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Oculus Rift ist teuer - aber ändert das was?

Hype und sein Preis.

599 Dollar in den USA, wegen Steuern 699 Euro hierzulande. Und wenn die Facebook gehörende Firma keinen vernünftigen Vertrieb in Deutschland findet, kommen neben den veranschlagten 42 Euro Versand auch noch beachtliche Zollgebühren dazu. Nachdem Palmer Luckey für Oculus Rift in der Vergangenheit einen Rahmen von etwas über 350 Dollar angegeben hatte, sind viele Interessierte von der Preisgestaltung der finalen Virtual-Reality-Brille überrascht, teilweise sogar empört. In Wahrheit war aber nur die gefühlte Allgegenwärtigkeit dieser neuen Darstellungstechnologie größer, als es produktionstechnische Realitäten zuließen.

In unseren Köpfen waren wir alle schon zwei Schritte weiter. In unserer Vorstellung hatten wir bereits ein Rift auf der Nase und den dazu passenden PC unter dem Schreibtisch. Wir spielten im Geiste schon stundenlang Elite: Dangerous mit dem Ding, freuten uns darauf, Netflix- und iTunes-Angebote in virtuellen Kinosälen zu bestaunen und "live" Sportveranstaltungen und Konzerten beizuwohnen. Gefühlt war VR war schon längst hier. Und dann schlug vergangenen Donnerstag die Realität knallhart zu. Mit einem Mal schüttelte es uns aus unseren Träumen und gemahnte daran, dass ein neues Stück High-Tech-Consumer-Elektronik in der Regel nicht ganz günstig ist - und VR noch lange nicht das Massenmarktphänomen, als das es die Botschafter der Technologie schon jetzt sehen.

Rückt gut 300 Euro weiter in die Ferne: Oculus Rift.

Nüchtern betrachtet ist der Preis nämlich alles andere als ein Schock. Kauft man sich einen Fernseher, bewegt man sich zu diesem Preis gerade mal im guten Mittelklassesegment. Der in den letzten Tagen oft bemühte Vergleich mit den im Schnitt spätestens alle drei Jahre ausgewechselten Smartphones hinkt zwar. Um sein Telefon herum gestaltet man mittlerweile seinen gesamten Tag. Aber in Sachen der verbauten Technologie ist dieser erste Anlauf auf Virtual Reality in der Herstellung, wenn schon nicht das kostspieligere, dann das auf jeden Fall mindestens gleichteure Produkt.

Und wenn man sich noch gewahr wird, dass nur die wenigsten PC-User überhaupt die Minimum-Spezifikationen eines stattlichen i5 samt Geforce 970 erfüllen, wird klar: Oculus Rift konnte in der ersten Generation niemals ein Phänomen von Wii-Ausmaßen werden. Nur ist das leider das Bild, das man vor Augen hat, wenn einem alle Welt verspricht "VR wird groß!", obwohl sich derartige, nicht allein funktionierende Technologie gezwungenermaßen in erster Linie an beinharte Enthusiasten richten muss, die diese auch gerne für die kommenden Generationen an Abnehmern subventionieren. Auch bei mir gingen im ersten Augenblick die Mundwinkel steil nach unten, als ich die Ankündigung las. Und dann ärgerte ich mich, dass ich mich überhaupt wunderte. Diese Technologie mag machbar, ja, eigentlich sogar erschwinglich sein. Aber billig? Das war nicht zu erwarten.

Die Touch-Controller erscheinen später im Jahr. Über den Preis will Oculus im Vorfeld wieder nicht sprechen.

Was bedeutet das also für VR im Allgemeinen? Zumindest dass der HTC-Repräsentant, den ich auf der gamescom zu einer Preisprognose für die Steam-VR-Lösung Vive befragte, recht behalten dürfte. Er sagte "weniger als 1000 Euro", und das zu einer Zeit, als alle noch von schlimmstenfalls 500 ausgingen. Die Preisspanne dürfte nach unten vom Oculus abgesteckt sein. Seid also nicht überrascht, wenn Vive mit seinen externen Sensoren noch einmal teurer ist als Palmer Luckeys Lösung. Dass VR spurlos an der Multimediawelt vorübergeht, ist dennoch zu bezweifeln. Schützenhilfe bei der Verbreitung der Idee dürfte ausgerechnet ein Konkurrent leisten: Sony. Eigentlich nicht für günstige Verbraucherelektronik bekannt, ist PlayStation VR durch den Preis der Konsole gewissermaßen limitiert, denn eine PlayStation-VR-Brille wäre nur schwer zu kommunizieren, wenn sie teurer wäre als die Konsole selbst. Es ist also tatsächlich möglich, dass noch in diesem Jahr eine Brille zu dem Kostenpunkt erscheint, den Luckey sich einst selbst für sein Gerät erhoffte.

Zwar sind sich Experten einig, dass es sich aus technischen Gesichtspunkten um die schwächste Version von Virtual Reality handelt - wo drüben am PC High-End-Hardware vonnöten ist, soll hier eine ungleich schwächere Konsole reichen. Aber nicht nur trägt dem der Preis Rechnung. Die ehemals "Morpheus" getaufte Brille würde auch einen anderen, überaus wichtigen Job übernehmen: der breiten Masse überhaupt zu zeigen, was VR wirklich ist. Die PlayStation 4 ist dermaßen allgegenwärtig, dass ihr die Aufgabe zuteil wird, die Botschaft über Geek-Kreise hinaus in die Welt zu tragen. Und wenn Otto und Anna Normalverbraucher erst einmal den Größeneindruck erlebt haben, den echte, am Kopf getragene Stereoskopie ermöglicht, dann haben wir am Ende vielleicht doch einen veritablen Boom vor uns, der auf mittelfristige Sicht zwangsläufig die Preise drückt.

PlayStation VR. Erst Oculus' Nutznießer, jetzt Komplize im Verbreiten der VR-Idee.

Also: VR ist nicht "weg vom Fenster" oder "hoffnungslos überteuerte Spielerei" - nicht mehr, als es das vor der Ankündigung schon war. Nur ist heute sicherer denn je, dass einmal mehr nicht der Pionier einer neuen Technologie derjenige sein wird, der die meisten Geräte dieser Art verkauft. Kaum auszudenken, was passierte, wenn Sony PlayStation VR PC-kompatibel machen würde.

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Oculus Rift

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Über den Autor
Alexander Bohn-Elias Avatar

Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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