dieser Film doch ist.

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Mad Max: Fury Road läuft seit Donnerstag im Kino. Geht ruhig mal wieder hin.


Was ist Freitagskino?

Jeder Mensch braucht mal Abwechslung. Wir alle mögen Kino, also schreiben wir (fast) immer freitags über Filme oder Serien. Keine Sorge, wir versuchen nicht, etablierten Filmkritikern große Konkurrenz zu machen, sondern einfach nur zu berichten, wie ein Film auf uns wirkte und ob wir dazu raten würden, ihm eine Chance zu geben. Welche Filme oder Serien das sind, hängt davon ab, was derjenige Autor in den letzten Wochen sah. Wir unterwerfen uns jedenfalls nicht vollends dem Diktat der Aktualität.

Es können aktuelle Blockbuster, ausgemachtes Genre-Kino, aber auch Arthouse-Geheimtipps sein, die noch im Filmspielhaus um die Ecke laufen. Die neueste Netflix-Serie kommt ebenso unter die subjektive Lupe wie ein alter HBO-Liebling, der sich nach Jahren unserem unter Umständen veränderten Geschmack stellen muss. Ebenso werden immer wieder nach Ewigkeiten wiederentdeckte Schätze zur Sprache kommen, überbewertete Klassiker oder unterschätzte Perlen. Wie gesagt, wir wollen euch damit nur ein wenig Diskussionsstoff über das zweitbeste Geek-Hobby liefern - und ein paar Inspirationen, was sich vielleicht lohnen könnte. Wir hoffen, euch macht die Rubrik genau so viel Spaß wie uns, auch wenn diese Sorte Unterhaltung zur Abwechslung mal nur bedingt interaktiv ist.

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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