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Tom Clancy's The Division: mehr Rollenspiel, als man denkt

Ein Straßen-Destiny vor verwüsteter Metropol-Kulisse.

Ich muss zugeben, als ich letzte Woche in Malmö gut drei Stunden The Division spielte, stand mir zunächst eine Eingewöhnungsphase bevor. In Ubisoft Massives Online-Third-Person-Shooter steckt doch weit mehr Rollenspiel, als ich zunächst dachte. Klar, das war von vornherein kommuniziert und von Destiny hatte man ja schon eine Ahnung, wie ein Rollenspiel-Shooter-Hybrid funktioniert. Aber das hat eben den Vorteil, dass es in einer weiten Science-Fiction-Zukunft gegen Mondmagier geht.

In The Division schießt man dagegen auf drei verschiedene Sorten Gangs, die sich eines New Yorks bemächtigt haben, das wegen einer aktuell zur Pandemie anwachsenden Seuche ohne jede Art von Recht und Ordnung ist. Es sind Menschen, mit denen man es zu tun hat. Und da wird es immer etwas kritisch, wenn zwischen fünf und zehn Kopfschüsse vonnöten sind, weil das Rollenspielregelwerk, das im Hintergrund werkelt, Spieler- und Gegnerlevel sowie Angriffs- und Verteidigungswerte gegeneinander aufrechnet. Destiny hat mit seinen Energieschilden, die man erst durchbrechen muss, eine bessere Entschuldigung dafür, die Waffen wie bessere Nerf-Guns aussehen zu lassen als The Division.

Auf den Straßen stolpert ihr über feindliche Patrouillen oder Minimissionen, bei denen ihr spontan anderen Gesetzeshütern zur Hand gehen könnt.

Hier ficht man in erster Linie Schlachten aus, in denen die Augen mehr auf zusammenschmelzende Panzerungs- und Lebensenergiebalken gerichtet sind als auf den eigentlichen Gegner. Dessen Reaktion auf Treffer, verschiedene Waffenarten oder Umwelteffekte aus animationstechnischer Sicht sind weniger interessant. So kann es vorkommen, dass man sich in einigen Bereichen dieses vollkommen frei begehbaren und erstaunlich originalgetreu nachgebildeten Manhattan doch ziemlich schwach und wirkungslos vorkommt. Es ist wohl eine Art Uncanny-Valley-Effekt: Je näher die Darstellung und Bildsprache an der Realität sind, desto seltsamer ist es, wenn die Akteure einem komplexen Regelwerk aus Zahlen, Würfeln und Nummern gehorchen, statt den Gesetzen der Wirklichkeit. Ebenfalls etwas "rollenspielig" ist der Bewegungsumfang der Spielfiguren. Ducken oder Schleichen ist außerhalb von Deckung nicht vorgesehen und gesprungen wird nur, wenn es über ein Hindernis oder auf ein zerstörtes Fahrzeug gehen soll.

Mit der Zeit gewöhnte ich mich besser daran, aber insgesamt hatte ich nicht den Eindruck, gerade das Waffengefühl würde vergleichbar wuchtig und mächtig vermittelt wie bei Bungies Weltraumgeballer. Dennoch war es durchaus befriedigend, mit der Schrotflinte von Deckung zu Deckung in die Flanke eines Gegnerrudels zu huschen. Von dort aus platziert man härtere Treffer, während die Kollegen ein Stück die Straße hinunter mit Sperrfeuer die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auch hier schlägt immer mal wieder das Uncanny Valley durch, wenn die Gegner in erster Linie an meinen Kollegen interessiert sind - eben weil deren versteckter Aggro-Wert wohl höher war als meiner - und sich bis zu einem gewissen Punkt nicht so sehr um mich scherten. Aber als Spieltaktik hatte es sich im Laufe der Zeit durchaus bewiesen und ich und mein Trupp hielten daran fest.

Unter den drei Banden sind auch die Rikers, ehemalige Insassen von Riker's Island, die nun in der Stadt ihr Unwesen treiben.

Mein letzter Kontakt mit Destiny liegt zwar noch entschieden vor The Taken King, aber gemessen an dem, was vorher war, macht The Division zumindest in Sachen Loot so einiges besser oder zumindest auf diesen ersten Blick attraktiver: Im Nachgang eines Scharmützels freut man sich regelrecht, die stets drei bis vier neuen Loot-Gegenstände von Waffen über Aufsätze oder neue Kleidung aufzusammeln. Es ist schön, nach dem hübsch inszenierten Inferno ein wenig Zeit im Inventar zu verbringen, um zu schauen, was man da bekam.

Spätestens als wir nach einer Pause von einigen Massive-Angestellten Zugang auf weite Teile des Skill-Trees bekamen, entstand etwas mehr ergänzendes Zusammenspiel, auch wenn die Fülle vollkommen frei zusammenstellbarer Möglichkeiten fast schon erschlagend war. Fertigkeiten aus den Bereichen Medizin, Sicherheit und Technik stecken den groben Rahmen ab, ob man eher rettend, kämpfend oder unterstützend dabei ist. Diese lassen sich mit vielen, vielen freischaltbaren Modifikationen auch noch abwandeln. Zum Beispiel wenn man dem Riot-Shield gewisse Zusatzeigenschaften verleiht, die den Träger stärken oder Feinde beeinträchtigen. Dazu gesellen sich Talente, die ebenfalls der Medizin-Technik-Sicherheit-Dreifaltigkeit unterliegen und euren Tätigkeitsbereich etwas feiner abstufen.

Die Prämisse des Spiels basiert auf einer Regierungssimulation, die einen Biowaffenangriff auf die USA durchspielt. Wer mehr wissen will, sucht auf Wikipedia nach 'Operation Dark Winter' aus dem Jahr 2001. Unheimlicher Lesestoff.

Perks sind der dritte Beeinflusser und ihre Freischaltung ist wie alle anderen auch an den Story-Fortschritt gebunden. Hier könnte man von passiven Eigenschaften sprechen, obwohl man sich auch von ihnen eine Handvoll herauspicken muss, die aktiv sein sollen. Alles in allem ein sehr feinzahnig verwobenes und flexibles Netzwerk aus Eigenschaften und Befähigungen. Dass man Talente, Fertigkeiten und Perks jederzeit austauschen darf, verhindert zudem nachhaltig, dass man sich in eine Sackgasse levelt oder auf bestimmte Spielsituationen oder Teamkonstellationen nicht eingestellt ist.

Sehr gut gefallen hat mir die nahtlose Struktur des Spiels. Ausgehend von einem Safe-House gegenüber vom Madison Square Garden plant ihr euren Feldzug, die Stadt wieder sicher zu machen. Es ist fast, als erlebtet ihr von hier aus eine normale Einzelspielerkampagne in einem Open-World-Szenario. Es ist die Sorte Aus-einem-Guss-Gefühl, die Destiny gerade zu Anfang abging, und befriedigt auch das Bedürfnis einer durchinszenierten Geschichte weit besser. Nicht zuletzt auch, weil alles ohne Ladezeiten passiert. Wie schon die Skill-Trees gliedert sich die Geschichte nach Aufträgen für eine Epidemiologin, den Sicherheitschef der verbliebenen organisierten Kräfte und einen Ex-Militär mit reichlich Technik-Know-how. Mit jedem erledigten Auftrag schreitet nicht nur die Handlung voran, auch euer Hauptquartier wird ein Stück besser befestigt und umfassender ausgerüstet. Es soll das Spiegelbild eures Feldzugs durch Manhattan sein.

Wenn es auf Tuchfühlung mit dem Feind ging, habe ich mir aktuell noch mehr Mannstoppwirkung für die Waffen gewünscht. So gelangten Gegner auch mal hinter mich und sorgten so für Chaos. Gut möglich allerdings, dass drei Stunden mit diesem Spiel einfach noch nicht genug waren - und ich einfach nur überfordert.

PVP-Inhalte findet man dann in der Dark Zone. Hier erlag jeglicher Ansatz friedvoller Aufeinandertreffen leider noch einem Bug, der dafür sorgte, dass man auch in rot als "abtrünnig" markiert wurde, wenn man sich nur gegen einen anderen Abtrünnigen wehrte. Von dem angepeilten, nahezu DayZ-artigen - MOMENT MAL... Dark Zone... DArk Zone. DayZ...!? - Abtasten und vorsichtigen Zweckallianzen, gefolgt von herzzerreißendem Betrug, war folglich wenig zu spüren. Aber es schien kein Problem zu sein, das allzu schwierig zu beheben ist, und das Konzept kam auch so schon ganz gut rüber: Sucht in der Dark Zone nach besonders tollem Loot und versucht, den Heli zu rufen, der es für euch in Sicherheit transportiert. Das macht natürlich alle Gegner in diesem großzügig abgesteckten PVP-Bereich im Herzen von Manhattan auf euch aufmerksam. Ich habe es tatsächlich hinbekommen, eine besonders schöne Jacke aus dieser Todeszone zu retten. Ich selbst kam zwar nicht lebendig heraus, aber das Problem behob ein Respawn just außerhalb der Dark Zone.

Optisch war das Gebotene auf der Xbox One in jedem Fall ordentlich. Auch wenn es in Sachen Schärfe und einigen Effekten lange nicht mehr so umwerfend aussieht wie in den ersten bewegten Bildern von vor mittlerweile fast drei Jahren. Aber es scheint ja mittlerweile klar, dass Ubisoft die finalen Specs der Konsolen seinerzeit noch ein wenig überschätzte. Und hatten wir zwei Jahre nach dem Start der Xbox One und PS4 wirklich noch damit gerechnet, auf Konsole genau diese Grafik zu bekommen? Ich bin sehr gespannt auf die demnächst anstehende PC-Beta, bei der die seinerzeit angepriesenen Effekte durchaus noch enthalten sein könnten. In jedem Fall kann man schon jetzt sagen, The Division macht sich nach Xbox-One-Maßstäben sehr gut und punktet mit dem akkuratesten Abbild New Yorks, das man bisher in einem Spiel erleben durfte.

In der Dark Zone muss man mit seinem Loot einen Evakuierungsplatz erreichen, die Zone bis zur Ankunft des Helis halten und die Beute dann an ein Seil hängen und für einen Moment beschützen.

Was das Gemunkel bezüglich Mikrotransaktionen angeht, gibt es derzeit gegenläufige Aussagen. Ubisoft Deutschland widersprach uns gegenüber gestern noch jüngsten Meldungen, dass es in The Division Mikrotransaktionen geben werde. Tatsächlich wären solche Kleinkäufe nicht einmal für kosmetische Gegenstände - so genannte Vanity-Items - vorgesehen. Unsere englischen Kollegen hören unterdessen aktuell definitiv auch von Vanity-Items, nur auf welchem Wege diese zu erstehen sind, das ist noch unklar. Wir halten euch auf dem Laufenden. Sollte die deutsche Dependance Recht behalten, wäre das in jedem Fall eine schöne Überraschung.

Wie ihr seht: So sehr ich mich an den Regeln-über-Realismus-Ansatz erst gewöhnen musste, so gut gefiel mir am Ende der allgemeine Ablauf dieses Spiels. So mühelos wechselte selten ein Titel zwischen (Koop-)Kampagne, ubisoftigem Open-World-Zeitvertreib und PVP-Jagd nach besonders wertvoller Ausrüstung. Und der Loot-Schnappreflex in den normalen Gefechten ist auch jetzt schon nicht zu verachten. Dieses Spiel ist irre ambitioniert. Alleine deshalb sollte man es definitiv auf dem Zettel haben.

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Tom Clancy's The Division

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Alexander Bohn-Elias

Stellv. Chefredakteur

Alex schreibt seit über 20 Jahren über Spiele und war von Beginn an bei Eurogamer.de dabei. Er mag Highsmith-Romane, seinen Amiga 1200 und Tier-Dokus ohne Vögel.
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