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Wenn Pixel doch nur die Mimik eines Alan Rickman hätten…

Die Schauspielkunst ist noch für eine ganze Weile sicher vor der virtuellen Welt.

Animation und Gesichtszüge wurden in 20 oder mehr Jahren der zumindest ernsten Entwicklung jenseits simpler Pixel ohne Frage immer besser. Last of Us oder Uncharted sind mit die Speerspitze. Nathan und Ellie gehören zu den meistbewunderten Figuren aus Spielen, wenn es darum geht, menschliche Emotionen zu zeigen. Sei es Humor, Furcht oder Freude. David Cage hat es sich zur Aufgabe gemacht, das zu toppen, und falls er es mal schaffen sollte, einen Charakter zu schreiben, der genuine Emotionen auf der Rolle aufbauen kann, dann wird er die Naughty Dogs schlagen. Until Dawn war schon nah dran, die Technik ist aberwitzig gut, und das bei einem, wie Sony nicht müde wird zu erklären, Spiel mit übersichtlichem Budget. Da konkurriert Brillanz miteinander auf extrem hohem Niveau. Ja, sie sind weit gekommen, die Nachäffer menschlicher Regungen.

Und dann sieht man sich ein, zwei Szenen an, in denen Alan Rickman sein Ding machte, und muss eingestehen, dass er zwar ebenfalls mit ausgezeichneten Animationen gesegnet, aber dass da noch unendlich viel mehr war. Etwas, das wir bisher nie in einem Spiel zu sehen bekamen, das nur da war, wenn ein Mensch die Rolle direkt und unverfälscht übernahm. Etwas, das selbst das beste Motion-Capturing eines Far Cry bisher nicht einfangen konnte.

Am Ende muss die Technik jedes feine Detail eines animierten Gesichts umsetzen und da hapert es immer noch gewaltig. Das weiß man sofort, wenn man sieht, wie Rickman einen Willis in seiner besten Zeit mit einem spöttischen Halbgrinsen durch die Wand spielt. Wie er die irgendwie erstaunlich komplexe Emotionswelt Jane Austens in einen einzigen Gesichtsausdruck packt, weil da für mehr als diesen einen Augenblick kein Platz ist, oder ein Rudel Möchtegernzauberer mit einem einzigen, einmalig abfälligen Blick kaltstellt.

Aber selbst wenn die Technik in den nächsten Jahren das Uncanny Valley wirklich hinter sich lassen sollte, wäre das nur ein Anfang. Was noch sehr lange fehlen dürfte, ist die eigentliche Kunst des Schauspielers, der diese Mimik mitbringt. Die Animation braucht bis heute immer eine Vorlage, sie ist unerlässlich. Es braucht einen solchen Charakter, wie es Rickman war, um selbst aus kleinsten Rollen und Szenen heraus mit einem einzigen Blick alles zu beherrschen. Er musste dafür zum jeweiligen Charakter werden und ich habe aktuell noch den Eindruck, dass es bei Spielen nicht unbedingt am Schreiben einer Rolle liegt - auch wenn es da immer noch viel Nachholbedarf in zu vielen Fällen gibt -, sondern an der Kunst, die Figur diese Rolle annehmen zu lassen und frei mit ihr experimentieren zu können. Diese Arbeit fällt bei einer komplett virtuellen Figur den Technikern zu. Aber sind brillante Animationsexperten diejenigen, die einer Figur wirklich den einmaligen Schliff einer Mimik geben können, wie es die besten Schauspieler über Jahre lernen?

Mitte der 90er und nach der Erfindung von Lara Croft standen die ersten halbwegs ernsthaften Spekulationen im Raum, wie lange es dauern würde, bis Spielcharaktere echten Schauspielern die Rollen abnehmen würden. Jetzt sind wir hier, 20 Jahre später, und warten immer noch drauf, dass da ein Pixelheld kommt, der auch nur zehn Prozent von einem einzigen Alan-Rickman-Grinsen hinbekommt. Ich denke, dass die Kunst des Charakterschauspiels auch die nächsten 20 Jahre ganz sicher nicht mit dem virtuellen Pseudo-Leben konkurrieren muss.

Auch wenn uns in diesen Jahren und noch lange danach ein einzigartiger Künstler wie Rickman fehlen wird.

Alan Rickman verstarb gestern im Alter von 69 Jahren.

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Martin Woger Avatar

Martin Woger

Chefredakteur

Chefredakteur seit 2011, Gamer seit 1984, Mensch seit 1975, mag PC-Engines und alles sonst, was nicht FIFA oder RTS heißt.
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