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Nimm lieber einen Klassiker... oder auch nicht: die Paper-Mario-Reihe

Wenn das Früchtchen mal nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Von all den Spin-offs, in denen Marios ureigene Rolle als Pfirsichpflücker mal mehr, mal weniger variiert, waren mir die Paper-Mario- und Mario-&-Luigi-Reihen immer die liebsten. Nachdem Square auf dem SNES mit dem Quasi-Vorläufer Super Mario RPG: Legend of the Seven Stars eine (in Europa leider erst 2008 via Virtual Console veröffentlichte) Machbarkeitsstudie hinlegte, fand Nintendo Gefallen daran, den Klempner mehr sammeln zu lassen als nur Münzen.

Paper Mario ist ein anschauliches Zeugnis dieser Zeit, ein wenig exzentrisch schon immer, bemüht um Albernheiten, Geschichten und so großes Abenteuer, wie es Marios Welt stemmen kann. Spielerisch zwischen Action-Adventure, Jump-and-Run und Rollenspiel, optisch ein aus Karton und Bastelbögen gefertigter Traum - so die Erinnerungen. Wie viel geht heute noch?


Paper Mario

Unglaublich, wie gut sich der Bastelstil des Spiels gehalten hat. Paper Mario sieht heute noch gut aus.

Was es mal war: Eines der späten Highlights fürs N64. Im Herbst 2001 in Europa erschienen, drückte es dem System hier noch eine kleine Infusion rein, während der Gamecube in Japan seit einigen Tagen zu haben war. Und kurzzeitig konnte man mit dem seichte RPG-Mechaniken aufgreifenden Abenteuer vergessen, wie nah das lila Kraftpaket mit seiner Hardware-Power bereits war. In acht Kapiteln sammelt Mario Erfahrung wie Begleiter, trägt Rundenkämpfe und Briefe aus, öffnet mit besserer Ausrüstung neue Wege, vor Augen, was er immer vor Augen hat: Peach. Und das alles, weil Bowser den Pilzpalast entwurzelte und mit der Pfirsichgeisel scheinbar unerreichbar im Himmel schwebt. Anhand der vom Krötenkönig abwärts gerichteten Befehlskette entsteht ein Bild der Hierarchie in den Reihen seiner Schergen, zumindest soweit man diesem im Pilzkönigreich Bestand zusprechen möchte. Außerdem ist es eines der wenigen Spiele, in denen Mario als "Bärtiger Penner" angesprochen wird. Das bringt mich immer wieder zum Lachen. Wie kann so etwas nicht super sein?

Was noch geht: Alles! Und das ist erwähnenswert, da das meiste der Generation N64/PSone heute wie ein Breifilter über moderne, große TV-Bildschirme schmiert. Beide Kisten waren praktisch froh, überhaupt 3D-Umgebungen darstellen zu können. Und dann kommt dieses Spiel in seiner Scherenschnittoptik, dem die kümmerlichen 4-Bit-Texturen des N64 nichts anhaben, weil es stilistisch mit Farben spart und keine sichtbaren Farbübergänge braucht. Dank der Planes, die für die Figuren ausreichten, musste sich das N64 nicht an zu vielen Polygonen überheben. Das Ergebnis ist einer der bestgealterten Titel dieser Generation. Seht euch dagegen mal F-Zero X an. Gruselig.

Peach ist in der Reihe immer mal wieder als Figur spielbar, etwa hier, als sie durch ihr eigenes, entführtes Schloss schleichen muss.

Was keiner mehr will: Warten, bis endlich ein neuer Teil in diesem Stil erscheint. Ob für Wii U, NX oder 3DS (nein, das auf der E3 angekündigte Paper Jam Bros. zählt nur halb...), das ist völlig egal. Nur macht was, Nintendo!

Unbedarfte Spielbarkeit 2015 jenseits des historischen Interesses: Nahezu 1a, auch und vor allem mit der Download-Version aus dem E-Shop. Sieht man hierbei von den eingeblendeten C-Buttons des N64 ab, die heute nur noch eine Erinnerung daran sind, wie Nintendo damals sein Gamepad entwarf. Ein Abenteuer mit Rundenkämpfen und bis heute konserviertem Spielwitz kann man jederzeit gemütlich genießen, besonders wenn es sich so prima gehalten hat wie Paper Mario.


Paper Mario und die Legende vom Äonentor

Was es mal war: Für viele der ultimative und beste Teil der Reihe, dank Gamecube-Power noch ansehnlicher und vor allem: umfangreicher, spleeniger, an nahezu allen Ecken erweitert. Während Mario und Gefolge sieben Sternjuwelen zur Rettung Peachs nachjagen, geht es durch Welten, die sich nicht vordergründig der üblichen Themenschablone beugen: eine Abtei zum Beispiel, ein Kasino, einen Zug mit kriminalistischen Ermittlungen, bis auf den Mond. Die Legende vom Äonentor hatte einen Haufen an Nebenmissionen, Transformationen für Papier-Mario, um beispielsweise als gefalteter Flieger so manche Rätselpassage zu meistern, war schlicht größer und klamaukiger. Und gegen Ende richtig anspruchsvoll, bisweilen sogar ein wenig frustig, wenn ich an den Weg zum Endboss denke.

Die Legende vom Äonentor wurde an vielen Stellen erweitert und verbessert. Der vielleicht beste Teil von allen.

Was noch geht: Viel schnaubendes Gekicher darüber, wie unbekümmert Nintendo und Intelligent Systems mit ihren universell benutzbaren Figuren umgehen. Marios Auftritt als "Bomba Luigi" in der Arena war vielleicht ein wenig zäh, aber unvergessen witzig. Ebenso wie sein grünbemützter Lügenbruder, der seinen eigenen Abenteuern nachjagt und die Geschehnisse in jedem Kapitel völlig übertrieben zurechtbiegt, während er davon berichtet und Mario gegen das Eindösen ankämpft. Die Legende vom Äonentor findet einen fabelhaften Weg zwischen seinen Dungeons inklusive Rätseln, Backtracking und den Kämpfen vor feierndem Publikum (das weiter ausdünnt, je schlechter der Klempner kämpft). Und Bowser? Hängt in seinem Vorhaben, die sieben Sternjuwelen vor Mario zu finden, immer einen Schritt zurück. Wann immer man an Nachfolger denkt, die "noch ordentlich einen draufgesetzt" haben, wie man so sagt - das hier ist einer davon.

Was keiner mehr will: Abgesehen von wenigen einen Deut zu stark gestreckten Abschnitten? So mancher Dialog war etwas zu viel des Geschwätzigen, besonders da man sie nicht überspringen darf. Ich weiß nicht, wie oft ich die Sequenz vor dem Endboss mitansehen musste, aber es war quälend. Man hätte die Legende vom Äonentor um einige Stunden kürzen können, ohne Entscheidendes wegzunehmen. Glaube ich.

Unbedarfte Spielbarkeit 2015 jenseits des historischen Interesses: Das Spiel ist heute genauso aktuell wie zu seinem Erscheinen. Es gibt keinen Grund, es bei früherem Auslassen nicht einmal probieren zu wollen, es sei denn, ihr seid immun gegen Spaß. Wer es nicht besitzt, muss inzwischen leider tief in die Tasche greifen. Unter 70 Euro für eine gebrauchte Version wird es schwer, dieses Juwel der Gamecube-Bibliothek zu ergattern.


Super Paper Mario

Auf den ersten Blick ein ganz normales Jump-and-Run der Sorte 'von links nach rechts'...

Was es mal war: Ein mehr oder minder radikaler Umsturz der bis hierher fantastisch funktionierenden Serienformel. Gut, mal abgesehen vom viertelstündigen Einstiegstalk, unter anderem mit einem schrägen Typen namens Graf Knickwitz, dem neuen Gegenspieler - da war noch fast alles beim Alten. Beim Spielen hingegen, also, sagen wir, ich war überrascht. Keine Rundenkämpfe mehr, dafür Echtzeitgehüpfe, flache Umgebungen ohne Tiefe wie in einem Jump-and-Run. Hmm. Es dauerte...

Was noch geht: ... etwa eine Stunde, dann entdeckte ich die zentrale Spielmechanik, um die herum SPM entworfen ist. Die klassische 2D-Ansicht ist nur ein Teil, den Mario per Knopfdruck kurzzeitig verlassen kann. Ein scheinbar unüberwindbarer, bedrohlich auf den kleinen Klempner zurollender Gegner wird zur dünnen Pappe, aus der er nun mal besteht, wenn man die Kamera um 90 Grad zur Seite dreht. Nintendo zieht mit diesem perspektivischen Wechselspiel einen Rattenschwanz an Rätseln und Aaah-Momenten hinter sich her, zumal es nicht das einzige pfiffige System ist. Eine Reihe kleiner, „Pixl" genannter Begleiter können etwa Dinge sprengen, Mario fürs Passieren enger Spalten plattdrücken, ihn auf Flohgröße schrumpfen oder sich in einen Hammer verwandeln. Zusammen mit den drei anderen spielbaren Charakteren - Peach schwebt mit ihrem Schirm, Luigi hopst höher, Bowser speit Feuer - war auch dieser Teil trotz Regelbruchs einer, der sich bis ins Finale von seinen Ideen tragen ließ, ohne langweilig zu werden.

... doch beim Perspektivwechsel entdeckt man so manches Geheimnis. Das Spiel lebt von dieser Mechanik und hat sie bis zum Finale im Griff.

Was keiner mehr will: Hab ich was zu den langen Dialogen gesagt? Die Wolken-Stage hätte deutlich straffer sein dürfen. Das ständige Zeigen mit der Wiimote auf die Sensorbar, um sich Tipps zu holen, war auch nicht meins. Aber da Motion-Gaming alles ist, nur nicht auf Vormarsch, ist es unwahrscheinlich, noch mal etwas in der Richtung tun zu müssen. Falls die Reihe irgendwann weitergeht...

Unbedarfte Spielbarkeit 2015 jenseits des historischen Interesses: Tut das. Allein bei der Erinnerung an die Nerd-Festung oder die schräge Dating-Simulation, in der sich Peach wiederfindet, juckt es in den Fingern, noch einmal die Wiimote quer zu halten und Flipstadt vor dem Untergang zu retten.


Paper Mario: Sticker Star

Das Streichen der Erfahrung und des Level-up-Systems bekam Sticker Star nicht sonderlich gut.

Was es mal war: Der erste auf einem Handheld veröffentlichte Teil. Da es dort bereits die thematisch verwandte Mario-&-Luigi-Reihe gab, dachten sich Nintendo und Intelligent Systems vielleicht, man könne den Ansatz ein wenig variieren. Und strichen mal eben viele schöne Dinge, die Paper Mario davor auszeichneten. Es ist der einzige Teil, den ich nicht zu Ende gespielt habe.

Was heute noch geht: Je nachdem, was man von einem Paper Mario erwartet. Sticker Star hat aufgrund seiner Abgespecktheit sicher nicht den leichtesten Stand. Die Welt war nicht mehr offen (im Paper-Mario-Sinne), sondern brettspielartig in Areale unterteilt. Begleiter hatten keinen Platz in diesem Ableger, ebenso wenig wie Erfahrungspunkte und damit das ohnehin nie sehr ausufernde Level-up-System. Gerade die Kämpfe mit leichtem Grinding-Einschlag der ersten beiden Teile - sie sind in Sticker Star praktisch überflüssig. So schön die Idee, Aufkleber für Kampfaktionen zu sammeln, im ersten Moment auf dem Papier (haha...) geklungen haben mag - ein richtig lautes, befriedigendes „Klick", wenn man sich dem Spiel verbunden fühlt, das hört sich anders an. Dafür transportiert es den Bastel-Look so mühevoll wie kein anderer Teil und ist für den kleinen 3DS ein technischer Triumph.

Allerdings fängt es den Stil hervorragend ein und ist immer noch ein durchaus nettes Spiel.

Was keiner mehr will: Ein schief zwischen den Stühlen hängendes Paper Mario, würde ich sagen. Oder nur mit einem bestimmten Sticker zu knackende Bosse. Oder dermaßen verbohrtes Backtracking: Das gesuchte Motiv klebt oft genug im vorangegangenen Areal, wenn man nicht das Glück hatte, es bereits zu finden. Was es nicht nur einmal erforderlich macht, mit dem Hammer wild um sich zu hauen, auf Bäume und Büsche, irgendwo könnte ja das Item stecken. Rundenkämpfe ohne Erfahrung sind auch ein bisschen witzlos.

Unbedarfte Spielbarkeit 2015 jenseits des historischen Interesses: Ohne Wenn und Aber. Nur ist Sticker Star mit erkennbarem Abstand der schwächste Teil einer wundervollen Reihe. Ein irgendwie gutes, unterhaltendes Spiel noch immer, aber was heißt das schon im Falle von Nintendo?

In diesem artikel

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Sebastian Thor

Freier Redakteur - Eurogamer.de

Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.

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