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Civilization: Beyond Earth: Rising Tide - Test

Warten auf die Umwälzung.

Eurogamer.de - Empfehlenswert Badge
Alles, was man von einem guten Add-On erwarten kann, aber das gewisse Extra, das Firaxis sonst liefert, fehlt noch.

Was das vielleicht größte Problem von Beyond Earth ist? Es ist kein Civilization 5 mit seinen beiden Add-ons. Erinnert man sich zurück an den ursprünglichen Release von Civ 5, war sein Problem, dass es kein Civ 4 mit all seinen Add-ons, also ein deutlich komplexeres, ausgereifteres Spiel war. Trotzdem war Civ 5 in vielerlei Hinsicht ein großartiges Spiel, aber wie fast alle 4X-Games eines, das immer noch besser werden konnte. Wurde es auch. Und mit seinen Erweiterungen und Updates hat sich Civ 5 zu dem vielleicht besten Spiel der Reihe gemausert - ruhig bleiben, Civ-4-Fans, ich sagte „vielleicht". Der Punkt ist, dass Beyond Earth am Anfang steht. Aber nun geht es den ersten Schritt.

Wie auch jedes einzelne Add-on zu Civ 5 verändert es nicht das ganze Spiel. Und wer bisher dachte, dass jede Runde ein wenig zu mau verläuft, weil sie der letzten ein wenig zu sehr änderte, die Fraktionen zu abstrakt scheinen, um sich in sie hineinzuversetzen, und das Ganze eh zu nah an Civ 5 und nicht Alpha Centauri dran sei... dann wird euch Rising Tide nicht viel helfen. Es wird nichts umgekrempelt, es wird kein anderes Spiel daraus. Es lässt aber erkennen, dass hier viele Grundlagen vor allem in der frühen und mittleren Phase des Spiels angepasst wurden und damit Firaxis den gleichen Schritt geht, wie sie es bei Gods and Kings in Civ 5 taten.

Artefakte, die Sammelkarten jeder schönen, neuen Welt.

Es ist auch die Anfangsphase eines Spiels, in der ihr die meisten Aliens - nach wie vor nur in Form von animalischen Ureinwohnern der neuen Welt - um euch herum habt. Das Ausräuchern der Nester beschert euch nun Artefakte, was diesen zuvor eher Fleißaspekt deutlich reizvoller macht. Stellt es euch wie Sammelkarten vor. Jedes Artefakt ist in schlechtem, mittlerem oder gutem Zustand und gibt demnach einen niedrigen oder hohen Bonus. Das können Ressourcen, eine Einheit oder etwas anderes Nettes sein. Wirklich interessant wird es aber, sobald ihr drei Artefakte kombiniert. Hier gibt es neue Gebäude, Einheiten und sogar Wunder. In meiner ersten Runde erhielt ich sehr früh gleich das Xenomasse-Badehaus - was ich hierzuwelt für einen sehr spannenden Spa-Gedanken halte -, das nicht nur Kultur-Boni mit sich brachte, sondern auch Einheiten schneller heilte. Es folgte das Tesselation-Wunder, was die Militärkosten um 30 Prozent verringert. In der Folge marodierten meine zahlreichen Preiswerteinheiten viel aggressiver, wussten sie doch, dass zu Hause immer eine Badewanne voller Alien-Schleim für sie bereitsteht. Es macht die Jagd nach den Grabungsstellen und Nestern um so vieles reizvoller, und auch, wenn die Wirkung dieser Artefakte mächtig scheint, habe ich bisher noch nichts gesehen, was die Balance aus dem Ruder bringen würde.

Ein weiterer, etwas epischer Aspekt sind die Marvels-Quests, sobald ihr auf ein großes Alien-Artefakt stoßt. Dies startet eine Quest-Reihe, die euch auf die Suche nach weitere Artefakten schickt, bis ihr auf den großen Preis stoßt. Das Besondere ist, dass diese Quest von allen Fraktionen beendet werden kann. Im Gegensatz zu einem Wunder, das es nur einmal gibt, hat es durchaus Sinn, dass eine andere Fraktion ebenfalls die Ruinen einer alten Alien-Zivilisation findet und daraus die gleichen Schlüsse - sprich einen Kampfbonus für alle Einheiten - zieht. Ein netter Aspekt, der ein klein wenig mehr Wunder in die eigentlich immer noch nicht so fremdartigen Welten bringt. Mehr jedenfalls, als es die beiden neue Biome Eis und Feuer bringen. Mal ehrlich, sind wie hier in Mario-Land? „Eis"-Welt, „Feuer"-Welt, mehr fiel zum Thema Sci-Fi nicht ein? Die spielerischen Auswirkungen der Vulkan-astigen Primordial- und zugefrorenen Frigid-Biome halten sich auch in Grenzen, beim einen sind die Aliens launischer, beim anderen bleiben sie lieber in ihren warmen Nestern und verteidigen diese bis zum Letzten. Die restlichen Probleme einer solchen Umgebung haben die hochtechnisierten Menschen wohl gut genug im Griff, als dass es zu den bisherigen Umgebungen keine echten Unterschiede über das Optische hinaus gab.

Wasserstädte: Das erste Mal in einem Civ-Spiel. Ist ja auch eine nette, schön SciFi-mäßige Idee...

Ein sicher tieferer Eingriff in die Mechanik sind die Mischaffinitäten. Zuvor habt ihr euch auf Harmony, Purity oder Supremacy als Denk- und Forschungsschule eurer Kultur eingeschworen und die anderen beiden links liegen gelassen, zumindest solange ihr in einer Runde die besten Einheiten haben wolltet. Jetzt ist es möglich, Hybride aus zweien zu verfolgen und dabei neue Forschungen und Einheiten freizuschalten. So liegen mit den Architects reizvolle Buff/Debuff-Einheiten entlang der Mischung aus Harmony und Purity, während die Purity/Supremacy-Mischung euch beispielsweise den Golem gibt, eine wandernde Schutzwand. Das alles kommt zu einem gewissen Preis, so müsst ihr bei Hybriden in der Regel etwas länger forschen und mehr Ressourcen aufwenden. Im Gegenzug erfordern Hybride einen niedrigeren Affinitätslevel in beiden Affinitäten, als es bei einer Tier-3-Einheit einer reinen Affinität der Fall ist. Logisch, ihr müsst ja auch zwei davon steigern und es wahrt die Balance zwischen den reinen und den hybriden Affinitäten. Es ist ein etwas zögerlich implementiertes System, das nicht viel durcheinanderbringt, zumal die Hybrid-Affinitäten zwar als eigene Philosophien mit eigenen kulturellen Zügen beschrieben werden, aber nicht mal eigene Siegbedingungen kennen. Hier wäre vielleicht, auch ohne das Grundgerüst anzufassen, durchaus noch etwas mehr Tiefgang drin gewesen. So ist es mehr eine willkommene Auffächerung, die keine neuen Spieltiefen auslotet.

Der deutlichste Wandel vollzog sich bei der Diplomatie. Während diese bei Beyond Earth bisher funktional, aber blass war, ließ sich Firaxis ein paar Dinge einfallen, um hier mehr Schwung und vor allem Nachvollziehbarkeit einzubringen. Ein wichtiger Schritt dahin ist das Furcht/Respekt-Barometer. Furcht hängt von der militärischen Stärke ab, Respekt von kulturellen und wirtschaftlichen Errungenschaften, davon, mit wem ihr schon Krieg geführt habt und welche Vereinbarungen ihr schon mit dem Gegenüber in der Vergangenheit traft (und ob ihr sie eingehalten habt). Diese Werte sind natürlich gegenüber jeder Fraktion anders, verändern sich ständig und ihr solltet hier ganz dringend nicht nur auf ein Pferd setzen. Nur eine starke Armee zu haben kann reichen, um jede andere Fraktion euch fürchten zu lassen. Wenn euch aber niemand auf den anderen Leveln respektiert, sprich: leiden kann, dann ist es durchaus möglich, dass schnell eine Allianz gegen euch entsteht. Und deren gemeinsame Armeestärke ist dann deutlich mehr, als ihr zu bieten habt.

...nur leider wurde sie sehr mäßig umgesetzt. Entweder Land kaufen oder alle Produktion für mehrere Runden stoppen, nur weiterzuziehen? Nein, da bleibe ich erst mal lieber noch an Land.

In das große Wer-kann-wen-leiden spielen nun auch die neuen Eigenschaften der Anführer hinein. Es gibt eine Vielzahl davon, die euch militärische (deutlich in der Überzahl), wirtschaftliche oder diplomatische Vorteile bringen und diese eigentlich relativ simplen Boni mit gut verständlichen Charakterzügen verbinden. „Diszipliniert" lässt militärische Einheiten schneller leveln, „argwöhnisch" ist das Gegenstück für Spionageeinheiten, „gebildet" gibt einen kulturellen Bonus und so weiter. Ähnlich denkende Anführer reden auch lieber miteinander, wie es scheint, aber der Einfluss hier hält sich in Grenzen. Wichtiger ist die Vernetzung von verkauf- und sogar vermietbaren Eigenschaften. Jede Zivilisation hat solche und vor allem die „Vermietung" solcher in Form von Faktoren wie Freihandelszonen und Versorgungsnetzwerken sorgt dafür, dass sich ein zwischenzeitlich mal nicht so guter Freund es zweimal überlegt, ob er diese Boni verlieren möchte. Im Falle eines Krieges oder sogar nur eisiger Beziehungen würden diese Vereinbarungen enden. Der Ausdruck eures guten Manövrierens auf dem diplomatischen Parkett ist das diplomatische Kapital, das entweder dadurch generiert wird oder indem ihr die richtigen Gebäude baut. Als eine Mischung aus Energie- und Kulturressource bezahlt ihr damit unter anderem diesen diplomatischen Austausch der Eigenschaften.

Das, zusammen mit der überarbeiteten Einstufung und Auswirkung der Level diplomatischer Verbrüderung, schafft ein verzweigteres und besser lesbares System der Zivilisationen untereinander. Es kam nur noch selten vor, dass ich nicht mehr so genau wusste, was mit meinem virtuellen Gegenüber los und warum er nun stinkig bis hin zum offenen Krieg war. Es kommt vor, dass man die Auswirkungen und Wechselwirkungen der verschiedenen Eigenschaften aufeinander falsch einschätzt, und das trotz ihrer recht logischen Betitelungen. Nehmt es als Teil des Lernprozesses bei einem solchen Spiel. Insgesamt jedoch ist die Diplomatie in Rising Tide ein deutlicher Schritt in eine spannendere Richtung.

Eigenschaften sind ein Teil des Systems aus verbesserter Persönlichkeit der Anführer und damit des deutlich aufgewerteten Diplomatie-Systems.

Im Paket sind natürlich auch ein paar neue Fraktionen. Fangen wir mit der North Sea Alliance an, einem sehr wasseraffinen Völkchen, das gerne auf den neuen schwimmenden Städten lebt. Diese sind insoweit ganz spannend, als dass sie zum einen nett aussehen und sich über die Ozeane bewegen können. Leider haben sie auch ein paar echte spielerische Nachteile, es ergibt schließlich Sinn, dass sich kultureller Einfluss nicht einfach so über den Ozean ausbreitet. Ihr müsst andere Felder entweder per Bewegung der Stadt akquirieren oder kaufen. Beides ist eher nervig, vor allem, weil bei der Bewegung jede Art von Produktion ausgesetzt wird. So cool also der Gedanke ist und trotz schwimmender Festungen und allem, was es sonst auf See gibt - das Ganze spielt sich derzeit noch zu zäh. Drei weitere, deutlich weniger spannende Neuzugänge sind die (nord?)koreanisch angehauchten Chungsu (Spioange-Boni und auch wassertauglich), die extrem diplomatieaffinen Integr und die baufreudigen Al-Falah. Nett, mehr Optionen sind immer gut, aber keine der vier behebt das Grundproblem, dass man zu Römern, Russen und Schweden irgendwie leichter eine Bindung aufbaut als zu den sich immer noch etwas zu abstrakt und austauschbar anfühlenden Fraktionen Beyond Earths.

Beyond Earth: Rising Tide ist das, was man von einem Firaxis-Add-on am unteren Level erwarten kann, das bedeutet wohl so etwas wie Jammern auf hohem Niveau. Ihr habt etwas mehr Auswahl bei den Fraktionen und durch die neuen Mischaffinitäten. Die schwimmenden Städte sind ein netter, aber spielerisch noch nicht ausgereifter Touch, die neue Diplomatie ist ein so wichtiger wie nötiger Eingriff in das Spiel für seine Zukunftstauglichkeit, und durch die Artefakte und Marvel-Quests entsteht mehr Forscherdrang sowie ein besserer Start in die Runde. All das zusammen macht Beyond Earth als Gesamtpaket zu einem besseren Spiel, aber es ist eben noch nicht der schwerwiegende Umbau, der bei Civ 5 mit Brave New World oder bei XCOM mit Enemy Within erfolgte und diese Spiele über sich hinauswachsen ließ. Nehmen wir es als gelungenen Schritt auf dem Weg, den Beyond Earth mit Rising Tide sicher noch nicht zu Ende ging.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

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Martin Woger

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Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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