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Nobunaga's Ambition: Sphere of Influence - Test

Kenne deinen Feind, mache ihn zum Freund und halte das Messer bereit.

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Nach 30 Jahren endlich im Westen angekommen: Nobunaga überzeugt mit diplomatischen Verstrickungen und eleganter Rundenstrategie.

Alles ist relativ und eine Frage der Perspektive. Zu Nobunaga's Ambition: Sphere of Influence konnte man hören, dass es ein etwas langsam startendes, aber dann in die strategische Tiefe gehendes Epos sei, dessen Komplexität es mit den Besten aufnehmen kann. Andere Stimmen sagten, dass dies ja alles ganz nett sei, aber als echtes Strategiespiel wolle man es nun doch nicht bezeichnen, denn dafür sei es viel zu flach und simpel. Ich denke, dass Nobunaga in Wahrheit einfach Nobunaga ist. Wer sich die Strategiespielwelt der Konsolen anguckt und damit automatisch nicht sonderlich tief im Genre steckt, schlicht, weil es nicht viel gibt, wird mit der Komplexität dieses Spiels zwar nicht überfordert sein, aber doch zufrieden. Wer dagegen vom PC kommt und Firaxis als netten Laden betrachtet, der sich um Einsteiger kümmert, nur um sich dann wieder Europa Universalis zuzuwenden... Nein, Koei ist nicht Paradox. Und so ist dann alles relativ.

Alles in einem Menü - die Seitenleiste erlaubt eine gute Kontrolle über Japan mit nur einem PS4-Pad in der Hand.

Was Nobunaga jedoch nicht ist: einfach. Die Komplexität der Mischung aus Schlacht, Staats-Ökonomie und Diplomatie mag für Genre-Erfahrene schnell überblickt sein - zumindest nachdem sie sich an die teilweise etwas eigenwillige Terminologie des Spiels gewöhnt haben -, aber hier stecken 30 Jahre Entwicklungserfahrung drin und damit 30 Jahre Erfahrung, Spieler zu fordern. Auch wenn ihr noch nie was von der Nobunaga-Reihe gehört habt, schließlich ist das der erste westliche Ausflug, heißt das nicht, dass sie gerade erst gestartet wurde. Zurück bis zu NES und Gameboy lässt sich das Spiel verfolgen und auf diesem langen Weg scheint die KI den einen oder anderen Trick gelernt zu haben. Vor allem scheint sie einem eigenen, irgendwie japanischen Mindset zu folgen, was ihre Verhandlungswilligkeit angeht. Ehre ist hier schnell gekränkt und es braucht lange Zeit - oder viel Großzügigkeit -, um solche Wunden zu heilen. Das war wohl so im Japan des 16. Jahrhunderts.

In dieser Zeit, in der Japan in Kleinststaaten zersplittert war, habt ihr die Wahl zwischen neun historischen Szenarien, bei denen man angesichts der Historie der Spielreihe sicher davon ausgehen kann, dass ihre Ausgangslagen ziemlich dem entsprechen, was in Japan damals Sache war. Das namensgebende Element ist dabei der Oda-Clan, in dessen Fußstapfen ihr Japan vereint - was entgegen allgemeiner Ansicht dem historischen Oda Nobunaga nur zu etwa einem Drittel gelang, bevor er ermordet wurde -, oder ihr sucht euch einen anderen Daimyo aus oder startet einen ganz eigenen Clan. Das Ziel ist eh immer das gleiche: Es gibt in Japan zu viele Feldherren, sorgt dafür, dass ihr im Idealfall der letzte seid. Ein paar fiktive Szenarien sind auch dabei, aber um die Absurdität dieser zu schätzen, muss man sich in der japanischen Geschichte schon ein wenig auskennen. Für mich klingt es plausibel, dass das in Japan mal so wild aussah wie in Thirty Ambitions. Was weiß ich denn schon.

In den Schlachten kann man auf diese Stufe zoomen...

Der generelle Ablauf ist wie gesagt dreigeteilt und der Teil, mit dem ihr die mit Abstand meiste Zeit verbringen werdet, ist der Staatsauf- und -ausbau. Zu Beginn erledigt ihr das meiste von Hand, sei es der Ausbau von Farmland, die Details eurer Festungen bis hinunter zu den kleinen Wünschen und Sorgen eurer Untergebenen. Da dies schnell zu einem echten Zeitfresser wird und euch bei wichtigeren Aufgaben wie der Eroberung eines Landes ausbremst, solltet ihr zusehen, dass ihr solche Banalitäten an eure KI-Generäle auslagert, die sich auch angemessen darum kümmern. Es ist ein wenig wie immer: Will man es perfekt haben, muss man es selbst machen. Die KI wird es rund am Laufen halten, mehr aber auch nicht. Die meiste Zeit ist das völlig ausreichend und ihr habt ohnehin mehr als genug zu tun. Es ist eine echte Kunst, dass es dem Spiel gelingt, euch das Kleinklein zu offerieren, es aber so weit optional zu halten, dass man sich nicht drin verzettelt, wenn man es nicht möchte. Delegiert ihr vernünftig, bekommt ihr ein solides Spieltempo hin, das euch auch im späteren Verlauf diese Phase nicht endlos ausbremst.

... aber das ist nur für die Show. Das ist das, was ihr in den Schlachten genausten studieren werdet: Welcher bunte Pfeil wo und wann ankommt.

Die Diplomatie als eigener, ebenbürtiger Aspekt darf in Nobunaga nicht unterschätzt werden. Wer eigenbrötlerisch vor sich hin werkelt und ansonsten nur Angriff kennt, dürfte jenseits des ersten Schwierigkeitsgrades keine Sonne sehen. Es pflegt die Kunst, nicht nur Bündnisse zu schließen, sondern vor allem den richtigen Zeitpunkt zu finden, sie zu brechen, das jedoch, ohne mögliche zukünftige Alliierte zu verschrecken. Das Spiel bekommt diesen Drahtseilakt gut hin und staffiert ihn mit Hochzeiten, Intrigen, Attentaten und vielen Ereignissen mehr über das ganze Land hinweg aus, sodass schon nach recht kurzer Zeit die ganzen Namen für euch mehr bedeuten als nur ein Marker in der Landschaft. Ihr beginnt mehr und mehr, ein verflochtenes Netz zu sehen, das unter dem Land liegt, es zu lesen und auch auszunutzen. Das Spiel hat diese Tiefe, wenn ihr sie sucht, und selbst wenn manche Reaktionen der KI mitunter etwas seltsam wirken, im Grunde schafft es Nobunaga recht gut, ein glaubwürdiges Mit- und Gegeneinander all der Fürsten und ihrer wichtigsten Randfiguren abzubilden. Das ist keine kleine Leistung und hier zeigt sich die lange Erfahrung des Hauses Koei deutlich.

Erneut, ihr könnt und in dieser Phase solltet ihr auch ganz tief in die Möglichkeiten hinabsteigen, denn feindliche Generäle lassen sich nicht nur in Schlachten besiegen. Sie lassen sich abschrecken, zu Verbündeten machen oder kurzerhand ermorden, was alles jedoch Vorbereitung und Spezialisten braucht, die ihr im Vorfeld trainiert und parat haltet. Das wiederum kostet Geld. Was jedoch wie viel kostet, das kann so stark variieren und von zahlreichen Faktoren abhängen, dass die Entscheidung mitunter nicht leichtfällt. Eine Menge Zahnräder greifen ineinander, bedingen einander, so wie es in einem solchen Spiel sein muss. Die Betonung dieser Schwerpunkte unterscheidet es auch deutlich von zum Beispiel einem Total War, denn in einem Punkt gibt sich Nobunaga ziemlich blass: der Schlacht.

Auch Seekriege spielen eine große Rolle, schließlich spielt sich in Japan eine Menge an der Küste ab.

Schon visuell geht es trocken zu. Es gibt eine Zoomstufe, auf der ihr einzelne Soldaten erkennt, zu viel zu gebrauchen ist die nicht. Viel wichtiger ist der Überblick, und der zeigt Armeen als dicke Pfeile, die aufeinander zumarschieren. Die wichtigsten Entscheidungen fallen dabei auf dem Weg zum Kampf. Ihr habt die Möglichkeit, eure Ankunft zu verschleiern und den Feind im Unklaren zu lassen, wo ihr genau steht. Gleiches gilt für euch. Ohne Späher werdet ihr mitunter mit den Truppen über eine Ebene ziehen, ahnend, wo der Feind steht, nur dass er eben dann doch ein wenig weiter stand, die Zangenbewegung ins Leere geht, die Flanken offen liegen und die Armee wenig später hektisch und schwer dezimiert in die Berge rennt. Gute Aufklärung ist im Krieg alles und von Zeit zu Zeit gelingt es Nobunaga, einen deutlich daran zu erinnern, indem die KI mitunter durchaus verschlagen sein kann.

Der Schwierigkeitsgrad lässt sich überraschend detailliert einstellen. Einsteiger können sich also graduell hocharbeiten.

Sobald die Truppen direkt und frontal aufeinandertreffen, ist es oft ein reines Zahlenspiel. Wer mehr Truppen der richtigen Konstellation aufeinanderhetzt, wird meist gewinnen. Die Boost-Fertigkeiten der Anführer sind ein netter Touch, um die einem ja nicht so vertrauten Namen besser auseinanderzuhalten, aber es war doch selten, dass sie den letzten Ausschlag gaben. Wichtiger war es, kleine Armeen richtig zu bewegen und gut informiert zu sein. So ließen sich dank fast schon einer Art Guerilla-Taktik große Verbände auch mit einer zahlenmäßig deutlich unterlegenen Truppe in die Flucht schlagen. Es ist nicht so tiefgehend, aber das heißt nicht, dass es nicht doch ein paar elegante Möglichkeiten gibt, die sich in der Tiefe des Spieldesigns verstecken. Was als eine Art Motto der Serie gelten könnte.

Ein paar Worte muss man wohl zur Technik und vor allem der Steuerung auf der Konsole verlieren. Grafik, Sound und so fasse ich mal schnell zusammen: ist okay. Genretitel halt, mehr braucht man nicht, ist schön übersichtlich. Die Menüführung - weit wichtiger - wurde relativ elegant gelöst, aber am PC merkt man klar, dass das ein Spiel aus der anderen Ecke ist. Das wiederum macht sich auf der PS4 und PS3 bezahlt. Sobald ihr euch halbwegs gemerkt habt, was wo ist, klickt ihr euch zügig durch und dirigiert alles andere mehr oder weniger elegant mit dem Zeiger. Kurz gesagt, es spielt sich gut, hakt nicht, es hat seine vielen Optionen recht gut im Griff, und das auf allen Plattformen.

Die Zwischensequenzen sind so kitschig, wie man es von Koei kennt und liebt oder auch nicht. Achtung: Alles nur in Englisch oder Japanisch.

Und so zieht sich der Zyklus aus pausierter Aufbauphase, sich anschließend in Echtzeit bewegenden Truppen und Einheiten, den daraus resultierenden Schlachten und den abschließenden Monatsreports dahin, die Jahre ziehen durch Japan, die Stunden des Spielers bis tief in die Nacht. Nobunaga's Ambition: Sphere of Influence ist einer dieser Titel, in denen man sich leicht verlieren kann, wo man immer wieder auf Feinheiten und neue Taktiken stößt oder sie selbst entwickelt, wo keine Runde ganz der anderen gleicht. Diese Art von Strategiespiel halt, auf der Konsole so unbekannt, auf dem PC einer so starken Konkurrenz ausgesetzt.

Total War ist weiter, Europa Universalis komplexer, Banner Saga spannender erzählt. Nobunaga verbindet aber seine durchaus immer noch beachtliche Tiefe mit einer ebensolchen Detailverliebtheit, wenn es um das feudale Japan geht, und punktet auch genau hier mit seinen feingegliederten Diplomatieverstrickungen. Wenn es dem Spiel wichtig war, deutlich zu machen, wie wichtig, eng und doch jederzeit zerbrechlich das feine Netz der Feudalbeziehungen war und wie man sie ausnutzen kann, dann hat es sein Ziel erreicht. Wenn nicht, dann ist das ein positiver Nebeneffekt eines auch sonst ausgesprochen kompetenten und unterhaltsamen Exoten, bei dem wir hoffentlich nicht weitere 30 Jahre warten müssen, bis sich mal wieder einer hierher verirrt.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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