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Overlord: Fellowship of Evil - Test

Ganz böse... neben der Spur.

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Wenn Technik und Spieldesign sich streiten, wer ein Spiel besser ruinieren kann, dann entsteht so etwas wie Overlord: Fellowship of Evil.

Die Overlord-Serie schien nie eine Chance zu haben. Die ersten beiden Teile, obwohl sie ihre Fans hatten, meine Wenigkeit unter ihnen, gingen sang und klanglos als Randnotiz der letzten Konsolengeneration unter und es sah nicht so aus, als würden wir das eigenwillige Franchise je wiedersehen. Oh, wenn das doch nur so geblieben wäre...

Skepsis setzt ja schon beim Grundkonzept ein, das damals relativ clevere und etwas anders konzipierte Action-Adventure mit teilweise indirekter Steuerung in eine Art Diablo umzumodeln. Aber hey, alles vielleicht nur eine Frage der Perspektive, auch aus einer Iso-Sicht kann das Konzept des Minion-Herumkommandierens ja vielleicht gut funktionieren. Nun, vielleicht. Aber nicht in diesem Overlord: Fellowship of Evil. Es ist das dümmste Button-Masher-Hack-'n'-Slash, das mir seit Golden Axe unterkam. Nur, dass SEGAs Spiel Spaß machte. Und besser aussah.

Manchmal sieht es ja hübsch aus. Wenn es sich nicht bewegt. Und dann stottert. Oder ruckelt. Oder in Zeitlupe verfällt. Oder sonstwie grafisch glitched.

Neben allen spielerischen Verfehlungen, auf die ich gleich noch in Ruhe eingehe, gibt sich Fellowship gleich vom Start weg nicht die geringste Mühe, euch auf seine Seite zu bringen. Die Farbauswahl ist unangenehm und zwar egal, ob es um Gut oder Böse auf dem Screen geht. Es ruckelt alle paar Sekunden, dann wieder geht es für ein Weilchen in eine Zeitlupe, nur um dann komplett für eine halbe Sekunde einzufrieren und dann wieder mal stabile 27 Frames zu erreichen. In dieser Konsolengeneration habe ich so etwas noch nicht gesehen. Es gab Spiele auf der ersten Xbox, die weit besser aussahen und sogar besser aufgelöst waren. Ich bin nicht empfindlich, wenn es um Technik geht, aber das hier ist einfach unerfreulich. Wenn das doch nur der schlimmste Teil des Spiels wäre.

Statt wie im zumindest perspektivischen Vorbild Diablo eine clevere Auswahl an Waffen zu haben, damit die eigene Figur geschickt hochzuleveln und Taktiken zu finden, wie man die Horden des dort Bösen und hier Guten zurückhält, drückt ihr so schnell wie möglich einen Knopf. Ob es der für den leichten oder schweren Angriff ist, spielt die meiste Zeit keine so große Rolle, nur in den Momenten, in denen ein Gegner mit einem Schild herumwandert, reduziert ihr es auf letzteren. Und dann heißt es "viel Glück", weil die Spielbalance kompletter Zufall ist. Mal ist es selbst für einen Spieler allein degenerativ öde, keine fünf Minuten später versuchten wir im Duo, verzweifelt am Leben zu bleiben, nur um uns darauf wieder für ein Weilchen zu langweilen. Derzeit scheint lokaler Koop die einzige Möglichkeit zu sein, da sich online schlicht keine anderen Spieler fanden - nicht, dass mich das wundern würde. Lokal spielt das jeder auch nur einmal mit euch, er ist nicht dumm genug, das ein zweites Mal zu tun. Und für das Solo-Spiel ist die Balance, sofern man das Ganze mit einem solchen Wort adeln wollen würde, eh nicht ausgelegt.

Loot? LOOT?? Du hast kein Loot. Du hast nur die Wörter Loot und XP verwechselt.

Bei der eigenen Spielfigur habt ihr die Wahl aus Nah- oder Fernkampf, bei der Hintergrundgeschichte gibt es keine Optionen, die über hingeschludert und einfallslos hinausgingen. Nehmt ihr Nahkämpfer, werdet ihr leiden, weil sie aus irgendeinem Grund weit weniger Schaden machen als die Fernkämpfer. Nehmt ihr Fernkämpfer, werdet ihr leiden, weil sie sich (noch) grausam(er) spielen. Es gibt kein Loot, nur etwas, dass sich Loot nennt, weil ihm keiner gesagt hat, dass es eigentlich XP heißen müsste. Und viel Spaß, das zu sammeln. Nach jedem kleinen Kampf verteilt es sich über das ganze Areal, muss durch Herumrennen, gerne auch mal in Schaden verursachenden Gebieten, gesammelt werden, aber keine Sorge. Nach ein paar Sekunden hat es sich eh in Luft aufgelöst.

Dass die eigene Figur nicht so sehr im Fokus steht, ist dabei ja gar nicht mal so verkehrt im Rahmen der Serie und dass ihr die eigenen Minions aufpowern könnt passt auch dazu. Es gibt leider nur ein Problem: Die KI ist kompletter, absoluter, in dieser Form ungekannter Müll. Das ist die Art von KI, die ich zuletzt zu MS-DOS oder Win95-Zeiten so dermaßen versagen sah, aber nicht mehr in den letzten Jahren. Wie zuvor habt ihr rote, braune, grüne und blaue Minions, wobei die letzteren hier die Einzigen sind, die das tun, was sie sollen und das sogar relativ effektiv. Sie sind dafür zuständig, euch zu heilen, während der Feind auf euch einprügelt und das kriegen sie auch hin. Die anderen drei Sorten sollen theoretisch unterschiedliche Dinge tun, nämlich Bomben werfen (rot), Stealth-Attacken nutzen (grün) oder einfach draufhauen (braun). Praktisch tun sie das mal, wenn sie nicht gerade durch Gefahrenzonen rennen und gleich sterben, am Gegner vorbei im Kreis herumflitzen oder mal ganz verschwinden.

Es gibt eine gewisse Abwechslung in den Umgebungen der vier Kapitel. Das Spektrum reicht dabei von belanglos bis unerfreulich.

Aber keine Sorge. Selbst, wenn die Minions mal zum Gegner finden sind sie nutzlos, da sie selbst ausgebaut so wenig Schaden verursachen, dass ihr am Ende immer noch jeden Feind eigenhändig erlegt. Das absolute Highlight sind Bereiche, die die Minions in gute Kreaturen verwandeln und für euch wertlos machen (und auch sonst, da sie in diesem Zustand praktisch keinen Schaden verursachen). Dank der nicht vorhandenen Wegfindungs-KI laufen sie Dutzendweise direkt in diese Areale, wenn auch nur ein Zentimeter davon in der Nähe liegt. All das mildert auch meine Klage, dass es keine sinnvolle Kommando-Funktion gibt, die die Minions lenken könnte. Es ist ja nicht so, dass sie selbst am richtigen Ort viel ausrichten würden.

Selbst der Spaß, eine kleine Armee von den Biestern um sich herum wuseln zu sehen, wird massiv durch die Framerate-Einbrüche gemindert und dadurch, dass die KI mit zunehmender Zahl - ihr beginnt mit maximal zwei von jeder Farbe, irgendwann war ich bei fünf - immer weniger klarkommt. Das System, welche Minions ihr habt, basiert mit Ausnahme gelegentlicher Einsammelstationen auf Zufall und wenn ihr für eine Weile einfach mal keine Blauen bekommt, ist das halt Pech. Versucht es einfach noch einmal, vielleicht gönnt euch das Spiel in der nächsten Runde die Möglichkeit zu Heilen gegen die eine Million Treffer aufsaugenden Boss-Schwämme. Die Fairness liefert das Spiel in Form der Gegner-KI, die ebenfalls kaputt wie ein zweifach gefaltetes Rückgrat scheint. Es gab keinen Boss-Kampf - nicht einen einzigen! -, bei dem die KI keinen Aussetzer hatte. Entweder der Boss bleib einfach stehen und machte gar nichts. Er blieb hängen, lief auf der Stelle und machte sonst nichts, Er griff an, traf aber nichts (was egal war, da seine Horden an Helfern das umso besser hinbekamen). Ich schlug zu, konnte ihn aber nicht treffen und musste neu laden. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Homebrew ist sauberer programmiert als das.

Um euch auch wirklich jeden Spaß zu rauben, gibt es noch ein paar dusselig-einfache Drück-die-Plattform-„Rätsel" und den gelegentlichen, primitiven Hindernis-Parcours. Ihr einziger Existenzgrund scheint zu sein, dass euch das Entwickler-Team keine Option vorenthalten wollte, noch weniger Spaß mit diesem Spiel zu haben.

Es ist zu traurig. Kauft Overlord 1 und 2, spielt es und genießt Games, die ungewöhnlich, interessant und sehr spaßig waren. Oder, wenn das Geld unbedingt weg muss, gebt es einem Wildfremden auf der Straße, aber lasst ihn vorher schwören, dass er nicht Overlord: Fellowship of Evil davon kaufen wird.

Overlord: Fellowship of Evil macht es mir insoweit einfach, als dass ich es nicht mal gegen die so gelungenen Vorgänger abwiegen und für zu leicht befinden muss. Dieses Spiel hier ist schlicht und ergreifend absoluter Müll und das an jedem normalen Maßstab gemessen. Es ist technisch auf jeglicher Ebene unterirdisch, sei es grafisch oder in den zugrundeliegenden Mechaniken, angefangen mit simplen Dingen wie der Kollisionsabfrage bis hin zu der nicht vorahnenden KI. Das Spieldesign macht nichts aus seinen eigenständigen Elementen - Minions - und schafft es, die handelsüblichen - Buttonmasher-Kämpfe - wie das Werk eines blutigen Anfängers dastehen zu lassen. Ich kann einfach nicht glauben, dass dies ein ernst gemeinter Versuch Codemasters gewesen sein soll, die Serie wiederzubeleben und in eine neue Richtung zu führen. Falls doch... dann mache ich mir wirklich Sorgen um das eigentlich von mir geschätzte britische Traditionshaus.

Auf Steam gibt es Overlord 1 und 2 zusammen für unter 5 Euro. Kauft sie, spielt sie. Es sind auch heute noch sehr unterhaltsame, freche, etwas andere Spiele, die euch viel Freude bereiten werden. Das einzig Gute an Overlord: Fellowship of Evil ist, am Ende dürfte es so unbedeutend sein, dass wenigstens der gute, böse Name des Franchises dieses Debakel generell überleben könnte.

In unserer Test-Philosophie findest du mehr darüber, wie wir testen.

In diesem artikel

Overlord: Fellowship of Evil

PS4, Xbox One, PC

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.

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