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Star Wars - The Force Awakens

Vergesst die Prequels.

Regie: JJ Abrams
Buch: Lawrence Kasdan, JJ Abrams
Darsteller: Daisy Ridley, Harrison Ford, John Boyega, Oscar Isaac, Carrie Fisher, Adam Driver

"Es ist wie Poesie, es reimt sich" - George Lucas

Die Anspannung im Kino war auch zu Beginn der Pressevorführung noch gut zu spüren. Die Prequels, diese mäandernden Studien in plastikhafter Bedeutungslosigkeit, hatten viel, viel Schaden angerichtet. All das noch mal? Oder eine "neue Hoffnung" für ein Filmuniversum, das wie kein anderes Verehrung erfährt? Nun, ich sag's gleich vorweg: Mit dem Einsetzen der berühmten John-Williams-Fanfaren habe ich mich 135 Minuten lang wirklich gut unterhalten gefühlt. Gerade in der ersten Hälfte herrscht hier über die volle Breite viel, viel von dem Zauber, den man ursprünglich mal mit Lucasfilm-Produktionen verband. Die Figuren sind einfach, aber gut und charmant geschrieben, die Kameradschaft zwischen ihnen ist spürbar und der Look untrüglich Star Wars. Was Abrams hier für Einstellungen einfängt, ist wirklich allerhand, jede zweite Szene absolut postertauglich.

Und doch ging ich nicht komplett glücklich aus dem Kino, denn am Ende hatte ich das Gefühl, hier wenig mehr als einen Startschuss für das erlebt zu haben, was da noch kommen mag. Das liegt in erster Linie daran, wie sehr der Film auf Nummer sicher geht. Das ist nach den desaströsen letzten drei Filmen mehr als nur verständlich. Aber wie sehr Abrams hier den Fans vorauseilend nach dem Mund redet ist ein bisschen alarmierend. Im Zuge dessen fährt dieser Film nicht nur die großen leichtherzigen Spektakelstärken der Reihe gekonnt auf, sondern auch all die Dinge, die man mit den Jahren an den Originalen etwas kritischer sah. Die Handlung ist einmal mehr das Resultat einer Aneinanderreihung von Zufällen und wirkt damit willkürlich und konstruiert zugleich. Und George Lucas' berühmtes Zitat über Poesie - siehe Überschrift - wird hier einmal mehr viel zu wörtlich umgesetzt. Dabei vergisst Abrams, dass es einfach kein guter Reim ist, wenn man Verse auf dasselbe Wort enden lässt.

Der Fanservice-Faktor wird die Leute insoweit ein wenig spalten, als dass man sich langsam fragen darf, ob im Star-Wars-Universum immer wieder die in Grundzügen gleiche Geschichte erzählt werden muss. Das Extended Universe, das nun nicht mehr Kanon ist, hatte doch eigentlich das Gegenteil bewiesen. Campbells Heldenreise in allen Ehren und sie wird - ohne zu spoilern oder speziellen Charakterbezug - gut nachgezeichnet. Aber müssen denn wirklich alle Beats der beiden besten Filme der Reihe auf den Punkt nachgeplappert werden? Rein technisch gesehen mag das hier nach The Empire Strikes Back der ausgewogenste, mitreißendste Film der Reihe sein. Im Recycling der Themen verliert diese Leistung aber die Frische, die den drei Originalen noch innewohnte und sie zu den Klassikern machte, die sie heute sind.

Und doch macht The Force Awakens ansonsten mehr richtig als falsch und wenn man überlegt, wie ungemein wichtig das war, muss man wohl attestieren, dass Abrams' Auf-Nummer-sicher-Tour der richtige Ansatz für den Job war. Überlassen wir es eben Rian Johnson und Episode VIII, auf dem handwerklich ordentlich gelegten Fundament seine ganze Kreativität zu entfesseln. Das Wichtigste ist in jedem Fall: wo Lucas' eigene Prequel-Filme nicht nur Hirn, sondern auch Herz vermissen ließen, steckt hier ganz viel Liebe für das Universum drin, schnippischer, schneller Humor und eine gute Portion Drama, wenn man begreift, weshalb Adam Driver aus Girls die beste Besetzung für das neue in Schwarz gehüllte Böse war. Hier gilt ebenfalls: Ohne Spoiler, warum er ist, wie er ist, geht es nicht genauer.

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Auch der Rest des Casts macht einen dermaßen guten Job und kommt so gut miteinander aus, dass man traurig ist, wann immer sich ihre Wege auf dem Bildschirm trennen. Daisy Ridley als Wildfang-Version von Keira Knightley trägt ihr Herz in der Hand, John Boyega streift den Chav aus "Attack the Block" so restlos ab, dass es regelrecht imponiert. Und Oscar Isaac, bekannt aus allen Filmen der letzten zwei Jahre, spielt charmant und pfiffig auf, als hätte Harrison Ford doch abgesagt. Hat er nicht - und er sieht das erste Mal seit Jahren so aus, als hätte er Lust gehabt, zu arbeiten. Selbst die nichtmenschlichen Charaktere überzeugen zum Großteil, wenn Jim-Henson-artige Gummikostüme mal wieder außerirdische Bars bevölkern, anstatt übertriebene CG-Effekte. Und BB8, der kleine Roboter, er wird die Weihnachtswunschzettel wohl zu Recht dominieren. Wenn ich in der Charakterriege einen Schwachpunkt ausmachen müsste, dann ist es Domhnall Gleeson (About Time, und einer der älteren Weasleys aus Harry Potter), den ich eigentlich sehr schätze. Er bringt nicht die Autorität eines Generals mit und wo er schmierig und gemein sein müsste, um das zu kompensieren, kommt einfach zu wenig.

Wer sich nicht selbst eine Internetsperre auferlegt hat, wird heute nicht nur hier lesen, wie schade es ist, dass sich gewisse Dinge in diesem Universum immer wiederholen. Und es stimmt. Die Welt von Star Wars fühlt sich regelmäßig deutlich kleiner an, als sie sein sollte, wenn namhafte Charaktere beinahe slapstickhaft im hintersten Winkel des Universums übereinander stolpern. Und die Bedrohungen dieser Filme entzahnen sich immer wieder ohne Not selbst, wenn Gräueltaten eine ansatzlos in den Film gefügte Fußnote bleiben und die Bösewichte wieder und wieder dieselben Fehler machen. Das meiste davon gehört zu Star Wars dazu, keine Frage. Und während man diese umwerfend gut inszenierte und herzig gespielte Wiederbelebung im Kino erlebt, fühlt man sich auch selbst ein wenig verjüngt.

Nur hinterher - in der Bahn, im Auto, auf dem Rad, unter der Dusche, im Bett -, wenn man selbst wieder etwas Erdung erfährt, fragt man sich doch ein bisschen, worauf man hier so lange gewartet hat? Nun gut. Noch mal warten. Nur zwei Jahre bis zum nächsten Film, und der hat dank JJ Abrams gutem Handwerk alle Chancen, aus dem Schatten der Originale herauszutreten. Immerhin: Eines kann selbst der verbittertste Alt-Nerd mit aus dem Kino nehmen: Die gute Gewissheit, dass die Kinder von heute mit einem besseren Star-Wars-Film aufwachsen, als die unglückliche Generation, deren Erstkontakt mit diesem Universum 1999 mit Episode 1 stattfand.

Star Wars: Das Erwachen der Macht läuft ab Donnerstag im Kino.


Was ist Freitagskino?

Jeder Mensch braucht mal Abwechslung. Wir alle mögen Kino, also schreiben wir (fast) immer freitags über Filme oder Serien. Keine Sorge, wir versuchen nicht, etablierten Filmkritikern große Konkurrenz zu machen, sondern einfach nur zu berichten, wie ein Film auf uns wirkte und ob wir dazu raten würden, ihm eine Chance zu geben. Welche Filme oder Serien das sind, hängt davon ab, was derjenige Autor in den letzten Wochen sah. Wir unterwerfen uns jedenfalls nicht vollends dem Diktat der Aktualität.

Es können aktuelle Blockbuster, ausgemachtes Genre-Kino, aber auch Arthouse-Geheimtipps sein, die noch im Filmspielhaus um die Ecke laufen. Die neueste Netflix-Serie kommt ebenso unter die subjektive Lupe wie ein alter HBO-Liebling, der sich nach Jahren unserem unter Umständen veränderten Geschmack stellen muss. Ebenso werden immer wieder nach Ewigkeiten wiederentdeckte Schätze zur Sprache kommen, überbewertete Klassiker oder unterschätzte Perlen. Wie gesagt, wir wollen euch damit nur ein wenig Diskussionsstoff über das zweitbeste Geek-Hobby liefern - und ein paar Inspirationen, was sich vielleicht lohnen könnte. Wir hoffen, euch macht die Rubrik genau so viel Spaß wie uns, auch wenn diese Sorte Unterhaltung zur Abwechslung mal nur bedingt interaktiv ist.

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.

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