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Victor Vran - Test

Sprung nach vorn.

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Spritzig und unkompliziert bricht Victor Vran die Starre seines Genres ein wenig auf und macht einfach Laune.

Ihr wisst ja, wie das hier läuft: tunnelartig und wellenbrechend. Tunnel mit Monstern, Wellen aus Monstern, Schwert und Pistole, Trank schlucken, Gold schultern und immer weiter, weiter, weiter. Weil das Aufstehen und Rechnerausschalten aufwendiger ist, als sich einfach im Geschehen treiben zu lassen. Wie alle im Diablo-Fahrwasser erschienenen Abkömmlinge ist auch Victor Vran eine dieser Nummern, die man ahnungslos zieht wie am Arm eines Glücksspielautomaten. Mal kommt was Funkelndes, Tolles raus, mal nicht, aber aufhören? Kann man später noch.

Und wie die meisten Spiele seines Schlages lebt es vom stetigen, unumwunden nach vorn gerichteten Fluss des - sagen wir es offen und ohne böse Hintergedanken - Banalen, unterbrochen nur durch die regelmäßige Rückkehr ins Schloss von Zagorovia, das Gegenstück zu den je nach Akt unterschiedlichen Hubs in Diablo 3.

Seht ihr die roten Punkte auf der Minikarte? Alles Spinnen. Zündet da unten mal eine Granate. Ein Moment blanker Freude.

Es ist eine der vielen Konstanten. Hier kauft ihr Heiltränke, Waffen und Granaten, sprecht mit immer denselben Leuten über ihr wechselndes Angebot, weil es das ist, worum sich solche Spiele nun mal drehen. Andere Konstanten sind aus dem Boden brechende, euch einkesselnde Gegner auf Friedhöfen, in Grotten und brennenden Hausruinen. Sie sind ebenso Begrüßungsritual wie Daily-Quests in MMOs oder die Verteilung der Badass-Punkte in Borderlands. Man weiß, dass sich das nicht ändert, nimmt es nickend in verlässlicher Abfolge hin, denn so leichtherzig, wie es Victor Vran macht, sagen wir, nicht alle Hack-and-Slay-Heuler kriegen das auf die Reihe.

In Sachen Erzählung teilt es das Schicksal seiner Art und ich bin mir relativ sicher, dass ich nach dem Wochenende nichts mehr darüber wissen werde. Als Dämonenjäger, nach dessen Namen das Spiel benannt ist, tut ihr, was in der Stellenausschreibung eines Dämonenjägers steht. Unterwegs findet ihr merkwürdig hingerichtete Leichen anderer Jäger und lüftet die Geschichte hinter der Stadt Zagorovia und dem Hauptcharakter. Nicht dass etwas davon wichtig oder interessant wäre. Immerhin sind die deutschen Sprecher durch die Bank klasse, etwa Martin Keßler (Nicholas Cage).

Was sich im Laufe der Zeit eben alles so ansammelt.

Auf dieses klapprige Vehikel gespannt, pflanzen die Tropico-Entwickler Haemimont, die sich an ihrem ersten Hauen-und-Sammeln-Spiel versuchten, Victor eine männliche Stimme in den Kopf. Sie stichelt und labert oder gibt den sichtlich von Bastion abgeguckten, scheinbar über den Geschehnissen stehenden Erzähler. Manchmal sind seine Zeilen beinahe selbstreflexiv gegen das eigene Genre und seine kruden Eigenarten gerichtet. So was wie "Bist du schon immer Jäger? Ist das nicht langweilig, immer nur Monster, Truhen?" oder "Und er erschlug die Riesenspinne... für eine bessere Waffe" brachte mich durchaus zum Lachen, anders als seine schlimmen Phasen, in denen er nur irgendwas plappert, nachdem er bereits zu lange still war.

Trotzdem, es geht immer weiter. Stehen bleiben ist nicht drin. Das Spiel ist belohnend mit jedem dunklen Fleck, den man von der Minimap tilgt, und jedem roten Punkt, den man dabei aus den Latschen pfeffert. Der von Feind zu Feind überspringende Blitz der Elektrogewehre ist ebenso rauschfördernd wie die jegliches Maß fahren lassenden Ragdoll-Animationen (Leichen fliegen mitunter zwanzig Meter), die aus Gegnern sprudelnden Trefferpunkte oder ihre stetig schrumpfende Energieleiste. Mitten in einem Spinnenauflauf eine Granate gezündet und schon war mein ganzer Bildschirm mit Hunderten sich überlagernden Zahlen bedeckt. Ich mag das ab und zu, das Gefühl von Allmacht anhand von solch plumpen Dingen greifen zu können.

Als Gewitterwolke durch die Horden zu pflügen macht einfach Spaß. Warum, weiß ich auch nicht so genau.

Beim Erfüllen einer optionalen Herausforderung (fünf in jedem Areal, so was wie "Besiege 20 Feinde, ohne Schaden zu nehmen") rammt sich eine schimmernde Standarte in den Boden, drumherum Fontänen aus Gold oder Erfahrungsorbs. Einfach dort zu stehen, obwohl wie im ganzen Spiel nichts Relevantes passiert, nur zu sehen, wie sich einem die Dinger praktisch an den Hals werfen, dazu die üblichen Aufsammel-Jingles, ist ein fieser Trick. Er funktioniert. Jede zufällig erfüllte Herausforderung war für mich wie ein Weihnachten, das ich eigentlich gar nicht feiern wollte. Aber wer beschwert sich schon über Weihnachten? Victor Vran ist ein verschwenderisch Geschenke verteilendes Spiel.

Hinzu kommen eine Multiplayer-Arena - freigeschaltet ab Level 25 -, Elite-Herausforderungen nach einmaligem Durchspielen und Flüche. Letztere sind das aus Dark Souls 2 hierher umgetopfte Asketenleuchtfeuer und sorgen für stärkere Gegner, falls der normale Schwierigkeitsgrad irgendwo auf halber Strecke an Biss verliert. Apropos: Ab dem Punkt, an dem euch das Spiel lose auf die Suche nach bestimmten Bossmonstern schickt, hatte ich meine kleinen Problemchen. Hier lohnt es sich dann doch, ab und zu mal gesammelte Karten (im Grunde so was wie Perks à la "Fünf Prozent mehr Nahkampfschaden", "Cooldown von Tränken minus 40%" oder "Plus 50% kritischer Schaden") zu durchstöbern, ob nicht inzwischen was Besseres ins Inventar gespült wurde.

Die deutschen Sprecher sind allesamt sehr gut, die Geschichte, nun ja... wir sprechen hier von einem Hack-and-Slay.

Und schließlich ist der anziehende Schwierigkeitsgrad relativ, angesichts der alten, ich will es nicht "Probleme" nennen, die Victor Vran mit sich herumschleppt. Aber man kennt das ja: Gold ist nach zwei Stunden praktisch kein Thema mehr, selbst wenn man sein Inventar permanent mit 50 Heiltränken in Schuss hält, solange man alle paar Stunden mal diverse Reiter ausmistet und Überflüssiges verkauft. Auf dem Weg bis zum Ende hatte meine Börse nie weniger als 50.000 zu fassen.

Wo die Charakterentwicklung ängstlich die Füße einzieht und nur automatisierten Level-up-Fortschritt zulässt - keine Talentbäume oder ähnliches -, nutzt Haemimont die Möglichkeiten im dreidimensionalen Raum sehr nett, besonders im Angesicht des sonst kaum hüfthohe Hindernisse überwindenden Genres. Die Übersicht geht mit der drehbaren Kamera nie verloren und Hüpfen steht auch nicht in jedem Loot-Spiel auf der Liste. Mit Wandsprüngen kann Vran in Dungeons sogar versteckte Bereiche erkunden und es ist schön zu sehen, wie das meist in relativer Starre verharrende Genre dergestalt ein wenig aufbricht, ohne die "Klick-Klick-Klick"-Liebhaber vor den Kopf zu stoßen.

Immer drauf, egal wie.

Achtzehn Stunden mit nur wenigen Abstechern in optionale Grüfte entlang des Weges klingen für einen Durchgang nicht so viel. Aber wer den Content von oben bis unten ausschöpfen, alle Herausforderungen abhaken, jede Höhle plündern will, kriegt hier für knapp 20 Euro mehr als genug.

Dabei bleibt es dann auch: bei einer leichtherzig das eigene Genre durchschwimmenden Metzelei, einer Freakshow aus Konstrukten und Dämonen, immer nach vorn, wie es sich gehört. Sie macht nichts halsbrecherisch neu und krempelt ihre Art ganz sicher nicht von innen nach außen. Aber wir sprechen von einem durch und durch gelungenen Beitrag, den seine erweiterten Bewegungsmöglichkeiten ein Stück weit durch die typische Metzelspielstarre schleifen.

Was den Rest angeht, wisst ihr ja, wie das läuft: Tunnel mit Monstern, Wellen aus Monstern. Gern, wenn es so griffig, bestimmt und rauschfördernd ist wie hier.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Victor Vran

PS4, Xbox One, PC, Nintendo Switch

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Sebastian Thor

Freier Redakteur - Eurogamer.de

Steht auf Bier und Bloodsport. Mag weiche Sofas und verliert sich gern in Gedanken an dies und das. Seit 2014 bei Eurogamer dabei, aktuell als freier Redakteur.

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