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Ich will mehr Filmumsetzungen!

Von Conan bis Private Ryan. Nur halt nicht zum Blockbuster der Stunde.

Noch immer haftet Spielen, die auf Filmen beruhen, ein schaler Beigeschmack an. Von herbeigesehnten Blockbustern wie Battlefront abgesehen, gelten sie als schnell hingeschludert und mittelmäßig - sie existieren überhaupt nur, um sich in der kurzen Zeit, in der der dazugehörige Film im Kino läuft, so häufig wie möglich allein aufgrund ihres Namens zu verkaufen. Das Phänomen ist nicht neu: Schon Ataris zum Teil nachweislich in der Wüste vergrabenes E.T. kämpfte mit diesen Problemen. In den späten 80er und frühen 90er Jahren hatten sich Publisher wie LJN darauf spezialisiert, Lizenzen zu True Lies, Alien 3 und Terminator 2 einzukaufen und sie innerhalb kürzester Zeit zu etwas zu verwursten, das auf Konsolen wie dem NES kaum spielbar war. Es ist Zeit, den Szenarien aus diesen Filmen wieder eine Chance zu geben. Denn wenn heute eine wirklich gute Filmumsetzung erscheint, geschieht das vor allem dann, wenn der Film schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat.

Gerade jetzt ist der perfekte Zeitpunkt dafür, Filmklassiker als Spiel wiederzubeleben. Die Medien Spiel und Film verschmelzen immer mehr. Spiele entwickeln sich weg von ihren Anfängen als Spielzeuge hin zu einem ernst zu nehmenden Unterhaltungsmedium. Ihre Präsentation wird cineastischer, virtuelle Kamerafahrten sind längst ein etabliertes Stilmittel im Spiel. Zwischensequenzen sind wie kleine Filme im Spiel, sie nehmen dem Spieler Handlungsmöglichkeiten und erzählen ausschließlich eine Geschichte fort. Gleichzeitig werden Filme immer mehr von digitalen Technologien geprägt und gerade Actionfilme erscheinen bisweilen wie Spiele: Ich denke an das trashige Mech-Spektakel Pacific Rim, in dem die Steuerung riesiger Kampfroboter im Mittelpunkt stand, aber auch an die Droidenfabrik-Szene in Star Wars: Episode 2, die schon fast anmutet wie ein 2D-Plattformer. Es ist Zeit, auch alten Filmen ein Videospiel zu geben, das ihnen gerecht wird.

Arnold Schwarzenegger in all seiner Pracht: Conan der Barbar würde auch als Videospiel funktionieren.

Wie das gelingen kann, zeigt Alien: Isolation. Nach dem Desaster um Aliens: Colonial Marines versuchte sich mit Creative Assembly ein neuer Entwickler an der Materie und lieferte ein Spiel im Geist des ersten Alien-Films ab, das dessen bedrückender Atmosphäre durchaus gerecht wurde. Die Entwickler nutzten geschickt das Alien-Universum und erzählten dessen Geschichte weiter - natürlich mit einigen künstlerischen Freiheiten, aber auch ohne der Quelle zu widersprechen. Um in der Spielegeschichte ein bisschen weiter zurückzugehen, aber gleichzeitig bei Ridley Scott zu bleiben: Im Jahr 1997 brachte Command & Conquer-Entwickler Westwood Studios Blade Runner heraus, das Spiel zum gleichnamigen Film. Wie Alien: Isolation bot das Spiel eine eigenständige Handlung, bediente sich bei der Welt und den Figuren aber beim Vorbild aus dem Kino. Es bot zahlreiche verschiedene Enden und war für die damaligen Verhältnisse ein sehr erzählerisches, filmisches Adventure, das dennoch bei jedem Spielstart für leicht veränderte Spielbedingungen sorgte.

Viele Jahre nach seinem Erscheinen fängt Alien: Isolation die Atmosphäre des ersten Alien-Films perfekt ein.

Es ist nicht so, dass es in den 80er und 90er Jahren unmöglich gewesen wäre, Filme gelungen als Spiele umzusetzen. Das Lucas-Arts-Adventure zu Indiana Jones und der letzte Kreuzzug zeigte, dass es selbst in minimalistischer EGA-Grafik möglich ist, eine Filmgeschichte zu erzählen. Allein: Früher war eben nicht alles besser. Spiele wie Beyond: Two Souls - mag man von der Geschichte halten, was man will - zeigen die Handlungen tatsächlicher Schauspieler, wenn auch nicht gefilmt, dann doch per Motion Capturing aufgenommen. Reale Schauspieler sind nicht nur Vorbilder für Videospielfiguren, sondern werden auch tatsächlich von ihnen gespielt - etwas, das zu EGA-Zeiten nicht denkbar gewesen wäre. Bleibt die Frage, welche Filme sich für eine moderne Umsetzung eignen würden?

Vor allem solche Filme, die zu ihrer Entstehungszeit schon überzeichnete Epen waren, eignen sich heute für eine Videospiel-Auferstehung. Ich denke an Arnold Schwarzenegger, namentlich an Conan der Barbar. Ein Film, der im Jahr 1982 schon war wie ein Fantasy-Videospiel: Mit überzogenen, halbnackten Figuren, einer hirnrissigen Handlung und einem überflüssig-muskulösen Helden in der Hauptrolle. Conan der Barbar ist wie eine Blaupause für ein Fantasy-Open-World-Rollenspiel, das sich selbst nicht ernst nimmt. Mit einem Endboss namens Thulsa Doom und den Schergen des Schlangenkults als Standard-Gegnern, mit Kultstätten, unzähligen verschiedenen Schwertern, Muskel-Upgrades und im Idealfall einer Synchronisation durch Arnold Schwarzenegger selbst.

Längst verschmelzen Film und Spiel. Hier: Ellen Page, die die Protagonistin in Beyond: Two Souls mimt, in ihrer Rolle im Thriller Hard Candy.

Bei der riesigen Schwemme an Zombie-Filmen hat es leider auch nie eine Verspielung des frühen und ersten George-A.-Romero-Zombiefilms Night of the Living Dead gegeben, einem Meilenstein des Horrorgenres. Als Spieler würde ich mich nicht mit der Schrotflinte gegen die Zombies stellen wollen, ich würde das verschanzte Haus managen wollen, Türen und Fenster sichern, mich gegen die Untoten nur notdürftig zur Wehr setzen, die zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen im Haus zügeln und schließlich nicht zum Opfer der Untoten, sondern von menschlicher Gewalt werden. Vielleicht sogar in Schwarz-Weiß-Grafik.

Aber auch Filme, die eine größere Botschaft haben, sind es wert, zum Spiel gemacht zu werden. Vor allem die großen amerikanischen Vietnam-Kriegsfilme: Platoon, Apocalypse Now, Full Metal Jacket. Es fehlt an echten Antikriegsspielen. Im Spiel ist die Hauptfigur stets eine Art von Held, die es im Krieg eigentlich nicht gibt. Ein Antikriegsspiel müsste einen Protagonisten zeigen, der mit zerfetzten Beinen auf dem Brustkorb durch die Gegend kriecht und unweigerlich stirbt, jemanden, der von Scharfschützen beschossen wird, getroffen daliegt und nach und nach seine Kameraden durch Hilfeschreie ebenfalls ins Verderben reißt. Das ist der Schritt, den das Medium Spiel als nächsten gehen muss - raus aus dem Spektrum der Unterhaltungsmedien, hin zur kritischen Auseinandersetzung mit Kunst, Kultur und Politik. Nicht alle Spiele müssen das machen - aber einige sollten. Sie würden damit einen Aspekt des Filmemachens adaptieren, die das Medium groß gemacht haben.

Dieser Film wäre als Spiel ein erstklassiger Survival-Horror-Titel: der Zombie-Film-Urvater Night of the Living Dead.

Trotzdem würde kein Publisher je darauf verzichten, eine lukrative Lizenz nicht zum Spiel zu machen. Es wird deshalb weiterhin schlechte Filmumsetzungen geben. Schön wäre es nur, wenn nach ein paar Jahren, wenn sich der Staub gelegt hat, Entwickler bereit wären, in aller Ruhe zu diesen Lizenzen zurückzukehren. Filme behutsam anzusehen, sie neu zu betrachten und sich zu überlegen, was sich am besten daraus machen ließe. Es muss nicht immer ein Action-Adventure sein. Filme können Point-and-Click-Adventures, Rennspiele, Flugsimulatoren oder Puzzlespiele werden. Bei der Übertragung des erzählerischen Materials von einem Medium ins andere braucht es stets eine Transferleistung - der Entwickler interpretiert künstlerisch. Kein Film wird bei dieser Übertragung so bleiben, wie die Quelle war. Aber mit genug Zeit und Ideen wird er möglicherweise als Spiel auf neue Art erlebbar. Das erweitert sein Universum und letztlich öffnet sich der Film für eine ganz neue Zielgruppe. Ich halte das für erstrebenswert.

Über den Autor
Markus Grundmann Avatar

Markus Grundmann

Freier Autor

Seine ersten Videospiele konsumierte Markus auf dem Game Boy. Heute spielt er so ziemlich alles, bei dem er auf Knöpfe drücken kann – mit besonderer Vorliebe für Nintendo und extravagante Indie-Titel.
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